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Krise: Wenn Winzer über zu viel Wein klagen

Krise

Wenn Winzer über zu viel Wein klagen

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    Weinberg in Steillage am Rande von Esslingen: Zu teuer für den Erhalt?
    Weinberg in Steillage am Rande von Esslingen: Zu teuer für den Erhalt? Foto: Bernd Weißbrod, dpa

    Die Weinlese hat begonnen. Und auch wenn es bislang kein einfaches Jahr war, es könnte ein sehr guter Jahrgang werden. Das gilt zumindest für die Qualität des deutschen Weins. Anders sieht es in Sachen Stimmung in der Branche aus. Denn die Zeiten sind unerfreulich, und das vielerorts in Europa, ob in der Bundesrepublik, in Frankreich, Spanien oder Italien. Der Konsum geht zurück, die Nachfrage verändert sich, die Keller bleiben voll, die Preise und der Umsatz sinken, die Kosten explodieren und der Klimawandel schafft Probleme, sprich: Der Weinwirtschaft droht eine Krise.

    Die EU prüft politische Maßnahmen angesichts sinkenden Weinkomsums

    Nun traf sich in Brüssel erstmals eine sogenannte „High-level Group“, die sich um die Zukunft des europäischen Weins kümmern will. Initiiert von der EU-Kommission kamen Vertreter aus der Branche mit jenen aus Mitgliedstaaten und Parlament zusammen. Man sei sich „weitgehend einig über die strukturellen Probleme des Sektors“, sagte im Anschluss ein Kommissionssprecher. Zunächst beschrieben die Experten die Herausforderungen; nach zwei weiteren Sitzungen im Oktober und November sollen im Dezember Schlussfolgerungen und Empfehlungen vorgelegt werden. „Es wurden nachdrücklich politische Maßnahmen gefordert, um den Sektor bei der Anpassung an die neuen Marktbedingungen zu unterstützen“, hieß es von der Kommission. 

    Die Erwartungen von Seiten der Branche liegen hoch, wie Klaus Schneider, Präsident des Deutschen Weinbauverbands (DWV), zugibt. Vorneweg geht es um die Struktur der neuen sogenannten Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Die Lösungen, die das nun tagende Forum erarbeiten will, sollen in die Agrarreform nach 2027 einfließen. „Wir wollen die Verwendung der Fördergelder flexibilisieren und effizienter machen, um uns an die Krisen, seien sie klimatischer Art, produktions- oder marktbedingt, besser anpassen zu können“, sagt Weinbauverbandschef Schneider. Als Stichworte nennt er Pflanzenschutz, eine klare Definition von Weinen mit geringerem Alkoholgehalt, die zunehmend im Trend lägen.

    In Europa sank der Weinverbrauch um ein Viertel in einem Jahrzehnt

    Der EU-Kommission zufolge sank der Weinverbrauch zwischen 2010 und 2020 um 24 Prozent. Entalkoholisierte und alkoholreduzierte Weine verzeichnen dagegen kräftige Wachstumsraten. Doch für einen Durchbruch der leichten Weine brauche es weniger bürokratische Hürden, fordert die CDU-Europaabgeordnete Christine Schneider und verweist auf zu komplizierte Regelungen im Bezeichnungsrecht. „Wichtig ist, dass es Wein gewesen sein muss, wenn entalkoholisierter Wein auf dem Etikett steht und es nicht Traubensaft sein kann.“

    Aus Frankreich kommt dagegen der Ruf nach radikalen Lösungen, Programme zur Rodung von Weinbergen aufzulegen, um das Angebot zu verknappen. Wie der deutsche Weinbauverbandschef Klaus Schneider betont, dürften Rodungsprämien in der Höhe „nicht attraktiver sein als Biodiversitätsmaßnahmen oder eine Steillagenförderung auf den Flächen“. Auch die CDU-Abgeordnete Schneider hat Zweifel, sollte Europa diesen Schritt gehen und nicht ausreichend auf Nachhaltigkeit achten: „Dann würde zuallererst die Steillage gerodet und die Fläche im Flachbereich entsprechend wieder angebaut.“ Es wäre „verheerend für unsere Kulturlandschaften in ganz Europa, die von den Steillagen geprägt sind“. 

    Gehen die Württemberger Steillagen bald an Hobbywinzer?

    Steillagen sind schwieriger und teurer zu bewirtschaften. Selbst jene Hobbywinzer, die aus Tradition und Verbundenheit zur Region noch viele Jahre durchgehalten haben, geben zunehmend auf und ihre Flächen ab, wie Antje Friedrich von der Genossenschaft „Weingärtner Marbach“ nördlich von Stuttgart beklagt. Hier in Württemberg ranken Weinreben schon seit dem 14. Jahrhundert an den Steilhängen. Aktuell übersteigen die Kosten jedoch das sogenannte „Traubengeld“, das die Feierabend-Winzer verdienen. Die Folge: Jüngere Generationen haben keine Lust mehr.

    Um das Landschaftsbild und die Bedeutung der Steillagen für die Artenvielfalt zu erhalten, setzt man in Württembergs Weinbaugebieten nun auf Hobbywinzer. Motivierte Bürger lernen in Kursen mehr über Wein sowie die Bewirtschaftung von Steillagen und bekommen dann pachtfreie Flächen zur Verfügung gestellt, wie Winzer-Genossenschaftsvertreterin Friedrich erklärt. Sie kritisiert, dass von Seiten der Politik ein „Anreiz zur Erhaltung“ fehle. CDU-Politikerin Schneider fordert von der EU ein Kulturlandschaftsprogramm. „Unser Ziel sollte sein, dass wir das Überangebot vom Markt bekommen“, betont sie jedoch. An die Branche appelliert sie, mehr in den Exportmarkt und Werbung auch außerhalb der EU zu investieren.

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    1 Kommentar
    Klara Rasper

    Wein wird heute weniger im Weinberg als im Keller gemacht. Hunderte von Zusatzstoffen, die legal beigemischt werden duerfen, lassen einem den Appetit vergehen. Wenn es doch ein Reinheitsgebot wie beim Bier gaebe !

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