Russlands Präsident Wladimir Putin hatte als Reaktion auf die Sanktionen des Westens wegen des Kriegs in der Ukraine bereits vor längerem Gegenmaßnahmen angekündigt. Einen weiteren Schritt hat er jetzt unternommen: Putin hat am Mittwoch die Regierung angewiesen, für Gaslieferungen keine Zahlung in Dollar oder Euro mehr zu akzeptieren. Die Zahlung muss damit in Rubel erfolgen. Betroffen sind Länder, die Russland als "unfreundliche Staaten" ansieht, darunter alle Staaten der EU, also auch Deutschland, dazu die USA, Großbritannien und Kanada.
Putin sagte, der Westen habe selbst seine Währungen entwertet, indem russische Aktiva im Ausland eingefroren worden seien. Zudem habe eine Zahlung für russische Waren in Devisen ihren Sinn verloren. Russland betonte zwar, dass die Gaslieferungen weiter in vollem Umfang gewährleistet seien. Trotzdem ist in Deutschland inzwischen die Sorge groß, ob die Gasversorgung nicht doch gefährdet ist. Was also bedeutet der Schritt genau?
Zwischenhändler wie Wingas und Uniper kaufen in Russland ein und bezahlen in Euro oder Dollar
Erdgaskunden beziehen ihr Gas häufig von regionalen Energieanbietern, darunter viele Stadtwerke. Sie sind von Putins Maßnahmen nicht direkt betroffen, erklärt Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft. Indirekt aber sehr wohl Denn die Stadtwerke kaufen ihr Gas nicht direkt in Russland, sondern von großen Zwischenhändlern in Deutschland. Beispiele hierfür sind Uniper in Düsseldorf oder Wingas in Kassel, eine 100-prozentige Tochter des russischen Gaskonzerns Gazprom. Die Verträge zwischen Stadtwerken und Zwischenhändlern sind normalerweise in Euro oder Dollar angelegt.
Die Zwischenhändler - wie Wingas oder Uniper - beziehen ihr Gas wiederum zu großen Teilen aus Russland, beispielsweise eben von Gazprom. "Diese Verträge mit russischen Energiekonzernen laufen typischerweise ebenfalls in Euro oder Dollar", erklärt Fischer. Dies ist jetzt der problematische Punkt: Denn Putin will Euro und Dollar nicht mehr akzeptieren. Künftig müssten die Zwischenhändler also in Rubel bezahlen. Wäre das angesichts der bereits existierenden Sanktionen möglich?
Am freien Markt gibt es wohl nicht hinreichend Rubel
Bereits heute müssen russische Rohstoff- und Energiekonzerne Devisen aus dem Verkauf ihrer Güter zu 80 Prozent in Rubel tauschen, berichtet Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Wien. Dieser Umtausch müsste nun einen Schritt früher erfolgen, erklärt Finanzökonom Professor Wolfgang Gerke im Gespräch mit unserer Redaktion. Nämlich schon bei den Zwischenhändlern in Deutschland. Möglich, sagt Gerke, sei es auf jeden Fall, dass die deutschen Vorlieferanten in Rubel zahlen.
"Am freien Markt gibt es Rubel", sagt Gerke. "Seit der Ankündigung Putins ist der Rubel-Kurs deutlich gestiegen", fügt er an. Auch Bankverbindungen gibt es noch nach Russland. Schließlich stehen nicht alle russischen Geldinstitute auf den Sanktionslisten des Westens. Dies sei bewusst so gestaltet worden, damit weiterhin Zahlungen für die Energielieferungen stattfinden können.
Das Problem allerdings ist dieses: "Die Menge an Rubel am freien Markt wird sicher nicht ausreichen, um die Energielieferungen zu bezahlen", sagt Gerke. Für die Öl- und Gasimporte werden jeden Tag hohe Summen fällig. "Zum Teil müsste man deshalb die russische Zentralbank einbeziehen", sagt Gerke. Eine Zentralbank kann die Landeswährung praktisch "drucken". Putin hat die russische Zentralbank auch angewiesen, innerhalb einer Woche ein System für die Abwicklung entsprechender Rubel-Zahlungen zu entwickeln. Das Problem ist, dass die russische Zentralbank auf der Sanktionsliste des Westens steht, auch wenn es wiederum für das Energiegeschäft bestimmte Ausnahmen gibt. Ähnlich sieht es Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft, kurz BDEW. "Es ist fraglich, ob auf den Finanzmärkten genügend russische Rubel zur Verfügung stehen, um Gaslieferungen zu bezahlen. Die Gas kaufenden Länder müssten sich für einen Umtausch direkt an die russische Zentralbank wenden, die jedoch sanktioniert ist", sagte sie unserer Redaktion.
Kerstin Andreae, BDEW, fordert: Frühwarnstufe ausrufen
Denkt man rein juristisch, sei es eindeutig, dass Zahlungen für das russische Gas in Euro und Dollar getätigt werden, sagt Finanzökonom Gerke. Dies stehe schließlich in den Verträgen. Dass es "nicht vertragskonform" ist, zu verlangen, dass nicht mehr in Euro oder Dollar, sondern in Rubel gezahlt wird, bestätigt auch Fischer. Ob das Recht hier aber weiterhilft, ist fraglich.
Denkbar sind damit zwei Szenarien: Entweder geben die westlichen Gas-Bezieher klein bei und begleichen die Rechnung in Rubel. Oder Russland akzeptiert weiterhin die Zahlung in Euro oder Dollar. In Österreich hat die Mineralölgesellschaft OMV zum Beispiel angekündigt, die Lieferungen weiter in der heimischen Währung zu begleichen.
Problematisch wird es, wenn sich Russland darauf nicht einließe und tatsächlich die Gaslieferung stoppen würde: "Das zentrale Ziel ist es, Energielieferungen aus Russland aufrechtzuerhalten", sagt Fischer. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, aber auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder haben mehrmals betont, dass Deutschland auf die Energielieferungen aus Russland derzeit noch nicht verzichten kann. Würden tatsächlich die Vorhändler ausfallen, wäre das der größte anzunehmende Unfall für die Gasversorgung in Deutschland, meint Fischer. Die End-Energielieferanten, also zum Beispiel die Stadtwerke, müssten dann Gas zu aktuellen Marktkonditionen neu kaufen. Hier liegen die Preise aber massiv über dem früheren Niveau. War lange Jahre ein Gaspreis um die 20 Euro pro Megawattstunde im Großhandel normal, lag das Niveau am Donnerstag am Spotmarkt bei über 110 Euro.
Das Bundeswirtschaftsministerium wiederum sieht die Versorgungssicherheit bei Gas gewährleistet. Aktuell gebe es in Deutschland keine Versorgungsengpasslage, sagte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag. "Derzeit gibt es noch keine Einschränkung der Lieferung. Bis zu einer Umsetzung durch die russische Regierung hat die Ankündigung noch keine direkten Konsequenzen", sagte auch BDEW-Chefin Andreae unserer Redaktion. Allerdings mahnte sie am Donnerstag, sich auf denkbare Gasengpässe vorzubereiten.
Der Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft forderte die Bundesregierung am Donnerstag auf, die Frühwarnstufe im nationalen Notfallplan für Gas auszurufen. "Es liegen konkrete und ernst zu nehmende Hinweise vor, dass wir in eine Verschlechterung der Gasversorgungslage kommen", sagte Andreae. Mit der Ankündigung Putins "sei eine Auswirkung auf die Gaslieferungen nicht auszuschließen", sagte sie. Die Bundesnetzagentur müsse deshalb Kriterien entwickeln, "welche Industrien und Sektoren weiterhin mit Gas auch im Rahmen einer Gasmangellage versorgt werden", sagte sie. "Die Haushaltskunden sind qua existierender Regelung geschützt."
Bei Engpässen greift ein Plan, der die Belieferung mit Gas priorisiert
Die Frühwarnstufe ist eine von drei Stufen bei Energieengpässen. Es folgen die Alarmstufe und die Notfallstufe. Bei Engpässen greift ein Plan, der die Belieferung mit Gas priorisiert. Anfangs würde die Lieferung an bestimmte Wirtschaftsbereiche eingestellt werden, den größten Schutz genießen Privathaushalte.
Putin wiederum ist mit dem Schritt eines gelungen: Er hat den Westen überrascht und untergräbt die Sanktionen der EU und der USA. Künftig müssten statt der erwähnten 80 Prozent "de facto 100 Prozent der Deviseneinnahmen der Exporteure in Rubel umgewandelt werden", erklärt Felbermayr vom Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. "Das würde der russischen Währung neuen Auftrieb geben. Damit bremst Russland den Kaufkraftverfall auf den internationalen Märkten, die mittlerweile sehr hohe inländische Inflation und schwächt die Wirkung der westlichen Sanktionen."
Scholz verweist auf bestehende Verträge mit festgelegter Währung
Mit Gelassenheit reagierte Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sich Gas-Lieferungen an bestimmte Staaten nur noch in der Landeswährung Rubel bezahlen lassen zu wollen. In den bestehenden Verträgen sei die Währung festgelegt, in der bezahlt wird, sagte Scholz am Donnerstag nach einem G7-Gipfel in Brüssel dazu. "Das ist ja etwas, was dann auch gilt. Und da steht ja meistens Euro oder Dollar. Das sind die Ausgangslagen, von denen wir ausgehen müssen."