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Krieg in der Ukraine: Wie Italien von russischem Gas loskommen will

Krieg in der Ukraine

Wie Italien von russischem Gas loskommen will

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    Ministerpräsident Mario Draghi sucht Auswege.
    Ministerpräsident Mario Draghi sucht Auswege. Foto: Domenico Stinellis, AP/dpa

    Mario Draghi brachte das Dilemma um die Gasimporte aus Russland auf den Punkt. „Wollen Sie Frieden oder eine laufende Klimaanlage?“, fragte der italienische Ministerpräsident vor Tagen, als er nach der Möglichkeit des Stopps der Gaslieferungen aus Russland infolge des Ukrainekriegs gefragt wurde.

    Italien ist wie Deutschland abhängig von russischen Gasexporten

    Schätzungen des Brüsseler Thinktanks Bruegel zufolge könnte der Kreml angesichts der hohen Gaspreise durchschnittlich 850 Millionen Dollar mit seinen Gasexporten nach Europa verdienen – pro Tag. Keine Frage, sagte Draghi, indirekt finanziere man den brutalen Angriffskrieg, den Wladimir Putin in der Ukraine führe. Was also tun?

    Wie Deutschland ist auch Italien besonders abhängig von den russischen Gasexporten. 40 Prozent des italienischen Gasbedarfs stammen aus Russland. Die Regierung Draghi, die von Parteien von ganz rechts bis weit links getragen wird, will sich erst einmal nicht festlegen. „Wenn die EU sich auf ein Gas-Embargo einigt, dann machen wir da gerne mit“, sagte der Ministerpräsident. In der Regierung haben sich die Sozialdemokraten sowie Außenminister Luigi Di Maio von der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung für den Einfuhrstopp aus Russland ausgesprochen. Die rechte Lega, die enge Kontakte nach Moskau pflegt, ist dagegen.

    Italien: Maximal 19 Grad in öffentlichen Gebäuden

    In gewisser Weise versteckt sich Italien also hinter dem Veto aus Deutschland. Denn die Konsequenzen eines Gas-Embargos wären auch für Italien weitreichend, weit über die abgestellte Klimaanlage hinaus. Das hoch verschuldete Land (rund 160 Prozent des BIP) befindet sich de facto bereits jetzt in einer Rezession, die Regierung korrigierte ihre Prognose des Wirtschaftswachstums für 2022 von 4,7 Prozent auf 3,1 des BIP. Laut Arbeitgeberverband Confindustria haben 16 Prozent der Unternehmen in Italien wegen gestiegener Kosten und Rohstoffmangels ihre Produktion verlangsamt oder eingestellt, Tendenz steigend. Der Importstopp würde die notorisch strukturschwache italienische Wirtschaft noch härter treffen.

    Am Donnerstag verfügte die Regierung per Dekret einen in erster Linie symbolischen Akt. In allen öffentlichen Gebäuden dürfen ab Mai Räume nur bis 27 Grad Raumtemperatur heruntergekühlt werden, bislang lag die Obergrenze bei 26 Grad. Im Winter darf auf maximal 19 Grad geheizt werden, auch das bedeutet eine Reduzierung, die freilich kaum überprüft und sanktioniert werden dürfte. „Das ist das erste landesweite Signal“, schrieb La Repubblica. „Aber das könnte erst der Anfang sein, sollte der Krieg länger dauern.“ Mit der Temperaturregelung in öffentlichen Gebäuden will die Regierung eine Milliarde Kubikmeter Gas einsparen. Aus Russland bezieht Italien jährlich rund 30 Milliarden Kubikmeter.

    Italien will beim Gas auf Alternative Herkunftsländer umschwenken

    Kommende Woche will Premier Draghi nach Algier reisen, um höhere Gasimporte aus Algerien auszuhandeln. Auch die Importmengen aus Aserbaidschan, Libyen und eventuell aus Ägypten sollen erhöht werden. Energie-Experte Davide Tabarelli von Nomisma Energia sieht dennoch keine Alternative: „Wir müssen rationieren“, sagt er. Würden die Italiener insgesamt auf Klimaanlagen verzichten, könnten zehn Milliarden Kubikmeter eingespart werden, mit dem ebenso undenkbaren Verzicht auf Heizung gar 20 Milliarden. „Aber das wäre eine Tragödie“, sagt Tabarelli.

    Weil auch Italiens angeschlagene Wirtschaft auf dem Spiel steht, geht es nun um Alternativen wie neue Flüssiggasterminals, die Erhöhung der Liefermengen aus Algerien und Aserbaidschan oder erneuerbare Energien. Premier Draghi will die Genehmigungsverfahren für Photovoltaik- oder Windanlagen vereinfachen. Sogar über eine Rückkehr zur Kohle wird diskutiert.

    Alle aktuellen Entwicklungen erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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