Deutschland braucht dringend Zuwanderung. Die Zahlen dazu sind schon lange lange bekannt. Nicht rur jede Chefin und jeder Chef eines Unternehmens, das Aufträge absagen muss weil es an Personal mangelt, kennt sie: Rund 400.000 sogenannte Fachkräfte fehlen schon heute jährlich. Und wenn die Bundesrepublik als Standort auf dem internationalen Arbeitsmarkt nicht attraktiver wird, stehen nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hierzulande bis 2035 sieben Millionen Arbeitende weniger zur Verfügung. Und das in einem sich verschärfenden Umfeld, denn viele andere Industrieländer werben um künftige Bürger, um Menschen, die sich bei ihnen wohlfühlen sollen, um für sich und ihre Familien eine Zukunft aufzubauen.
In diesem Werben erfolgreicher zu sein als andere und also den lieb gewonnen Wohlstand zu halten oder gar zu steigern, wird schwierig. Es braucht dafür eine neue Willkommenskultur, die politisch gefördert werden muss.
Die Ampel-Regierung tut grundsätzlich das Richtige
Die Ampel tut dafür grundsätzlich das Richtige, allerdings ist das Agenda-Setting kontraproduktiv. Denn gerade wird – wie so oft bei den sehr emotional besetzten Migrationsthemen – über alles gleichzeitig diskutiert: Darüber wie Zugewanderte hier leichter die Staatsbürgerschaft erwerben können, darüber wie gut integrierte Ausländer mehr Bleibesicherheit (das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht) bekommen, darüber dass die Abschiebungen derer, die wirklich keine Bleibeperspektive haben (etwa Straftäter), nicht schnell genug vorankommen und schließlich noch über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das ist zu viel auf einmal und man hätte diese verschiedenen Gesetzesinitiativen auch entzerren und nacheinander abarbeiten können.
Warum? Weil Zuwanderungsthemen mit mehr Ruhe diskutiert werden sollten als andere. Immer wieder. Warum? Vielen Menschen macht Migration Angst. Diese Angst muss man nicht teilen, sie ist unbegründet, aber man muss sie zur Kenntnis nehmen. Und Vorurteile müssen mit Fakten entkräftet werden. Immer wieder. Es sind Debatten, die breit geführt werden müssen.
Union hat mit dem Wort vom "Verramschen" aus billigem Kalkül den falschen Ton gesetzt
Um es ganz deutlich zu machen: Hier soll nicht einer stets von rechts – und rechtsextremer Seite – geschürten Sorge nach sogenannter Überfremdung das Wort geredet werden. Im Gegenteil: Wer selbst einmal im Ausland gelebt hat, weiß, dass jeder irgendwo fremd ist. Und wer ankommen (und vor allem bleiben!) will, braucht freundliche, neugierige Menschen, die einen auf- und an die Hand nehmen. Aber damit genau diese Haltung sich in Deutschland dauerhaft und breit durchsetzt, sollten die verschiedenen, komplizierten Diskussionen nacheinander geführt werden. Dabei ist es richtig, dass das international vergleichsweise fortschrittliche Fachkräftezuwanderungsgesetz verbessert und den Behörden, die über die Anträge entscheiden und im Ausland anwerben sollen, hoffentlich mehr Dampf gemacht wird. Es ist auch richtig, dass denen, die sich künftig von Deutschland überzeugen lassen, schneller als bereits heute eine Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt wird. Aber damit die Integration all derer, die noch kommen, gelingen kann, muss mehr, besser und sachlicher dazu debattiert werden.
Das von der Union in die Arena gebrachte Wort vom „Verramschen“ hat dabei schon mal nicht geholfen. Im Gegenteil, es hat – aus billigem Kalkül – den falschen Ton gesetzt. So wird ein Land nicht attraktiver.