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Konjunktur: Der Börse macht die Krise der deutschen Wirtschaft nichts aus

Konjunktur

Die Börse lässt die Krise kalt

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    Die deutsche Wirtschaft stagniert in diesem Jahr, doch der deutsche Leitindex Dax ist weiter in Rekordlaune.
    Die deutsche Wirtschaft stagniert in diesem Jahr, doch der deutsche Leitindex Dax ist weiter in Rekordlaune. Foto: Andreas Arnold, dpa

    Der Aufschwung für die deutsche Wirtschaft ist weiter nicht in Sicht. Am Donnerstag hat das Münchner Ifo-Institut seine Wachstumsprognose deutlich nach unten korrigiert. Für das laufende Jahr geht Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser von einer Stagnation aus. Für das kommende Jahr erwartet er statt 1,5 Prozent Wachstum nur mehr 0,9 Prozent. Auch die Leibniz-Institute für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und Essen (RWI) haben am Donnerstag ihre Prognosen gesenkt und von einem Andauern der wirtschaftlichen Schwächephase gewarnt.

    An der Börse gehen die schlechten Aussichten für die deutsche Konjunktur scheinbar spurlos vorbei. Der deutsche Leitindex Dax hat nach seiner jüngsten Rekordrally zuletzt zwar leicht verloren, bewegt sich aber mit über 18.600 Punkten auf einem sehr hohen Niveau. Die Prognosen der Marktbeobachter sind weiter optimistisch. Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, erklärt den scheinbaren Widerspruch mit der Struktur des Index: „Der Dax ist kein Spiegel der deutschen Wirtschaft. Die Unternehmen im Dax sind hochgradig internationalisiert und erwirtschaften einen Großteil ihrer Erträge im Ausland. Sie produzieren auch vielfach in der Nähe ihrer Absatzmärkte, weshalb auch die Export-Entwicklung nicht unbedingt die Lage im Dax abbildet.“

    Deutschland spürt den Gegenwind am stärksten

    Der Mittelstand dagegen ist in Summe viel stärker abhängig von seinem Heimatmarkt. Daher trifft ihn die Wachstumsschwäche in Deutschland härter. Die Gründe für den kraftlosen Auftritt liegen tiefer. „Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, Corona-Pandemie, Energiepreisschock und eine veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft setzen etablierte Geschäftsmodelle unter Druck und zwingen Unternehmen, ihre Produktionsstrukturen anzupassen. Deutschland ist von diesen Veränderungen im Vergleich zu anderen Ländern besonders stark betroffen“, erklärt Wollmershäuser.

    Das liegt zum einen an der immer älter werdenden Bevölkerung und dem sich verschärfenden Fachkräftemangel. Vor allem aber sind die Branchen, die von den vielfältigen Krisen am stärksten betroffen sind - Industrie und Verarbeitendes Gewerbe - in Deutschland traditionell stark. Ein Symptom der Unsicherheit, die viele Unternehmen derzeit spüren, ist die hartnäckige Flaute bei Investitionen. Laut den Ifo-Zahlen ist das deutsche Produktionspotenzial, also die mögliche Produktion, wären alle Kapazitäten ausgelastet, auch deswegen seit dem Jahr 2019 um zwei Prozent oder 70 Milliarden Euro gesunken.

    Die fehlende Digitalisierung sorgt für mehr Bürokratie

    Um zumindest die hausgemachten Gründe für die konjunkturelle Krise zu beseitigen, hat die Bundesregierung noch vor der Sommerpause eine Wachstumsinitiative mit 49 Einzelmaßnahmen vorgelegt. Für den DZ Bank-Experten Holstein geht das Paket in die richtige Richtung. Er rechnet aber nicht damit, dass sie kurzfristige Folgen zeigen werden: „Für einen Stimmungsumschwung bei den Unternehmen muss mehr kommen. Im internationalen Vergleich sind etwa die Unternehmenssteuern in Deutschland hoch. Viele andere Länder haben sie gesenkt, allen voran die USA, bereits unter der Regierung Trump. Weit oben auf der Schmerzliste für Unternehmen stehen zudem seit Jahren der Fachkräftemangel und zu viel Bürokratie.“

    Auch Wollmershäuser mahnt eine Verbesserung der grundsätzlichen Rahmenbedingungen an. In Deutschland werde etwa auf die europäische Bürokratie gerne noch etwas draufgesetzt. „Zur Bürokratielast von Unternehmen gehört aber auch die mangelhafte Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in vielen Bereichen“, sagt der Konjunkturforscher. Entlastung für die Wirtschaft sieht er bei den Energiepreisen: „Für die Industrie sind die Preise bereits mehr oder weniger auf dem Niveau wie vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine.“

    Die Verbraucher halten ihr Geld zusammen

    Auch für die Verbraucher hat sich die Teuerung deutlich abgeschwächt. Dennoch profitiert der Konsum bislang kaum von den teils kräftigen Reallohnsteigerungen. Statt ihr Geld auszugeben und die Wirtschaft anzukurbeln, halten die privaten Haushalte sich mit Ausgaben zurück. Die Sparquote liegt mit 11,3 Prozent des verfügbaren Einkommens deutlich über dem zehnjährigen Durchschnitt vor der Corona-Krise, berichtet das Ifo-Institut. Wollmershäuser rechnet aber damit, dass die Verbraucher im zweiten Halbjahr langsam wieder etwas optimistischer werden und ihre Geldbeutel öffnen.

    Auch Holstein betont die Rolle der Verbraucher für eine Belebung der Wirtschaft: „Die internationale Konjunktur ist entscheidend für den Dax. Wenn große deutsche Unternehmen gute Geschäfte machen, ist das ein gutes Zeichen. Aber wenn wir für den Rest des Jahres noch eine positive Wirtschaftsentwicklung in Deutschland sehen wollen, dann muss der Impuls dafür vom privaten Konsum kommen.“

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    1 Kommentar
    Wolfgang Boeldt

    Die Börse, sprich: die institutionellen Anleger, also Finanzfachleute, scheinen mindestens 2 Dinge erkannt zu haben: 1. Großunternehmen erwirtschaften bis zu 80% im Ausland (steht auch im AZ-Artikel so). Und dieses Umfeld ist in Summe gut. 2. Eine Krise, eine wirkliche Krise, sieht anders aus. Selbst das Hinreden zu einer Krise, größtenteils durch die Presse, kann eine hervorrufen - ist aber bis jetzt noch nicht gelungen. =:). Zugegeben, es könnte manches besser sein - aber von einer wirklichen Krise ist Deutschland weit entfernt. Ein Mini-Wachstum, egal mit welchem Vorzeichen, ist noch keine Krise... . Und so scheint es auch die "Börse zu sehen ... (ich übrigens auch).

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