Welche Größe ist nur richtig? S, M, L? Schwer einzuschätzen - aber egal, schließlich nehmen die Online-Modehändler Kleidung wieder zurück, wenn sie nicht passt. Gleiches gilt für Online-Shops anderer Branchen. Für die Kundschaft sehr praktisch, aber ein riesiges Problem.
Fast jedes vierte Paket aus dem deutschen Online-Handel wurde 2021 zurückgeschickt, hat die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg in einer aktuellen Studie herausgefunden. Die Gruppe hat 411 Unternehmen befragt, laut einer Mitteilung der Hochschule verantworten allein diese Unternehmen Versand und Rückversand von 1,25 Milliarden Paketen im Jahr 2020. Der Umsatz ihres Online-Geschäfts liegt bei fast 60 Milliarden Euro.
Einige Gründe führen zur hohen Quote an Retouren in Deutschland
Mögliche Ursachen für die europaweit höchste Retourenquote: Die Forschungsgruppe gibt an, dass viele Deutsche auf Rechnung bestellen, der Prozentsatz liegt bei 28,8, im Rest der EU bei 9,9 Prozent. Diese Art der Bestellung führt zu höheren Retourenquoten.
Die Rücksenderegelungen in Deutschland kommen hinzu, die Frist lag in der Stichprobe durchschnittlich bei 51,7 Tagen. Im Rest der EU waren es nur 28,1 Tage. Außerdem ist der Rückversand hier meist kostenlos. In der Umfrage haben das 88,7 Prozent der deutschen Online-Unternehmen angegeben, im Rest der EU sind es nur 52,4 Prozent.
Online-Händler erfassen kaum, wie viel CO2 ihre Waren verbrauchen
Es sind geschätzt fast 530 Millionen Pakete mit etwa 1,3 Milliarden Artikeln zurückgesandt worden. Eines der großen Probleme dahinter ist, dass die Sendungen Auswirkungen auf die Umwelt haben. Die Unternehmen, die an der Umfrage teilnahmen, gaben an, dass pro Artikel etwa 1500 Gramm CO2 anfallen, bisher ging man von etwa der Hälfte aus. Danach wären schätzungsweise in Deutschland 2021 795.000 Tonnen CO2 entstanden. "Bemerkenswerter ist aber fast noch, dass über 80 Prozent der befragten Online-Händler den ökologischen Fußabdruck gar nicht erfassen", so Björn Asdecker, Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement und Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bamberg. 15 Prozent der befragten Unternehmen konnten oder wollten keine Auskunft erteilen. Wie groß der CO2-Fußabdruck ihrer Retouren ist, messen unter fünf Prozent der Firmen.
Eine wichtige Rolle spielen die Kosten für Retouren, bislang wurden sie in verschiedenen Studien mit zehn bis fünfzehn Euro angegeben. Die Bamberger Gruppe hat herausgefunden, dass aber durchschnittlich nur 2,85 Euro für Transport und Bearbeitung eines Artikels anfallen. Große Händler realisieren über die vielen Rücksendungen ihre sehr geringen Kosten. In der Studie ist zudem herausgekommen, dass nur 1,3 Prozent der Artikel aus dem deutschen Online-Handel direkt durch Händler entsorgt werden. "Der geringe relative Anteil darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in absoluten Zahlen 2021 trotzdem mehrere Millionen retournierte Artikel entsorgt wurden“, sagt Asdecker.
"Schwarze Schafe" machen es den kleinen Firmen schwer
Online zu shoppen und Produkte zurückzugeben sei einfach und bequem, deswegen nutzten die Kunden es gerne, sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. Und die großen Unternehmen böten den Service kostenlos an, mit dem Anreiz, dass die Menschen dann etwas anderes kaufen. Die Kaufenden seien daran gewöhnt, dass es nichts kostet, Waren zurückzugeben. Befeuert werde das Geschäft durch gesetzliche Vorgaben, etwa die zweiwöchige Frist, in der man Waren zurückgeben kann, ohne einen Grund angeben zu müssen, sagt Ohlmann.
Vor allem sei der Modehandel von Retouren betroffen. Möglichkeiten, die Retourenquote zu senken, sieht er in der Präsentation im Netz: Mit vielen Informationen und guten Bildern, sodass alle Details erkennbar sind. Allerdings blieben hier immer "schwarze Schafe", Personen, die sich beispielsweise für einen Abend ein Ballkleid kaufen, es tragen und dann zurückschicken. Für kleinere Unternehmen seien viele Retouren eine Katastrophe. "Solange große Player das anbieten, stehen die anderen unter Druck", sagt Ohlmann. Manche Online-Shops haben begonnen, Kundinnen und Kunden für Retouren zahlen zu lassen. Für den Pressesprecher des Handelsverbands ist das aber nicht die Lösung. Für kleinere Unternehmen würden hohe Kosten anfallen, die sie nicht stemmen könnten.