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Korea-Gipfel: Südkoreas Wirtschaft will Nordkorea erobern

Korea-Gipfel

Südkoreas Wirtschaft will Nordkorea erobern

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    Ein Händeschütteln mit Symbolcharakter: 2018 trafen sich Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump in Singapur. Der nächste Gipfel findet diese Woche in Vietnam statt.
    Ein Händeschütteln mit Symbolcharakter: 2018 trafen sich Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump in Singapur. Der nächste Gipfel findet diese Woche in Vietnam statt. Foto: Lee Jin-Man, dpa

    Drüben auf der anderen Seite war Lee Gun Min noch nie. Er träumt auch nicht davon. Aber die Kennzahlen des verfeindeten Landes hat der Südkoreaner parat. Der Mann mit der rosa Krawatte zählt auf: „Die Wirtschaftsleistung pro Kopf erreicht im Norden nur ein Zweiundzwanzigstel von unserer im Süden. Unsere Handelsbilanz ist 144-mal so hoch. Und bei uns gibt es fast 20-mal so viele Handys. Aber dort oben leben immerhin halb so viele Menschen wie hier.“ Damit will er sagen: Sollten sich Nord- und

    Seit Januar bezeichnet Südkorea den Norden nicht mehr offiziell als Feind

    Dabei schien eine Annäherung der zwei Koreas vor einem guten Jahr noch undenkbar. Heute, wo über der Halbinsel in Ostasien Tauwetter angebrochen ist, spricht man immer wieder davon. Da sind einerseits die reellen Fortschritte: Zuletzt gab es zwischen Nord und Süd wieder mehr Familienzusammenführungen und sogar Vereinbarungen, gemeinsame Straßen zu bauen. Hinzu kommt die neue Rhetorik: Seit Januar bezeichnet Südkorea den Norden immerhin nicht mehr offiziell als Feind. Zudem will Südkoreas Präsident Moon Jae In noch in diesem Jahr den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un nach Seoul einladen.

    Die wichtigste Weichenstellung für eine weitere Verständigung ist das Gipfeltreffen zwischen Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump, das am Mittwoch und Donnerstag in Vietnam stattfindet. Werden dort gute Ergebnisse geschlossen, könnte bald ein koreanischer Friedensvertrag folgen. Und dann wäre der Weg frei für ganz neue Beziehungen.

    Die ersten bereiten sich in Südkorea auf den Handel mit Nordkorea vor

    Lee Gun Min setzt auf gute Geschäfte mit Nordkorea.
    Lee Gun Min setzt auf gute Geschäfte mit Nordkorea. Foto: Felix Lill

    „Darauf stelle ich mich jetzt ein“, sagt Lee, der Mann mit der rosa Krawatte. Der 40-Jährige ist Manager beim Vermögensverwalter BNK in Seoul. Lees Interesse am Norden entstand erst vor einem guten halben Jahr. Davor hatte er seine Investitionsstrategie immer am Kospi ausgerichtet, Südkoreas Aktienleitindex. Aber seit einiger Zeit ist alles anders. Während der Olympischen Winterspiele im Februar 2018 reiste eine nordkoreanische Delegation ins südkoreanische Pyeongchang, im April empfing Nordkoreas Regierungschef den südkoreanischen Präsidenten, im Juni schließlich folgte das symbolträchtige Treffen von Donald Trump und Kim Jong Un. Und plötzlich dachte sich Lee: „Mit Nordkorea könnte sich Geld verdienen lassen.“

    Mit dieser Eingebung begann der Finanzexperte im Frühjahr, ökonomische Daten zu recherchieren. Kurz vor dem US-Nordkorea-Gipfel im Juni in Singapur präsentierte BNK den seitdem von Lee Gun Min gemanagten „Wiedervereinigungsfonds Korea“. Der soll aus den Hoffnungen der politischen Welt Bares machen. „Ich lege das Geld unserer Klienten in Aktien jener Unternehmen an, die von einer ökonomischen Integration der Koreas besonders profitieren würden.“

    Falls südkoreanische Unternehmen eines Tages in Nordkorea Geschäfte machen dürfen, wie die beiden Länder schon vorsichtig angedeutet haben, erwartet Lee Gun Min vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Lebensmittel- und Pharmaindustrie satte Aufträge und Engagements. Betriebe aus solchen Branchen machen das Portfolio des Wiedervereinigungsfonds aus, in den Privatkunden und Finanzinstitute investieren können.

    Tatsächlich scharrt in Südkorea aber derzeit so ziemlich jede Branche mit den Hufen. Ein Start-up, das intelligente Schlösser für Autos und Häuser entwickelt, schielt genauso nach Norden wie ein Hersteller intelligenter Maßbänder, die mit digitalen Messungen das Schneidern effizienter machen.

    Noch gibt es kaum wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Koreas

    Auf der „Invest Korea Week“, einer mehrtägigen Konferenz, mit der Südkorea sich als Investitionsziel und Produktionsstandort anpreisen will, verkündete ein Offizieller des Wirtschaftsministeriums seinem internationalen Publikum: „Die Integrationsverhandlungen laufen in eine gute Richtung. Und es wird für Sie alle Geschäfte geben.“

    Damit sich dauerhaft Investoren finden, muss sich zwischen den beiden Koreas allerdings irgendwann etwas Substanzielles tun. Versuche um die Jahrtausendwende, als Südkoreas Präsident Kim Dae Jung im Geiste Willy Brandts mit seiner „Sonnenscheinpolitik“ eine Annäherung mit dem Bruderstaat suchte, wurden von späteren Regierungen auf beiden Seiten der Grenze wieder zurückgeschraubt.

    Die Desillusionierten in Südkorea, die trotz der historischen Gipfeltreffen 2018 unbeeindruckt bleiben, haben gute Gründe zur Skepsis. Im Moment läuft nicht einmal der Industriekomplex Kaesong im Süden Nordkoreas, wo über Jahre rund 200 südkoreanische Betriebe mit nordkoreanischen Arbeitskräften Produkte herstellten. Auf das Kooperationskonzept, das Nordkorea Geld brachte und Südkorea billige Produktionsbedingungen, sollten eigentlich weitere folgen. Bisher ist jedoch nichts passiert.

    Ist es also zu optimistisch, von einem neuen Wachstumsmotor für den Süden und guten Geschäften für alle zu sprechen? „Möglich“, sagt Lee Gun Min in seinem Büro. „Aber wir müssen bereit sein, bevor sich die südkoreanischen Betriebe die Aufträge abnehmen lassen.“ Vereinzelt geschieht das bereits. Während die internationale Gemeinschaft mit den UN-Sanktionen die wirtschaftlichen Beziehungen zu Nordkorea auf Eis gelegt hat, investieren russische und chinesische Betriebe dort trotzdem. Auch deshalb drängen Wirtschaft und Regierung in Südkorea auf eine schnelle Annäherung mit dem Norden.

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