Das Landgericht München hat dem ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler bei einem Geständnis eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt. Er dürfte spätestens im Juli 2016 erkannt haben, dass die Abgaswerte von Dieselautos manipuliert gewesen sein könnten, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Weickert. Stadler hätte der Sache auf den Grund gehen, Tricksereien abstellen und die Handelspartner informieren müssen. "Bei vollem Geständnis" komme für ihn und zwei Mitangeklagte aber eine Freiheitsstrafe auf Bewährung in Betracht.
Stadler und der ehemalige Audi-Motorenchef und Porsche-Technikvorstand Wolfgang Hatz beteuern bislang ihre Unschuld. Der ehemalige Audi-Hauptabteilungsleiter Giovanni P. ist nach Bewertung der Kammer bislang "auch nicht voll geständig". Das Verfahren gegen den als Kronzeugen aufgetretenen vierten Angeklagten, den leitenden Ingenieur Henning L., will die Kammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen.
Zu dieser vorläufigen Einschätzung sei die Strafkammer nach zweieinhalbjähriger Beweisaufnahme gekommen, sagte Weickert. Dabei habe sie auch die sehr lange Verfahrensdauer im Blick gehabt, "die für die Angeklagten belastend ist". Sie sollen sich nun mit ihren Anwälten beraten. Das Urteil könnte nach bisheriger Planung im Juni verkündet werden.
Gezielte Manipulation
Die drei Motorenentwickler Hatz, P. und L. sollen Dieselmotoren für rund 400.000 Autos von Audi, Volkswagen und Porsche ab 2008 so manipuliert haben, dass sie Abgastests bestanden, aber auf der Straße mehr Stickoxid ausstießen als erlaubt. Ziel war es, sich den nachträglichen Einbau größerer Adblue-Tanks für die Abgasreinigung zu sparen.
Nach vorläufiger Bewertung der Kammer wurden auf Betreiben dieses Trios unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut. Allerdings will sie eine ganze Reihe von Fahrzeugen und Märkten, die in der Anklage aufgeführt werden, nicht mit berücksichtigen. Auch bei den Anklagevorwürfen irreführende Werbung und mittelbare Falschbeurkundung regt die Kammer eine Einstellung ein.
"Angstkultur" im VW-Konzern?
Stadler soll auch laut Anklage zwar erst nach Aufdeckung des Skandals in den USA 2015 davon erfahren haben, aber die Produktion und den Verkauf manipulierter Autos in Europa erst 2018 gestoppt haben. Er hat argumentiert, er sei als Vorstandschef von seinen Technikern "hinters Licht geführt" worden, wobei "vielleicht aber auch eine Angstkultur" im VW-Konzern beigetragen haben könnte.
Die Kammer verwies dagegen auf die internen Untersuchungen durch Anwaltskanzleien bei Audi und VW und Erkenntnisse des Kraftfahrt-Bundesamts. Spätestens im Juli 2016 hätte er nachhaken und handeln müssen.
Stadler, Hatz und P. hatten mehrere Monate in U-Haft gesessen. Der erste Strafprozess zum Dieselskandal in Deutschland läuft seit September 2020. Am Mittwoch war der 161. Verhandlungstag. Verteidigerhonorare, Reise- und Hotelkosten sowie Gerichtskosten samt Aufwendungen für Gutachter und angereiste Zeugen dürften sich für einen Angeklagten auf einige Hunderttausend Euro summieren, sagte ein Anwalt am Rande des Prozesses. Dazu kämen möglicherweise hohe Bewährungsauflagen.
(dpa)