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Ladenschlussgesetz: So kam es zur Ladenschluss-Lockerung vor 25 Jahren

Ladenschlussgesetz

So kam es zur Ladenschluss-Lockerung vor 25 Jahren

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    Täglich Frisches auf dem Frühstückstisch: Viele Bäckereien haben auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet. Noch. Denn so mancher Betrieb kämpft bereits gegen große Personalprobleme an.
    Täglich Frisches auf dem Frühstückstisch: Viele Bäckereien haben auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet. Noch. Denn so mancher Betrieb kämpft bereits gegen große Personalprobleme an. Foto: Silvio Wyszengrad

    Was waren das damals für kontroverse Debatten! Bisweilen konnte man den Eindruck gewinnen, als ob der Untergang des Abendlandes kurz bevorstehen würde... Und dann? Vor nunmehr genau 25 Jahren trat in Deutschland des neue Ladenschlussgesetz in Kraft. Es veränderte vieles. Und bald sollten viele Kritiker verstummen – zu angenehm waren die Vorteile für die Kundinnen und Kunden. Aber selbst Geschäftsleute und Beschäftigte gewannen den abends längeren Öffnungszeiten und der Sonntagsöffnung auch positive Seiten ab. Und heute? Tauchen auch neue, andere Probleme auf.

    Wie die "Freunde des Sonntagsbrötchens" sich durchsetzten

    Ab dem 1. November 1996 also durften Geschäfte in Deutschland unter der Woche bis 20 Uhr öffnen – bis dahin war bereits um 18.30 Uhr Schluss. Bäcker konnten sonntags erstmals frische Brezen und Semmeln backen und anbieten. Damit hatte der „Verein Freunde des Sonntagsbrötchens“ sein Ziel erreicht. Gerhard Andermark hatte ihn 1995 gegründet: Nur Mitglieder durften in seinem Tante-Emma-Laden im niedersächsischen Celle sonntags Brötchen kaufen. Bis zu 2000 Brötchen verkaufte er zwischen halb acht und elf Uhr, die anfangs wegen des zunächst weiter geltenden sonntäglichen Backverbots allerdings nur aufgebacken waren. „Ich kann gar nicht backen, sondern betreibe ein Semmelsolarium“, meinte Andermark damals trocken. Das schmälerte nicht den Erfolg: 1200 Mitglieder aus ganz Deutschland zählte der Verein, darunter Promis wie Schauspieler Harald Juhnke und TV-Journalist Ulrich Wickert. Die setzten sich öffentlich für frische Sonntagsbrötchen für alle ein. Und heute gehören sie für viele wie selbstverständlich zum Frühstück dazu.

    „In der Bäcker-Innung Augsburg haben die meisten Bäckereien sonntags auf, vor allem die mittleren und großen Betriebe“, berichtet der stellvertretende Innungsobermeister Georg Schneider aus Neusäß heute. Von neun Filialen der Vollwertbäckerei Schneider in und um Augsburg sind sieben am Sonntag geöffnet. „Für die Verkäuferinnen ist das ein schöner Tag. Die Leute sind deutlich entspannter und man verkauft in kurzer Zeit viel“, findet Schneider. Es gebe aber auch Bäckereien, die sonntags geschlossen bleiben. Gerade für Familienbetriebe sei dies oft der einzige freie Tag der Woche. Die schwierige Personalsuche – auch Schneider wirbt um Verkaufspersonal und Auszubildende – hat seiner Meinung nach aber andere Gründe: „Die Vorstellungen sind oft zu negativ. Unsere Bäcker, die sonntags arbeiten, bekommen einen extra Tag frei. Und es gibt nicht nur eine Nacht-, sondern auch eine Tagschicht.“

    Allgäuer Bäcker sucht Personal - und macht sonntags zu

    Im Oberallgäu führt Personalknappheit sogar dazu, dass einige Betriebe ihre Öffnungszeiten reduzieren. So gibt es Sonntagssemmeln in der Bäckerei Härle seit zwei Wochen nur am Stammsitz in Blaichach. Die fünf Filialen bleiben sonntags geschlossen. „Weil wir unsere Mitarbeiter nicht überlasten wollen“, erklärt Marco Härle. Er leitet den Familienbetrieb in sechster Generation zusammen mit seinem Bruder Robert, der auch stellvertretender Obermeister der Allgäuer Bäcker-Innung ist. Man suche händeringend Personal, schildert Marco Härle. Sie hätten es im Internet probiert, über Zeitungsanzeigen – „wir haben alles versucht“, betont der Konditormeister. Aber die Bemühungen blieben weitestgehend erfolglos.

    Dabei sei die Bäckerei ein guter Arbeitgeber, betont Marco Härle. „Wir zahlen faire Löhne, die Bedingungen stimmen“, sagt der 27-Jährige. Ihm sei es wichtig, dass die 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufrieden sind, beteuert der Chef: Auch während des Lockdowns, als die Cafés geschlossen waren, habe die Bäckerei Härle das gesamte Verkaufspersonal gehalten. Doch im touristisch geprägten Allgäu stünden die Bäckereien in Konkurrenz zur Gastronomie, „in der ohne Personal auch nichts läuft“, sagt Härle. „In jedem Betrieb werden nur die Löcher gestopft“, schildert er die derzeitige Situation. Die werde aus einem weiteren Grund verschärft.

    Die Tourismusregion trifft es, dass viele Mitarbeiter aus Ungarn, Tschechien oder Kroatien derzeit nicht nach Deutschland kommen. Aus Angst, an Weihnachten wegen der Corona-Quarantäne nicht zu ihren Familien fahren zu können, vermutet er. Denn vergangenes Jahr hätten viele Kräfte aus Osteuropa die Festtage deswegen in ihren Unterkünften im Oberallgäu verbracht, ja oft verbringen müssen.

    In Augsburg zählt die Innung heute noch 40 Mitgliedsbetriebe, vor 25 Jahren waren es mehr als doppelt so viele. Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks gab es 2020 bundesweit 10.181 Betriebe mit gut 45.000 Verkaufsstellen sowie 255.000 Beschäftigten und 13.000 Auszubildenden. 2013 existierten noch mehr als 13.000 Bäckereien, in denen 283.000 Angestellte und 23.000 Auszubildende arbeiteten.

    Die Sonn- und Feiertagsarbeit hat in den letzten 25 Jahren stark zugenommen.
    Die Sonn- und Feiertagsarbeit hat in den letzten 25 Jahren stark zugenommen. Foto: Stefan Sauer, dpa (Archivbild)

    Neben den Sonntagssemmeln ist die politische Debatte um den Sonntagsverkauf leise geworden, aber nicht verstummt. Laura Bekierman setzt sich für „Sonntags frei“ ein, eine Kampagne des evangelischen Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). Die Referentin betont den Wert eines gemeinsamen freien Tages. Laut Statistischem Bundesamt haben 11,7 Prozent der Arbeitnehmer 2019 mindestens jeden zweiten Sonntag gearbeitet, ihr Anteil ist in den letzten 25 Jahren um rund 50 Prozent gestiegen.

    Vertreter der Kirche protestieren gegen verkaufsoffene Sonntage

    In den meisten Bundesländern darf es maximal viermal jährlich verkaufsoffene Sonntage geben. In Bayern bedarf es dazu spezieller Anlässe vor Ort wie Feste, Märkte oder Messen. Dieser besondere Anlass soll laut CSU-Wahlprogramm künftig nicht mehr Bedingung sein. Mit dem Slogan „Wir sind hier, wir sind laut – weil man uns den Sonntag klaut!“ protestierten kürzlich KAB-Mitglieder vor der CSU-Zentrale in München. Sie befürchten eine Entwicklung wie in Nordrhein-Westfalen, wo an acht Sonntagen im Jahr eine Ladenöffnung möglich ist.

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