Alleine in Bayern geht es um rund 500.000 Arbeitsplätze. Wo geht es hin mit der Automobilindustrie? Und egal, wohin es geht, wie werden die Beschäftigten am besten dorthin mitgenommen? Das wollte auch Herbert Baumer wissen. Der Betriebsratsvorsitzende von Hoerbiger Kompressortechnik kam aus Schongau nach Ingolstadt in die Zukunftswerkstatt, zu der die Gesellschaft für Personal- und Organisationsentwicklung ffw zusammen mit der IG Metall eingeladen hatte. Mit ihm diskutierten viele Betriebsrätinnen und Betriebsräte über den Weg in und durch die Transformation. In der Autoindustrie ist derzeit die Verunsicherung besonders groß. Der Verbrenner soll auslaufen, gleichzeitig stockt aber der Absatz von E-Autos. Der bayerische Autozulieferer Preh plant zum Beispiel, rund 400 Stellen zu streichen.
Die IG Metall forderte die Politik auf, nicht als Bremsklotz für den Umbau zu wirken. „Die Industrie steht im tiefsten Umbruch seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall. „Diesen Umbruch kann der Markt nicht allein regeln und das einzelne Unternehmen nicht allein stemmen. Hier ist die Politik in Bund und Ländern gefragt“, mahnte er. Jede Verzögerung und Rücknahme von Vorgaben, wie eine Verlängerung des Verbrenners, straft die Firmen, die investiert haben. Ein Finanzminister, der die Schwarze Null wie eine Monstranz vor sich hertrage, versündige sich am Wirtschaftsstandort Deutschland.
Horst Ott, IG Metall: Dialog mit Staatsregierung, Gewerkschaften, Arbeitgebern
Die IG Metall Bayern fordert ein Förderprogramm für die Mobilitätswirtschaft. In einem industriepolitischen Dialog zwischen Staatsregierung, Gewerkschaft und Arbeitgeberverbänden müssten die Zukunftsfelder mit regionalen Lösungen und Arbeitsplätzen vor Ort definiert werden, sagte Horst Ott, Bezirksleiter der IG Metall Bayern. Zudem müsse die Infrastruktur in Richtung Ausbau erneuerbarer Energien, Wasserstoffnetz und Ladeinfrastruktur gefördert werden.
Audi-Personalvorstand Xavier Ros stellte das Transformationskonzept des Ingolstädter Automobilkonzerns vor. Ros sieht zwei Umbrüche auf die Autoindustrie zukommen: Die Elektrifizierung hin zum E-Auto sei noch recht einfach: „Wir sind eine Nation der Ingenieure und werden die Umstellung weg vom Verbrenner schnell schaffen.“ Schwieriger sei die Software-Transformation. „Da sind wir keine Experten.“ Firmen wie Tesla oder chinesische Autobauer beginnen von null und bauen Autos um die Software herum.“ Solche „iPhones auf Rädern“ seien von null ab leichter handelbar, als von einem Automobilkonzern, in dem Strukturen umgebaut werden müssten, so Ros.
Audi hat eine Strategie für die Transformation
Um den Wandel personell zu gestalten, geht Audi auf drei Ebenen vor: Seit 2019 gebe es „Audi Zukunft“, die Basis des Transformationsprozesses. In der Führungsebene würden Zielbilder erarbeitet. In jedem Bereich werde geschaut, wie viele Mitarbeitende für welche Aufgaben gebraucht würden. Darunter werde ein Raum für Transformation geschaffen. „Wir haben ein Budget von 100 Millionen Euro dafür eingeplant und eine Kostenstelle gegründet, in der die Beschäftigten während der Um- und Weiterbildung verortet sind.“ Und dann gebe es auf der operativen Ebene Transformationsteams für das Personal, in denen die Fachbereiche, das Personalwesen und der Betriebsrat eng zusammenarbeiten.
Wolfgang Anlauft, Geschäftsführer der ffw GmbH, hätte sich gefreut, wenn alle Unternehmen so strukturiert an der Transformation arbeiten würden. Dem sei leider nicht so. Zukunftsthemen würden häufig von der technischen Seite angegangen. Und erst wenn es in der Belegschaft das Brodeln anfange, werde sie mit in die Überlegung einbezogen. Aber ohne Einbeziehung der Beschäftigten keine wirkliche Transformation, war sich Kerner sicher. „Während wir auf die Bremse treten, geben China und die USA richtig Gas.“ Kerner fordert unter anderem endlich einen Industriestrompreis vor allem für die energieintensiven Sparten. „Und das sind nicht nur Stahl- und Aluhütten. Die Produktion von Batterien und Halbleitern braucht reichlich Strom. Von einem KI-Rechenzentrum wollen wir gar nicht erst reden.“ Dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder keine Zeit für einen Online-Auftritt hatte, kam bei den Forumsteilnehmern nicht gut an. Von Ersatzmann und Staatsminister Florian Herrmann kam nur eine Video-Botschaft.
Jürgen Kerner, IG Metall: „Während wir auf die Bremse treten, geben China und die USA richtig Gas“
Und was sagt ein Betriebsratsvorsitzender, wie Herbert Baumer dazu? „Solche Treffen wie heute sind für uns sehr wichtig.“ So könnten sich die Arbeitnehmervertreter austauschen, würden von den Problemen der anderen und auch von der einen oder anderen Lösungsmöglichkeit erfahren. Die brauchen die Mitarbeiter mancher Unternehmen, wie zum Beispiel von Hoerbiger. Das Unternehmen verlegt gerade 50 Arbeitsplätze aus der Produktion nach Polen. Für Herbert Baumer hat Hoerbiger einfach zu lange auf Produkte gesetzt, die das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben. Die Firma mit insgesamt rund 300 Mitarbeitern habe es nicht geschafft, rechtzeitig innovativ zu werden.
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