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Konjunktur: "Vier von zehn Betrieben in Gefahr": Droht eine Insolvenz-Welle?

Konjunktur

"Vier von zehn Betrieben in Gefahr": Droht eine Insolvenz-Welle?

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    Wie kommt Deutschland durch die Rezession? Droht eine Pleitewelle?
    Wie kommt Deutschland durch die Rezession? Droht eine Pleitewelle? Foto: Roberto Pfeil, dpa (Symbolbild)

    Der Winter kommt, die Rezession auch und bereits die Corona-Jahre sind vielen Unternehmen an die Substanz gegangen. Droht Deutschland nun eine besonders hohe Insolvenz-Welle? Wäre es eher eine für Rezessionen "übliche" Anzahl an Pleiten? Oder wäre diese wegen der stark gestiegenen Energiepreise tatsächlich höher?

    Warnende Hinweise aus der Wirtschaft gibt es hinreichend. Jüngst erst hatte zum Beispiel eine Befragung der Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände (bayme, vbm) ergeben, dass von den aktuellen Kostensteigerungen insbesondere bei Energie und Vorleistungen "nahezu jedes" Unternehmen der Branche betroffen sei. Gegenüber 2020 hätten laut bayme die gesamten Einkaufskosten der Unternehmen im Schnitt um rund 40 Prozent zugelegt, darunter die Energiekosten "um mehr als das Doppelte". Für jedes achte Unternehmen sei das ein Anstieg in "existenzbedrohendem Ausmaß".

    Verbandshauptgeschäftsführer Bertram Brossardt sagte: „Die Preisexplosion bringt die Betriebe in eine kritische Lage. Neun von zehn Unternehmen rechnen demnach mit einem Gewinnrückgang. Das sind dramatische Entwicklungen, die unseren Standort auch über das Jahr 2023 hinaus schwer belasten werden“. Elf Prozent der Unternehmen könnten die Kostensteigerungen gar nicht weitergeben, weitere 60 Prozent können dies nicht kostendeckend tun. Brossardt: „Vier von zehn Betrieben sehen sich in wirtschaftlicher Gefahr."

    Zentralverband des Deutschen Handwerks warnt

    Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks, zweites Beispiel, warnt: "Wenn politisch nicht angemessen gehandelt und den von massiven Energiepreissteigerungen bedrohten energieintensiven Handwerksbetrieben geholfen wird, dann drohen hier Insolvenzen." Noch könne durch "entschlossenes und zielgenaues politisches Handeln verhindert werden, dass Betriebe flächendeckend in die Insolvenz gehen".

    Erwartet schwierige Zeiten: DIW-Präsident Marcel Fratzscher.
    Erwartet schwierige Zeiten: DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

    Was sagt die Wirtschaftswissenschaft? Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte unserer Redaktion auf Anfrage: "Die deutsche Wirtschaft befindet sich in der Rezession, die sich in den kommenden Monaten noch deutlich vertiefen könnte. Die wirtschaftliche Erholung wird wohl schwach und langwierig ausfallen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass über die nächsten zwei Jahre deutlich mehr Unternehmen in die Insolvenz gehen oder ihr Geschäft einstellen müssen. Viele Unternehmen haben bereits infolge der Corona-Pandemie kaum noch Rücklagen und müssen jetzt zudem einen Einbruch der Nachfrage und höhere Energiepreise stemmen. Der Staat wird die Unternehmen wohl nicht wieder durch so großzügige Hilfen unterstützen wie in der Corona-Pandemie. Die Sorge ist, dass vor allem junge, innovative Unternehmen pleitegehen, was die Transformation der Wirtschaft bremsen wird."

    Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser: Energiekrise trifft alle

    Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturforschung beim Münchener Ifo-Institut, beantwortet die Frage nach der Insolvenz-Welle im Gespräch mit unserer Redaktion so: "Wie in jeder Rezession werden Insolvenzen und Betriebsaufgaben zunehmen. Die Energiekrise macht allen Unternehmen zu schaffen, sie trifft alle." Ob aber die "viel beschworene Deindustrialisierung" drohe, dahinter setzt Wollmershäuser zumindest ein Fragezeichen.

    Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des ifo-Instituts in Berlin.
    Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des ifo-Instituts in Berlin. Foto: Carsten Koall, dpa

    Die Kernfrage, so der Makroökonom, sei derzeit doch immer, ob die Unternehmen die Energiekosten weiterreichen könnten oder nicht. Und ob die Konkurrenz das auch könne. Wer die Preise nicht erhöhe, wird sein Geschäft auf Dauer nicht fortsetzen können. Wer die Preise erhöhe, wird Kunden verlieren, weil denen schlicht das Geld fehle - Stichwort Stornierungswelle auf dem Bau. "Der damit verbundene reale Umsatzrückgang ist der Grund, warum wir in die Rezession gehen." Wollmershäuser meint aber: "Im Großen und Ganzen sind die Unternehmen sehr wohl in der Lage, die gestiegenen Kosten zu überwälzen." Deshalb sei die Inflation ja so gestiegen, wie sie gestiegen sei. Zudem nutzten nicht wenige Unternehmen auch die Chance, die Preise über das Notwendige der Energiekrise hinaus anzuheben. Und das, obwohl die Preise für Sprit, Gas oder Öl teilweise sogar schon wieder fielen. "Den Hochpunkt der Kosten", sagt Wollmershäuser, "dürften wir hinter uns haben. Und wir werden diese Krise überwinden." Natürlich bliebe das Preisniveau noch happig, aber für die Unternehmen stelle sich jetzt vor allem die Frage, wer es "über diese Durststrecke" schaffe. Hinzu komme, dass sowohl die Corona-Krise als auch die vom Krieg verursachte Energiepreiskrise den wirtschaftlichen Strukturwandel überdecke.

    Der Staat helfe, aber wie zum Beispiel in der Automobilindustrie am deutlichsten sichtbar sei, seien manche Unternehmen besser und manche schlechter für die Herausforderungen von Digitalisierung und E-Wende gewappnet. Das gelte auch für andere Branchen. Heißt in der Summe: "Es wird Pleiten in dieser Rezession geben. Aber nicht unbedingt mehr als sonst auch."

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