Die Krise in der Autoindustrie erreicht unsere Region: Der Teilehersteller Hirschvogel plant, rund 500 Stellen abzubauen, davon 220 am Unternehmenssitz in Denklingen im Kreis Landsberg und 120 in Schongau. Auch der Zulieferer Valeo in Wemding gab unlängst bekannt, sein Personal zu reduzieren. Continental baut in Ingolstadt 225 Stellen ab. Die Sparprogramme in der Branche ziehen damit immer weitere Kreise. VW hatte kürzlich angekündigt, drei Werke auf den Prüfstand zu stellen, seit Wochen gibt es Gerüchte über ein Sparprogramm auch bei Audi. Wirtschaftsvertreter sind alarmiert: „Im Automotive-Segment liegt derzeit kein Stein mehr auf dem anderen“, sagt IHK-Präsident Reinhold Braun.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) warnt deshalb davor, die Autohersteller durch strikte EU-Vorgaben zu überfordern: „Das Verbrenner-Aus 2035 ist realitätsfern und schadet der Wirtschaft massiv“, sagte er unserer Redaktion. „Der Kunde ist verunsichert und betreibt aktuell Kaufzurückhaltung.“ Aiwanger fordert seit langem, die drohenden CO2-Strafzahlungen für Hersteller auszusetzen, wenn sie die Flotten-Grenzwerte der EU nicht erreichen. Wegen der lahmenden Nachfrage nach E-Autos sei dies derzeit sehr schwer, argumentiert er. Zuletzt haben sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck dafür eingesetzt, milliardenschwere Strafzahlungen zu verhindern.
450.000 Arbeitsplätze in Bayern hängen an der Autoindustrie
Die Autoindustrie hat große Bedeutung für den Freistaat: Laut aktuellen Studien hängen rund 450.000 Arbeitsplätze an der Schlüsselindustrie, berichtet das Wirtschaftsministerium. In den ersten neun Monaten dieses Jahres exportierte allein die Autoindustrie Waren im Wert von fast 100 Milliarden Euro, sie steht für fast die Hälfte des gesamten bayerischen Exports im verarbeitenden Gewerbe. Allein in Schwaben sind rund 54.000 Personen in der Branche beschäftigt, davon rund 37.000 bei Zulieferern.
Durch den Wandel zur Elektromobilität erlebe die Branche einen „tiefgreifenden Wandel“, sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Autoindustrie (VDA). Die Zulieferindustrie stehe vor einer besonderen Herausforderung: „Die Unternehmen entwickeln neue Geschäftsmodelle und Produkte für die Elektromobilität, während sie noch weiterhin Komponenten für den Verbrennungsmotor bauen“, sagt sie. Diese Erlöse seien wichtig, um den Wandel zu finanzieren. Dafür müssten aber auch die Rahmenbedingungen passen, das sei in Deutschland nicht mehr der Fall: „Die Zulieferunternehmen sind mit ihren Produkten international wettbewerbsfähig, der Standort ist es für viele Unternehmen aktuell nicht“, warnt Müller.
VDA-Präsidentin Müller warnt: Firmen würden nicht mehr in Deutschland und Europa investieren
Die VDA-Präsidentin warnt davor, dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden: „Wenn die politische Kurskorrektur ausbleibt, werden die für die Transformation der Automobilindustrie notwendigen Investitionen zunehmend nicht mehr in Deutschland und Europa getätigt werden, sondern woanders – mit entsprechend negativen Konsequenzen für Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland beziehungsweise Europa“, sagte Müller unserer Redaktion.
Ähnlich wie IHK-Präsident Braun fordert VDA-Chefin Hildegard Müller günstigere Energie, ein wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabensystem, Bürokratieabbau und eine gute Versorgung mit Rohstoffen. „Es ist allerhöchste Zeit für mutige Reformen“, sagt IHK-Präsident Braun.
Hubert Aiwanger: Am 2. Dezember Autogipfel der Staatsregierung
Die Misere der Autobranche, aber auch anderer Sektoren könnte bald viele Jobs gefährden: „Die Wirtschaftskrise ist am Arbeitsmarkt voll angekommen“, sagte Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft bei der Vorstellung der aktuellen Konjunkturzahlen am Dienstag. Er prognostizierte einen verstärken Arbeitsplatzabbau: „Die Lawine, die sich hier losgemacht hat, rollt mit einer Gewalt auf uns zu, dass wir kein schönes erstes Quartal und wahrscheinlich kein schönes Jahr 2025 bekommen werden.“
Aiwanger kündigt für den 2. Dezember einen Autogipfel der Bayerischen Staatsregierung an. „Dort werden wir gemeinsam mit der bayerischen Autobranche über notwendige Maßnahmen beraten.“
Meine bescheidene Meinung dazu ist, dass die deutsche Autoindustrie sich selbst ein Bein gestellt hat. Damals, wo es noch einfacher möglich gewesen wäre, hätten sich die deutschen Automarken eben nicht gegenseitig bekriegen, sondern lieber Synergien bilden sollen. Das fängt z.B. damit an, dass man möglichst viele Ersatzteile markenübergreifend vereinheitlicht, um dadurch bei geringeren Produktions- und Logistikkosten ein hohes Qualitätsniveau, das einzige Kaufargument für ein deutsches Auto, halten zu können.
Als Wirtschaftsminister hätten Sie das sicher erreichen können!
„Der Kunde ist verunsichert und betreibt aktuell Kaufzurückhaltung.“ Ich beobachte seit Jahren den Automarkt, weil ich mir einen Gebrauchtwagen kaufen will. Die Preise steigen und steigen, man kann sich ja gar kein Auto mehr leisten. Silke Mayr
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