Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Hannover Messe: Warum die deutsche Industrie Zuversicht ausstrahlt

Hannover Messe

Warum die deutsche Industrie Zuversicht ausstrahlt

    • |
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht zu Beginn der Hannover Messe 2022.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht zu Beginn der Hannover Messe 2022. Foto: Friso Gentsch, dpa

    Deutschland im Juni 2021: Der Bundestagswahlkampf läuft. In das Meinungsgetümmel schaltet sich auch die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanzierte „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ ein. Die Lobbyisten versuchen es mit einer Satire und lösen einen Sturm der Entrüstung aus. Denn großformatige Zeitungsanzeigen zeigen die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in grünem Gewand mit zwei Gesetzestafeln in den Händen als eine Art weiblicher Moses. Auf einer Tafel stehen erfundene Verbote wie „Du darfst kein Verbrenner-Auto fahren“ oder „Du darfst nicht fliegen“. Darüber wurde in großen Buchstaben die unsatirische Botschaft der Arbeitgeber gelegt: „Wir brauchen keine Staatsreligion.“

    Deutschland fast ein Jahr später: Auf der Hannover Messe steht die deutsche Industrie wie noch nie zuvor hinter Grünen-Verantwortlichen, ob Bundesaußenministerin Baerbock und vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die grüne Energiewende ist kein rotes Tuch für die Unternehmen und deren Verbände. Der Wandel weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien kann ihnen nicht schnell genug gehen. Heute würden andere Sprüche auf den Gesetzestafeln stehen, etwa: „Du sollst Solar- und Windenergie ausbauen“ oder „Du sollst grünen Wasserstoff fördern“.

    Industrie unterstützt grüne Energiewende

    Ob Siegfried Russwurm als deutscher Industrie-Chef oder Maschinenbau-Präsident Karl Haeusgen: Sie unterstützen massiv die deutsche Energiewende, solange die Bundesregierung nicht von sich aus auf russisches Gas verzichtet. Denn da würde das neue grüne Herz der heimischen Industrie bluten, wäre doch als Folge eines solchen Embargos eine Rezession in Deutschland wohl unvermeidbar. Zu groß ist die Abhängigkeit von russischem Gas.

    Doch Bundeskanzler Olaf Scholz und sein grüner Mitstreiter Habeck lassen auch auf der Hannover Messe keinen Zweifel daran, dass sie wissen, ein Gas-Stopp würde Deutschland mehr als Russland schaden. Haeusgen spricht am Montag gegenüber unserer Redaktion „von einer guten Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft“. Beide Seiten hörten aufeinander. Habeck gesteht der Münchner Unternehmer eine „beeindruckende Lernkurve“ zu. Auch in Gesprächen mit anderen Arbeitgeber-Vertretern wird einhellig vor allem eine Eigenschaft des Politikers gerühmt, nämlich seine Ausdauer beim Zuhören. Das wiederum wurde früheren Bundeswirtschaftsministern nicht in diesem Maße von der Industrie zugestanden.

    Habeck und Scholz halten am Freihandel fest

    Dabei kommen die Bekenntnisse von Scholz und Habeck zum Festhalten am freien Handel bei den Abgesandten der Unternehmen gut an. Der Bundeswirtschaftsminister hatte versprochen, an der Globalisierung festzuhalten, wenn sie auch neu ausgerichtet werden müsse. Deutschland dürfe nicht einkehren „in den Sprech eines neuen Nationalismus“. Denn, meint Habeck, „sonst landen wir irgendwann bei Brexit und Donald Trump“. Das Freihandels-Duo Scholz und Habeck freut sich dabei, wie groß der Rückhalt im Unternehmerlager für ihre Russland-Politik ist. Haeusgen signalisiert den beiden: „Die Industrie steht fest an Ihrer Seite.“ Auf der weltgrößten Industrieschau bleibt es nicht bei wechselseitigen Solidaritätsbekundungen von Politik und Wirtschaft. In Zeiten vieler negativer ökonomischer Vorzeichen nehmen die Unternehmens-Repräsentanten eine Trotzhaltung ein.

    Zwar müssen sie ihre Produktions- und Exportprognosen vor allem wegen fehlender Zulieferteile erneut nach unten korrigieren. Sie setzen aber auf das Prinzip Hoffnung. Haeusgen rechnet immer noch „mit einem soliden Jahr für den deutschen Maschinenbau“ und sogar „einer leicht steigenden Beschäftigung“. Ein derartiges Signal neuer deutscher Zuversicht in düsteren Zeiten dürfte nach dem Geschmack von Scholz und Habeck sein. Denn im Maschinenbau arbeiten mit gut einer Million Beschäftigten mehr Menschen als in der Automobilindustrie. Haeusgen nennt sich selbst im Gespräch einen „zuversichtlichen Realisten“. Auch Scholz gehört wohl dieser Schule an und ist immer wieder betont lächelnd auf der Messe zu sehen.

    Maschinenbauer mit großem Auftragspolster

    Die Ampel-Koalitionäre scheinen die Lehre des früheren Bundeswirtschaftsministers Ludwig Erhard zu beherzigen, 50 Prozent der Wirtschaft sei Psychologie. Was Maschinenbauer hoffen lässt, ist ein sehr hohes durchschnittliches Auftragspolster von 11,6 Monaten. Deutsche Maschinen sind weltweit begehrt, weil Firmen stärker auf Automatisierung setzen. Dabei sieht sich die Branche als Gewinner der Energiewende. Haeusgen ist überzeugt: „Wir machen diesen Wandel erst möglich und halten entsprechende Technologien bereit.“ Nun müsse die Abhängigkeit von russischem Gas so rasch wie möglich beendet werden. Das alles formuliert Habeck auch nicht groß anders.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden