Deutschland ist ein reiches Land. Doch der Reichtum ist nicht gleich verteilt und die Krise bringt viele Haushalte in finanzielle Schwierigkeiten. Rund ein Fünftel der Menschen in Deutschland hatte laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2021 ein jährliches Einkommen von unter 16.300 Euro netto zur Verfügung. 40 Prozent lagen zumindest unter 22.000 Euro. Unerwartete Ausgaben von mehr als 1150 Euro aus den eigenen Mitteln zu bestreiten, war für fast ein Drittel der Haushalte unmöglich. Nun haben die gestiegenen Preise, vor allem für Lebensmittel und Energie, zur Folge, dass sich noch mehr Menschen einschränken müssen.
Es trifft vor allem jene, die bisher schon gerade so über die Runden kamen, erklärt Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Wir erleben eine höchst unsoziale Inflation, da sie Menschen mit geringen Einkommen am stärksten trifft. Das große Problem in Deutschland ist, dass 40 Prozent der Menschen praktisch keine nennenswerten Ersparnisse haben, so dass die hohe Inflation und die geringen Lohnsteigerungen die Kaufkraft und den Konsum vieler Menschen deutlich reduzieren", sagte er unserer Redaktion. Das lässt sich auch mit Zahlen belegen.
Wissenschaftler messen: Die Stimmung der Konsumenten ist auf Rekordtief
Die Sparquote der privaten Haushalte, die während der Hochphase der Corona-Pandemie auf gut 20 Prozent anstieg, dürfte nach Schätzungen des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) dieses Jahr auf Werte von maximal neun bis zehn Prozent einbrechen. Das heißt, je 100 Euro verfügbarem Einkommen würden die privaten Haushalte im Durchschnitt noch bis zu zehn Euro zurücklegen. Mit der Strompreisbremse, Einmalzahlungen für Studierende und Rentner oder der Wohngeldreform hat die Politik schon vieles beschlossen, um die Haushalte zu unterstützen, die nun besonders auf Hilfe angewiesen sind. Doch die Sorgen der Betroffenen hat das nicht weggewischt.
Längst strahlen diese Sorgen der privaten Haushalte auch auf die Wirtschaft aus. Die von der GfK in Nürnberg gemessene Stimmung der Konsumenten ist auf ein neues Rekordtief eingebrochen. "Die derzeit sehr hohen Inflationsraten führen zu großen realen Einkommenseinbußen unter den Verbrauchern und damit zu einer deutlich geschrumpften Kaufkraft", erklärt Rolf Bürkl, GfK-Konsumexperte. Auch die Erwartungen der Verbraucher in Bezug auf ihre künftigen Einkommen waren seit Beginn der Erhebungen für Gesamtdeutschland im Jahre 1991 noch nie so negativ. Eine Trendwende ist nicht in Sicht, solange der Krieg in der Ukraine andauert und die Energiepreise weiter so hoch sind.
Wirtschaftsexperte Marcel Fratzscher erwartet eine schleppende Erholung
"Da im Moment nicht absehbar ist, wann sich die Inflation wieder spürbar abschwächt, stehen dem Konsumklima in den kommenden Monaten schwierige Zeiten bevor. Negative reale Konsumausgaben werden die rezessiven Tendenzen für die deutsche Wirtschaft noch verstärken", erklärt Bürkl im Gespräch mit unserer Redaktion. Auch DIW-Chef Fratzscher macht wenig Hoffnung, dass der Konsum helfen könnte, die Gesamtwirtschaft über die Krisenphase hinwegzutragen: "Wir erleben eine äußerst ungewöhnliche Rezession, da sie in erheblichem Maße durch einen Rückgang des privaten Konsums getrieben wird, was auch die wirtschaftliche Erholung schleppend und langwierig machten dürfte."
Fratzscher spricht sich dafür aus, vor allem Menschen mit geringen Einkommen zielgenau und ausreichend zu entlasten. "Bisher erfolgten die Entlastungspakete zu sehr nach dem Gießkannenprinzip, zu wenig der Entlastung ist bei den wirklich bedürftigen Menschen angekommen. Dies ist umso dringender, da die Inflation auch im kommenden Jahr hoch bleiben und die Kaufkraft und den Konsum der Menschen weiter reduzieren dürfte." Vor dem Horrorszenario eines einbrechenden Konsums fürchten sich auch die Händler. Der Handelsverband warnt bereits vor einer Pleitewelle.
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast an, in dem wir thematisieren, wie die Schwächsten unserer Gesellschaft unter der momentanen Krisenlage leiden: