Meterhoch türmen sich die Kies-, Holz- und Betonberge im Industriegebiet des Memminger Nordens. Unter dem Dach einer offenen Halle sind weitere Kiesberge fein säuberlich voneinander getrennt. Alles ähnelt einem Wertstoffhof XXL. Auf einer Fläche von elf Hektar versucht sich die Oberstdorfer Geiger Gruppe an einem Beginn für eine Neuausrichtung der Baubranche, die in dieser Größe und Ganzheitlichkeit in Deutschland noch weitgehend Neuland ist.
Das Unternehmen möchte am Standort Memmingen weg von einer linearen und hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Wie der Name sagt, zielt die Kreislaufwirtschaft auf die Wiederverwendung von Ressourcen ab. Vermeintlich kein revolutionärer Ansatz. Verglichen mit unserer herkömmlichen Art des Wirtschaftens ist er allerdings ziemlich selten. „Sehr viele Baustoffe, wie zum Beispiel Kies, werden nach ihrem Einsatz entweder verwertet oder entsorgt“, sagt Raphael Müller, technischer Leiter für Baustoffe und Recycling bei der Geiger Gruppe.
Alte Fliesen und Schotter der Bahn
Baustoffe, die entsorgt werden, landen auf einer Deponie. Baustoffe, die verwertet werden, werden im Endeffekt vergraben, bevor eine Humusschicht aufgetragen wird und die Baustoffe somit wieder als Teil von landwirtschaftlicher Nutzfläche gelten, erklärt Müller. „Es ist teuer und aufwendig, den wertvollen Rohstoff aus dem verwendeten Material zu extrahieren. Neue Rohstoffe zu verwenden, ist, wie die lineare Entsorgung, im Vergleich zur Aufbereitung eigentlich noch zu günstig.“
Trotzdem hat sich die Geiger Gruppe vor drei Jahren für den neuen Kreislaufwirtschaftsstandort entschieden, der Mitte Juli eröffnet wurde. Unternehmensphilosophie, wie Müller sagt. Während er spricht, kommt gerade ein Fliesenleger mit einem kleinen Anhänger auf den Hof gefahren. Er lädt Bauschutt unter einem der Hallendächer ab. Kurz darauf fährt ein großer Lkw vor, der eine Ladung Kies aus dem Gleisbett der Deutschen Bahn abliefert.
Kreislaufwirtschaft soll Ressourcen schonen
Der Kreislaufstandort ist nicht nur für die Aufbereitung der Geiger-eigenen Baustoffe da, sondern er richtet sich auch an andere Groß- und Kleinunternehmer. Dabei geht es vorrangig nicht um CO²-Einsparung, denn die Aufbereitung der Baustoffe ist sehr energieaufwendig. Vielmehr sollen Ressourcen geschont werden. Aus Abfall entsteht ein annähernd neuer Rohstoff. Durch eine Solaranlage auf dem Dach der Kieshallen will Geiger immerhin den Strombedarf ausgleichen. Sobald die politischen Richtlinien in der Baustoffentsorgung strenger werden, so hofft die Geiger Gruppe, will man Vorreiter sein.
Das Problem, dass Aufbereitungsprozesse aktuell noch sehr energieintensiv sein können, ist auch der Wissenschaft bekannt. „Nehmen Sie das Beispiel der PET-Flaschen. Das ist ein hochwertiger Kunststoff, der energieintensiv eingeschmolzen wird, damit Parkbänke daraus entstehen können. Das Problem ist, dass wir so viele Parkbänke gar nicht gebrauchen können. Das Ziel sollte darum sein, dass ein Produkt wieder seinem ursprünglichen Zweck dient“, sagt Peter Wurster von der TU Kempten.
Häufig mangelt es an Wirtschaftlichkeit im Recycling
Als Professor für Produktionssystematik beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Kreislaufwirtschaft. Seine wissenschaftliche Arbeit zeigt: Es gibt Beispiele für finanziell erfolgreiche Produkte aus der Kreislaufwirtschaft. „Darum müssen wir weg von dieser ideologischen Debatte und den Schulterschluss aus ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit suchen.“
Raphael Müller betont, dass die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Altmaterial noch nicht die wirtschaftlichste Variante ist. „Wir gehen natürlich von Gewinnen aus, sonst hätten wir nicht so viel Geld investiert“, sagt er, „trotzdem kann man darüber streiten, ob die Politik genug Energie aufbringt, damit solche Prozesse gefördert werden.“ Außer dem Standort in Memmingen weiß Müller nur von vier anderen Kreislaufstandorten in Deutschland. „In der Schweiz gibt es hingegen jahrzehntelange Erfahrungen mit dem Thema. Da sind Rohstoffe und Entsorgung aber auch deutlich teurer.“
Innovative Nassaufbereitung
In Memmingen kann die Firma Geiger die anfallenden Baumaterialien entweder nass oder trocken aufbereiten. In der Trockenaufbereitung werden die Baustoffe, wie Beton, Holz oder Schiefer, sortiert und zerkleinert. Aus Beton oder Schiefer wird mitunter Granulat gemacht. Je reiner das Granulat, desto hochwertiger der Rohstoff. Diese Art der Aufbereitung ist jedoch nicht neu. „Sowas gibt es in der Baubranche schon seit 30 Jahren“, sagt Müller.
Die Innovation liegt hingegen in der Nassaufbereitung. Dafür kommt eine Mineralikwaschanlage zum Einsatz. Das Highlight des Standortes. Hinter den Kies- und Betonbergen führt ein Förderband in einen vierstöckigen Turm. Innen wälzen Schnecken und die sogenannte Schwertwäsche den Kies, um ihn von Lehm- und Wurzelresten zu befreien. Die Schwertwäsche kann man sich wie ein überdimensioniertes, metallenes Zahnzwischenraumbürstchen vorstellen, das durch den Kies rührt. Zu jedem einzelnen Waschschritt kommt Wasser. Jede Menge Wasser.
Der wiederaufbereitete Kies kommt im Straßenbau zum Einsatz
Rund 400.000 Liter davon fließen durch die Mineralikwaschanlage. Damit der Frischwasseranteil so gering wie möglich gehalten wird, dienen Dreiviertel der Anlage der Wasseraufbereitung. Zwischendurch wird der Kies gerüttelt und gesiebt, ehe er weiter gewaschen wird. Was am Ende übrig bleibt, ist zum einen der sogenannte Filterkuchen. Eine gepresste Schlammmasse, die aussieht und sich anfühlt wie ein kompakt gebackener Brownie.
Zum anderen ist es sauberer Kies. In vier Körnungsgrößen gestaffelt, wird er vor der Waschanlage aufgehäuft. Von hier aus gelangt er zum Beispiel in den Straßenbau, wo er als Frostschutzschicht im Asphalt zum Einsatz kommt. Der LKW der Deutschen Bahn darf den groben Kies übrigens nicht für ein neues Gleisbett mitnehmen. Dafür gibt es zu große bürokratische Hürden, sagt Müller. „Wir setzen darauf, dass das in Zukunft einfacher wird.“
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