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Kommentar: Lieferkettengesetz: Unternehmen müssen in die Verantwortung gezwungen werden

Kommentar

Lieferkettengesetz: Unternehmen müssen in die Verantwortung gezwungen werden

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     Das von Amnesty International zur Verfügung gestellte Bild zeigt Kinder, die Steine sortieren, die Kobalt enthalten.
    Das von Amnesty International zur Verfügung gestellte Bild zeigt Kinder, die Steine sortieren, die Kobalt enthalten. Foto: Amnesty International, dpa

    Wem schmeckt Schokolade, wenn er weiß, dass Kinder die Kakaobohnen dafür ernten mussten? Wer trägt gerne T-Shirts, von denen er weiß, dass Arbeiter sie unter menschenunwürdigsten Bedingungen hergestellt haben? Die traurige Antwort lautet: Noch immer viel zu viele.

    Und das zeigt, wie dringend es das Lieferkettengesetz braucht. In Deutschland, das wie kaum eine Industrienation auf internationalen Ex- und Import angewiesen ist und davon profitiert. Auf europäischer Ebene. In all den Ländern, die es noch nicht haben. Denn das Prinzip Freiwilligkeit hat im Vorfeld dieser Gesetzesinitiative in der Breite eben nicht gegriffen: 2011 haben die Vereinten Nationen die Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Sie definieren eine staatliche Schutzpflicht und die unternehmerische Verantwortung in globalen Lieferketten. Offengelassen wurde damals allerdings, ob Unternehmen diese Maximen freiwillig oder verbindlich umsetzen. Die Bundesregierung entschied sich 2016 gegen den Zwang, als sie einen "Nationalen Aktionsplan" aufsetzte, um die UN-Vorgaben hier einzuführen. 2019 befragte sie dann die Unternehmen. 2020 noch einmal. Heraus kam, dass deutlich weniger als 50 Prozent ihren Sorgfaltspflichten nachkommen. 2250 Firmen wurden angefragt, nur 455 schickten laut Entwicklungshilfeministerium gültige Antworten zurück. Insofern ist es nur folgerichtig – weil im Koalitionsvertrag festgeschrieben –, dass nun ein Gesetz kommt, das die uneinsichtigen Unternehmen, denen die eingeforderten Menschenrechts,- Sozial- und Umweltstandards eher gleichgültig sind, zwingt, sich verantwortungsbewusster aufzustellen. Und das Arbeitern bei Verstößen hilft, ihre Ansprüche geltend zu machen.

    Es gehört zum Gesetzgebungsprozess, dass Unternehmen behaupten: Das geht nicht

    Natürlich sollte dieses Gesetz so umfassend wirken, wie es geht, also auch für Unternehmen ab einer Größe von 500 Mitarbeitern gelten. Sprich, wenn sich am Donnerstag die Minister auf Eckpunkte verständigen sollten, wäre es gut, wenn sich dabei Entwicklungshilfeminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil auf der einen Seite gegen die von Peter Altmaier im Wirtschaftsressort vertretenen Interessen durchsetzen würden. Es gehört zum Gezerre im Gesetzgebungsprozess dazu, dass Wirtschaftsverbände sagen: Das geht nicht, das ist zu teuer, kostet Arbeitsplätze, ist zu viel bürokratischer Aufwand, schadet der Wettbewerbsfähigkeit. Aber es gibt längst Unternehmen – große wie kleinere – die zeigen, wie es gehen kann. Continental zum Beispiel hat gemeinsam mit dem Entwicklungshilfeministerium eine Kautschuklieferkette lückenlos rückverfolgbar gemacht. Von der Ernte in Indonesien bis in die Reifenherstellung. Auch der Bergsport-Ausrüster Vaude gilt als vorbildlich in Sachen Nachhaltigkeit. Hier können die Kunden nachvollziehen, wo ihre Kleider herkommen und unter welchen Bedingungen sie wo produziert wurden.

    Auch die Verbraucher sind in der Verantwortung

    Das Lieferkettengesetz muss jetzt kommen. Und es muss Effekte haben. Dass die Corona-Krise mit verheerenden Folgen für sehr viele Unternehmen nicht der günstigste Zeitpunkt für diese Reform ist, mag sein. Aber die Pandemie ist – wie auch die Lieferketten – global. Und die Ärmsten auf diesem Planeten trifft das Virus härter als Deutschland.

    Eines muss aber auch klar sein: Nicht nur die Unternehmen sind in der Verantwortung: Wenn ein griffiges Gesetz hoffentlich bald verabschiedet ist, können sich die Verbraucher, wir, noch weniger herausreden als bislang. Dass unser Alltagskonsum auf Kosten Dritter geht, ist nur zu bekannt. Nicht gewusst, gilt dann erst recht nicht mehr.

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