Noch im Spätsommer ist die Sorge groß gewesen, dass Deutschland auf eine schwere Rezession zusteuert, zumindest im Maschinenbau hat sich die Stimmung inzwischen aber deutlich aufgehellt. "Der Maschinen- und Anlagebau hat sich in unerwartet rauer See bewähren können", sagte Verbandspräsident Karl Haeusgen auf der Jahrespressekonferenz. Die Produktion wird dieses Jahr real – also ohne Inflation – um 1 Prozent zulegen, erwartet der Verband. Kommendes Jahr könnte hier zwar ein leichtes reales Minus von 2 Prozent stehen. "Das ist aber weniger als befürchtet und keine Krise", betonte Haeusgen. Rund die Hälfte der befragten Betriebe – 48 Prozent – schaut optimistisch ins neue Jahr. Lediglich 14 Prozent sind pessimistisch. Da sah es früher schon mal schlimmer aus.
Dabei gibt es Probleme zu Hauf: "Die hohe Inflation und der Ukraine-Krieg mit all seinen Folgen werden auch unsere Branche noch lange belasten", sagte Haeusgen. Materialengpässe und Schwierigkeiten in der Lieferkette dauerten an, es gebe allerdings eine leichte Entspannung. "Zudem kehren immer mehr Staaten zu protektionistischen Maßnahmen zurück", der Handel wird schwieriger, erklärte der VDMA-Präsident. Demgegenüber steht aber ein hoher Auftragsbestand. Im Schnitt war in den Betrieben im September 2022 die Arbeit für weitere 11,9 Monate gesichert. Das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft sei für den mittelständischen Maschinen- und Anlagenbau und seine innovativen Technologien eben "eine große Chance", erklärte der Präsident.
USA sind wichtigster Exportmarkt, China dahinter
Das Geschäft hätte sogar noch besser laufen können: Während der Export in die USA als wichtigsten Auslandsmarkt von Januar bis September um 19,4 Prozent stieg, gaben die Ausfuhren nach China – die Nummer zwei – um 2,8 Prozent nach. Bremsklotz waren die Corona-Lockdowns in China, das hat Haeusgen in seinem eigenen Unternehmen erfahren. Hawe Hydraulik betreibt in Kaufbeuren einen großen Standort. Die Lockdowns in China hätten vier Prozent Umsatz gekostet, sagte er.
Der Umgang China ist durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine in den Fokus der Maschinenbauer gerückt. "Wenn China Taiwan angreift, ist Schicht im Schacht mit Handel mit China", sagte Haesugen. Sein Verband hat seine China-Position überarbeitet. Die Maschinenbauer begrüßen es, dass die Bundesregierung eine Neubewertung des Verhältnisses zu China vornehme. Sie betonen aber auch, dass das Land ein "sehr wichtiger Partner" für die deutschen Firmen sei. "Der Markt China ist mittelfristig nicht ersetzbar", betonte Haeusgen. Eine Entkopplung scheint da unrealistisch. Die Politik könne aber helfen, Märkte jenseits von China zu erschließen, sei es Indien, Vietnam, Malaysia oder Australien. Das Freihandelsabkommen Mercosur sei "längst überfällig". Haeusgen verteidigte die Idee von "Wandel durch Handel": Sein Unternehmen Hawe haben rund 200 Beschäftigte in China, freundliche, meist englischsprechende Leute, deren Lebensstandard durch die Öffnung Chinas gegenüber den Weltmärkten stark gestiegen sei.
In der Branche sind 14.000 Stellen unbesetzt
Auch fehlende Fachkräfte belasten den deutschen Maschinenbau. Ganze 97 Prozent der Betriebe geben den Fachkräftemangel als Problem an. "Ich würde lieber von einem Arbeitskräftemangel sprechen, weil das Problem gering Qualifizierte bis zum Ingenieur betrifft", sagte Haeusgen. Bei den Betrieben der Branche seien 14.000 Stellen offen. Kommendes Jahr planen – trotz Krise – ganze 54 Prozent der Firmen ihr Personal aufzustocken. Was tun gegen den Mangel? Der VDMA drängt darauf, mehr Frauen in den Beruf zu bringen. Auch an einer "Debatte über die Lebensarbeitszeit führt nichts vorbei", hieß es.
Dass die Industrie bald ins Ausland abwandert, diese Gefahr besteht für die Maschinenbau-Betriebe wohl nicht. "Eine Deindustrialisierung Deutschlands sehen wir nicht", sagte Haeusgen.
Um die Branche stark zu halten, hat er aber klare Forderungen an die Regierung: Das EU-Lieferkettengesetz sei für den Mittelstand nicht machbar, sagte er. "Die Politik glaubt zum Beispiel, ein Mittelständler könnte in allen Stufen seiner Lieferkette in fernen Ländern dafür sorgen, dass nicht nur Kinderarbeit verhindert wird, sondern auch europäische Umweltstandards eingehalten werden, Religionsfreiheit gewährleistet ist und Gewerkschaften gebildet werden dürfen."
Zu bürokratisch: Betriebe überlegen, Energiepreisbremsen nicht in Anspruch zu nehmen
Die Bundesregierung müsse zudem ihr Versprechen "Mehr Fortschritt wagen" umsetzen und Bürokratie abbauen. Ein Beispiel: Damit die Branche nächstes Jahr ihre Prognose erfüllen kann, müsste die Energieversorgung verlässlich und stabil bleiben. Die Strom- und Gaspreisbremsen seien aber so bürokratisch ausgestaltet, dass manche Betriebe überlegten, sie gar nicht in Anspruch zu nehmen.