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Krieg in der Ukraine: So trifft der Ukraine-Krieg den Autobauer Volkswagen

Krieg in der Ukraine

So trifft der Ukraine-Krieg den Autobauer Volkswagen

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    Der Krieg in der Ukraine trifft auch den Autobauer Volkswagen.
    Der Krieg in der Ukraine trifft auch den Autobauer Volkswagen. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolbild)

    Herbert Diess muss keine Fragen mehr zu seinem monatelangen Streit mit dem Betriebsrat und der obersten VW-Arbeitnehmer-Chefin Daniela Cavallo beantworten. Der Konflikt wirkt auf der Jahrespressekonferenz des Volkswagen-Konzerns am Dienstag weit weg, auch wenn es 2021 vorübergehend so schien, als wackle der Stuhl des streitbaren Münchners heftig.

    Doch der damals laut in der Öffentlichkeit ausgetragene Zoff wirkt angesichts des Krieges in der Ukraine wie eine Geschichte aus einer fernen Zeit. Als Diess damals vor dem Abbau von bis zu 30.000 Arbeitsplätzen warnte, fühlte sich der Betriebsrat erwartbar maximal provoziert. Rasch war von der „Schlacht um Wolfsburg“ die Rede – ein militärischer Begriff, der aus heutiger Sicht besonders deplatziert wirkt.

    Wie betrifft der Ukraine-Krieg Volkswagen?

    Daher wollen die Journalistinnen und Journalisten von Diess jetzt vor allem wissen, wie stark Volkswagen unter den wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine leidet. Dabei räumt der VW-Chef ein, dass in neun von elf für den Konzern in der Ukraine tätigen Zulieferfabriken Beschäftigte noch unter Einschränkungen arbeiten.

    Deswegen bekommt das Unternehmen nach wie vor die für die Auto-Produktion wichtigen Kabelbäume, wenn auch weniger als vor dem Krieg. Es gibt weiter Speditionen, die solche Bordnetze aus noch nicht umkämpften Teilen der Westukraine herausholen. Die Regierung des Landes hat westliche Unternehmen gebeten, weiter zu produzieren, wenn es die Sicherheitslage zulässt. Natürlich setzt Volkswagen alles daran, dass Zulieferer die Kabelstrang-Fertigung in anderen Fabriken, etwa in Nordafrika, hochfahren und damit Lieferausfälle in der Ukraine ausgleichen.

    VW-Verantwortliche machen hier deutlich, der Konzern sei in der Lage, das Kabelbaum-Problem vergleichsweise schnell in den Griff zu bekommen. Wo heute noch Auto-Produktionslinien wegen des teilweisen Runterfahrens der Produktion in der Ukraine stillstehen, könnte sich die Kabelbaum-Lage in einigen Wochen entspannen.

    Herstellung von Kabelbäumen erfordert Präzision

    Dazu müssen VW-Zulieferer in Bordnetz-Werken außerhalb der Ukraine neue Beschäftigte erst einmal anlernen. Denn das Legen der Steckverbindungen und Kabel auf einem Tisch, der in etwa so groß wie eine Tischtennisplatte ist, erfordert Präzision und Geschick. Kabelbaum ist nicht gleich Kabelbaum: Jeder Sonderwunsch führt zu neuen Steckverbindungen. Dabei ist im hohen Maße Handarbeit gefordert. Am Ende können die Bordnetze 50 bis 70 Kilo schwer sein.

    Dass in der Westukraine die Produktion zum Teil noch aufrechterhalten werden kann, liegt sicher auch am hohen Frauenanteil unter den Beschäftigten in den Fabriken von 70 bis 75 Prozent, wie ein Insider sagt. Nach einer Berechnung des CAR-Institutes soll hier in der Ukraine nur ein Stundenlohn samt Lohnnebenkosten von rund drei Euro anfallen, während das in Deutschland 54 Euro wären.

    Das verdeutlicht, warum die schwer automatisierbare Tätigkeit immer weiter nach Osteuropa abgewandert ist. Dass CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer die Kabelbaum-Hersteller als „Teppichknüpfer der Autoindustrie“ bezeichnete, kommt bei betroffenen Firmen nicht gut an, macht aber deutlich, wie arbeitsintensiv die Tätigkeit ist.

    VW befürchtet, dass russischer Standort konfisziert werden könnte

    Diess hat jedenfalls nicht mit einem Ausbruch des Krieges gerechnet: „Die Ukraine hatten wir nicht auf dem Radar.“ Inzwischen muss der Manager bei einer weiteren Zuspitzung der Lage sogar davon ausgehen, dass die Mächtigen in Moskau nicht davor zurückschrecken, VW-Eigentum in Russland, also etwa die Fabrik in Kaluga, zu konfiszieren.

    Allgemeine Drohungen gegen westliche Firmen gab es schon. In Kaluga, einer 190 Kilometer südwestlich von Moskau gelegenen Stadt, produzierte VW im vergangenen Jahr 118.000 Fahrzeuge. Volkswagen hat die Fabrik als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg heruntergefahren. Sollte der Standort vom Staat konfisziert werden, „wäre das ein Schlag für VW“.

    Positive Nachrichten werden in den Hintergrund gedrängt

    Doch insgesamt würde sich der materielle Schaden für den Konzern in Grenzen halten. Diess hat ausrechnen lassen, dass sich nur 0,5 Prozent der gesamten VW-Vermögenswerte in Russland befinden. Mit solchen noch vor einem Monat fernliegenden Fragen muss sich der Vorstandschef heute beschäftigen.

    Sie drängen positive Nachrichten wie diese in den Hintergrund: Nach einigen Jahren hat es VW geschafft, in Nordamerika in die Gewinnzone zurückzukehren. In Europa sieht sich der Konzern, was batterieelektrische Fahrzeuge betrifft, als Marktführer. Und obwohl Volkswagen 2021 wegen des Chipmangels 2,4 Millionen Fahrzeuge weniger als 2019 verkauft hat, blieb ein Gewinn von 15,4 Milliarden Euro übrig. Diess spricht in neuer Bescheidenheit von einem „soliden Ergebnis".

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