Eigentlich sollten sie schnelle Lösungen im Kampf gegen die explodierenden Energiepreise suchen, die Millionen Europäerinnen und Europäer seit Monaten beim Heizen, Tanken und damit direkt im Geldbeutel spüren. Doch noch bevor die Energieministerinnen und Energieminister zu ihrem Sondertreffen gestern Vormittag zusammenkamen, hatten einige Mitgliedsstaaten bereits für klare Fronten gesorgt. Sie dürfen ohne Zweifel als verhärtet bezeichnet werden.
Der Vorstoß in Form eines Positionspapiers fiel vor allem von deutscher Seite so deutlich aus wie selten auf europäischer Ebene. Gemeinsam mit acht weiteren Ländern hatte die Bundesregierung kurz vor dem Treffen in Luxemburg Forderungen nach einer Reform der Energiemärkte zurückgewiesen. „Da die Preisspitzen globale Ursachen haben, sollten wir sehr vorsichtig sein, bevor wir in die Struktur des Energiebinnenmarktes eingreifen“, hieß es in dem Schreiben. Um die Belastung für Verbraucher und Unternehmen zu mindern, müsse die EU mittelfristig viel mehr auf das Einsparen von Energie sowie auf den Ausbau der erneuerbaren Energien setzen. Zu den Unterzeichnern gehörten neben Deutschland auch Dänemark, Österreich, die Niederlande, Estland, Finnland, Irland, Luxemburg und Lettland. Mittlerweile wird die Erklärung von elf EU-Mitgliedern unterstützt.
Streit um massiv gestiegene Energiepreise spaltet die EU-Länder
Der Streit um die explodierenden Preise spaltet die Gemeinschaft. Die Positionen der Mitgliedstaaten liegen weit auseinander: Hier die nordeuropäischen Länder, die „keine Maßnahmen unterstützen, die mit den internen Gas- und Strommärkten in Widerspruch stehen“. Dort die Südeuropäer, die noch stärker vom Anstieg der Preise betroffen sind - und grundlegende Änderungen des Großhandelsmarktes für Strom fordern. Sie hoffen, damit die Abhängigkeit des Strompreises vom stark gestiegenen Gaspreis zu reduzieren. Unter anderem Spanien dringt außerdem auf einen gemeinsamen Einkauf und die Speicherung von Erdgas. Vorschläge will die EU-Kommission prüfen.
Auf eine gemeinsame Linie in Sachen Sofortmaßnahmen konnten sich die Energieministerinnen und -minister gestern nicht festlegen. Immerhin bei einem Punkt habe Einigkeit geherrscht, meinte EU-Energiekommissarin Kadri Simson. „Die einzige dauerhafte Lösung für Preisschwankungen und unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen“ sei mehr erneuerbare Energie und Energieeffizienz. Als „ermutigendste Botschaft“ bezeichnete die Estin, dass die meisten Länder bereits Werkzeuge aus der sogenannten Toolbox entweder angekündigt oder umgesetzt haben, um die Folgen der gestiegenen Preise auf die Verbraucher abzumildern.
Vor zwei Wochen stellte die Kommission die Maßnahmen vor, die EU-Länder anwenden können, ohne gegen die europäischen Wettbewerbsregeln zu verstoßen. Dazu zählen direkte Zahlungen an einkommensschwache Haushalte, Steuererleichterungen und Subventionen für kleine Unternehmen.
Nutzen oder Schaden? Unterschiedliche Sichtweisen auf die Klimabestimmungen der EU
Freie Preisbildung und wettbewerbliche Märkte seien eine zentrale Grundlage, „um unsere Energieversorgungssicherheit weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten, wichtige Innovationen für die Energiewende voranzutreiben und Energie bezahlbar zu halten“, betonte der deutsche Staatssekretär Andreas Feicht. Eine Intervention in das EU-Emissionshandelssystem wäre „nicht zielführend“. Im Gegenteil, wie er sagte: „Der Emissionshandel funktioniert.“
Wie die EU-Kommission sieht jene Gruppe um Deutschland einen der Gründe für den Preisschock in der weltweit gestiegenen Nachfrage nach Energie, und insbesondere nach Gas, da die wirtschaftliche Erholung nach dem Höhepunkt der Pandemie in Gang kommt. Während jene Staaten die Klimabestimmungen als Lösung für die hohen Kosten und nicht als deren Ursprung betrachten, machen etwa Polen und Ungarn die Maßnahmen des EU-Klimapakets wie den Handel mit Kohlenstoffdioxid für den Preisanstieg mitverantwortlich. Das EU-Emissionshandelssystem sieht vor, dass beispielsweise Stromanbieter für den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 zahlen müssen.
Die hohen Preise wirkten „wie ein Brandbeschleuniger auf die Glut europäischer Streitfragen“, sagte Europaabgeordneter Markus Ferber (CSU). Die Frage sei, warum die Deutschen etwa noch immer nicht problemlos Solarenergie aus Spanien beziehen könnten. „Gerade wer mehr erneuerbare Energie verwenden will, darf nicht in Staatsgrenzen denken“, so Ferber. Vielmehr brauche die Staatengemeinschaft „einen integrierten Energiebinnenmarkt, der uns unabhängiger von Lieferungen außerhalb der EU macht“.