Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, nicht aber vor dem Finanzamt. Wer, zum Beispiel, von einer verstorbenen Tante drei Wohnungen im Wert von 1,5 Millionen Euro erbt, zahlt darauf 440.910 Euro an Erbschaftssteuer. Erbt der gleiche Neffe einen kleinen Handwerksbetrieb, der ebenfalls 1,5 Millionen Euro wert ist, bittet der Fiskus ihn nur mit 4725 Euro zur Kasse, weil 85 Prozent des Betriebsvermögens in diesem Fall steuerfrei sind.
Natürlich soll niemand eine Firma verkaufen müssen, damit er (oder sie) die Erbschaftssteuer bezahlen kann. Deren Berechnung aber strotzt heute nur so vor Widersprüchen: Ein Aktiendepot kann im Erbfall anders besteuert werden als eine gleichwertige Gemäldesammlung, ein vermietetes Haus anders als ein selbst genutztes und ein großes Vermögen tendenziell günstiger als ein kleines, weil die Gestaltungsspielräume über das Gründen von Stiftungen oder mehrere Schenkungen hier um einiges größer sind.
Verfassungsklage Bayerns trifft wunden Punkt des Steuerrechts
Dass Bayern das geltende Regelwerk nun vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen will, hat sicher auch mit dem beginnenden Wahlkampf zu tun. Trotzdem zielt die Klage auf einen wunden Punkt des Steuerrechts: Weil die Immobilienpreise kräftig gestiegen sind, die Freibeträge aber seit 14 Jahren nicht erhöht wurden, rutschen gerade in den teureren Regionen immer mehr Erben in die Steuerpflicht. Markus Söder hat das in die saloppe Formel gegossen, eine Gartenlaube in Miesbach sei heute so viel wert wie manche alte Villa in Greifswald – das Problem aber ist damit treffend beschrieben.
Die einfachste Lösung, die von Bundesland zu Bundesland teilweise enormen Unterschiede bei der Steuerlast zu beseitigen, wäre die komplette Abschaffung der Erbschaftssteuer, die den Landesregierungen zwar jedes Jahr rund elf Milliarden Euro einbringt, deren Einnahmen aber auch mit einem gewaltigen bürokratischen Aufwand erkauft werden. Österreich, Portugal, Schweden, Israel, Kanada und etliche andere Länder gehen diesen Weg des Verzichts längst. Die deutsche Debatte aber krankt daran, dass beim Thema Erben stets auch eine Portion Neid im Spiel ist und die linken Parteien die Steuer als Symbol für ihre Umverteilungsfantasien betrachten – obwohl die Einkommenssteuer dafür viel besser geeignet wäre.
SPD und Grüne würden Erbschaftssteuer sogar noch erhöhen
Die Bundesregierung, die die Erbschaftssteuer in Deutschland abschafft, muss allerdings erst noch gewählt werden. Ginge es nach Sozialdemokraten und Grünen, würden Erben künftig sogar noch deutlich stärker zu Kasse gebeten. Dass ein Erbe nicht aus heiterem Himmel entsteht, sondern aus bereits mehrfach versteuertem Geld, unterschlagen sie dabei nur allzu bereitwillig. Eine Erbschaft ist entgegen der landläufigen Meinung ja kein leistungsloses Vermögen, sondern eines, für das schon Einkommens- und Mehrwertsteuer geflossen sind und je nach Art des Erbes auch Grund-, Grunderwerbs- oder Kapitalertragssteuer. Auch deshalb stünde dem deutschen Steuerstaat etwas mehr Zurückhaltung gut zu Gesicht.
Wenn die Abschaffung der Steuer politisch nicht durchzusetzen ist, bleibt nur eine gründliche Entrümpelung der geltenden Regeln und Ausnahmen. Deutlich höhere Freibeträge, unabhängig von der Art des Erbes, und ein niedriger Steuersatz von sechs oder sieben Prozent für alle Erbschaften: Das würde auch viele Menschen, die etwas zu vererben haben, mit dem System versöhnen. Eltern bauen ihre Häuser schließlich nicht für das Finanzamt, sondern für sich und ihre Kinder. In Miesbach genauso wie in Greifswald.