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Krieg in Nahost: Wie Israels Wirtschaft unter dem Krieg leidet

Krieg in Nahost

Wie Israels Wirtschaft unter dem Krieg leidet

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    Die israelische Wirtschaft leidet zunehmend unter dem durch den Großangriff der Hamas-Terroristen ausgelösten Krieg.
    Die israelische Wirtschaft leidet zunehmend unter dem durch den Großangriff der Hamas-Terroristen ausgelösten Krieg. Foto: Hendrik Schmidt, dpa (Symbolbild)

    Der Großangriff der Hamas-Terroristen auf Israel und der dadurch ausgelöste Krieg beeinträchtigt auch die Wirtschaft des Landes zunehmend. Wo täglich Raketen einschlagen könnten, kann von einem Arbeitsalltag keine Rede mehr sein. Zehntausende Reservisten müssen an die Front und fehlen den Unternehmen, die Touristen bleiben weg – auch das belastet Israels Staatskasse. 

    Israels Ökonomie expandierte vor dem Krieg nach Angaben des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) "recht kräftig". Das vor Corona verzeichnete Wachstum wurde – anders als beispielsweise in Deutschland – wieder erreicht, "vielleicht sogar leicht überschritten". Bis zum Sommer 2023 gab es Wachstumsraten von über drei Prozent.

    IfW-Konjunkturexperte Klaus-Jürgen Gern rechnet nun damit, dass der Konsum stark zurückgehen dürfte. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt er: "Auf viele nicht notwendige Einkäufe wird zurzeit verzichtet, zumal die Öffnungszeiten der Geschäfte stark reduziert sind." Vorratseinkäufe dürften das nicht ausgleichen. 

    Der Tourismus in Israel kommt zum Erliegen

    Von großer Bedeutung ist auch, sagt Gern, dass "insbesondere das Gastgewerbe massiv leidet". Durch den Tourismus wurden laut IfW bis 2019 etwa fünfeinhalb Prozent des israelischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet. Zwar konnte dieses Niveau nach dem coronabedingten Rückgang in den vergangenen beiden Jahren noch nicht wieder erreicht werden. Nun allerdings ist es so, dass ausländische Touristen "praktisch gar nicht mehr" ins Land kommen. Sie aber machten etwa drei Prozent von Israels BIP aus. Zumal: Die Hauptreisesaison für Israel ist jetzt. Wer im November schon mal im See Genezareth baden war, weiß warum.

    Auch der Sicherheitsmanager des Reiseanbieters Studiosus bestätigt auf Anfrage: „Der Krieg zwischen Israel und der Hamas wirkt sich in der Tat auch auf die in der Region tätige Reiseindustrie aus. Waren aufgrund jüdischer Feiertage zum Zeitpunkt des terroristischen Überfalls vergleichsweise wenig ausländische Touristen im Land, sollte eigentlich kurze Zeit später die touristische Herbstsaison in vollem Umfang beginnen." Noch am Tag des Angriffs habe Studiosus bereits anreisende Gäste stoppen können. Seitdem habe man die für das Jahr noch geplanten Israelreisen absagen müssen. 

    Dann fehlen den Unternehmen durch den Krieg die Mitarbeiter. Laut IfW herrschte in Israel vor der Hamas-Attacke praktisch Vollbeschäftigung. Die 350.000 einberufenen Reservisten entsprechen rund acht Prozent der Arbeitenden. Und in dem für Israel wichtigen Hightech-Sektor, wo besonders viele junge Israelis beschäftigt sind, wird der Anteil der Einberufenen sogar auf 15 Prozent geschätzt. Dies, sagt Gern, dürfte die Produktion "erheblich" beeinträchtigen.

    Leben in Israel: Morgens Uniform, abends Online-Konferenzen

    Morgens Uniform, abends Online-Konferenzen: Für den ehemaligen Oberst einer israelischen Eliteeinheit, Bobi Gilburd, gehörte das in den vergangenen drei Wochen jedenfalls zum Alltag. "Sobald der Dienst vorbei war, zog ich mich um, setzte mich in mein Auto vor der Militärbasis und rief Kunden in den USA oder Europa an", sagt der 45-Jährige, der 26 Jahre in Israels Eliteeinheit des Cyber-Geheimdiensts 8200 gearbeitet hat. Eigentlich sei er nun in der freien Wirtschaft tätig, aber wegen des Kriegs zum Militär zurückgekehrt.

    Seit ein paar Tagen sitzt er wieder in seinem Büro in Tel Aviv. Wie lange, weiß er nicht. Zehn Prozent der Angestellten seiner Hightech-Firma zählen zu den einberufenen Reservisten im Land. "Wir können es uns nicht leisten, nicht mehr zu arbeiten", sagt Gilburd. Viele seiner Kollegen arbeiten vom Handy oder dem Laptop von der Front aus. Seit Kriegsbeginn habe man jede Deadline eingehalten. Die meisten Gespräche fänden nun online statt, oft auch abends. "Die Kunden bringen aber sehr viel Verständnis mit, sie wissen, wir sind hier im Krieg." Das gelte auch bei Raketenalarm. "Unzählige Meetings wurden unterbrochen, aber so ist das eben", sagt Gilburd.

    Auch die Deutsche Telekom ist seit vielen Jahren und in vielen Bereichen in Israel engagiert, wo es eine weltweit bekannte Start-up-Szene gibt. So betreibt die Telekom in Israel gemeinsam mit der Ben-Gurion-Universität in Be'er Sheva etwa die sogenannten T-Labs. Ein wichtiges Feld ist dabei nach Unternehmensangaben die Grundlagenforschung in Sachen „Cybersecurity und Analytics“. Eine Sprecherin beschreibt die aktuelle Situation so: "Der Krieg bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf den Geschäftsalltag, aber der starke Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen, ist überall spürbar. Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten vom Homeoffice aus, weil es sicherer ist und weil die Schulen geschlossen sind beziehungsweise der Unterricht per Video-Konferenz erfolgt und die Kinder betreut werden müssen." Rund zehn Prozent der Kollegen in den T-Labs seien als Reservisten eingezogen worden. 

    Auch die Inflation droht in Israel wieder zu steigen

    Schließlich hilft der Krieg nicht dabei, die Inflation in Israel weiter zu senken. Die befand sich lauf IfW auf dem Rückzug, war aber mit 3,8 Prozent zuletzt noch höher als üblich. Konjunktur-Experte Gern geht nun allerdings davon aus, dass die Hamsterkäufe und Versorgungsengpässe die Teuerung aktuell wieder befeuern dürften. 

    Auch Israels Währung, der Schekel, kommt unter Druck. Der Schekel schwächelt bereits seit Längerem. Zwischen Anfang 2022 und September 2023 wertete er laut IfW gegenüber dem Dollar um 20 Prozent ab. Seit dem Angriff der Hamas kam noch rund vier Prozent hinzu.

    Was ist mit dem Kredit-Rating Israels?

    Und das Kredit-Rating? Christoph Kutt, Leiter Rentenmarktanalyse bei der DZ-Bank, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Grundsätzlich hat Israel ein gutes bis sehr gutes Rating von verschiedenen Agenturen, dass sich schon in der Vergangenheit resilient gegenüber geopolitischen Entwicklungen in der Region gezeigt hat. So dramatisch wie die Lage derzeit auch ist, müssen Rating-Agenturen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und die Situation einordnen." Der Krieg in Nahost zeige sich nun offenbar als "eher langfristige Belastung im Vergleich zur Situation vor dem 7. Oktober". Die Staatsfinanzen, meint der Experte, dürften stärker belastet werden. Auch die öffentlichen Institutionen und Behörden dürften ihre Tätigkeiten anders priorisieren als üblich, was zu Verzögerungen in der Verwaltung führe.

    Einberufene Reservisten, reduzierter Konsum, reduzierte Investitionen, die Einbußen beim Tourismus: "Das alles könnte die Bonität Israels beeinträchtigen", sagt Kutt. Und daher habe etwa die amerikanische Kredit-Ratingagentur S&P entsprechend "reagieren müssen", die zuletzt den Ausblick für die Kreditbewertung von Israel gesenkt hatte. (mit dpa)

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