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Kommentar: Eine Bargeld-Obergrenze schießt über das Ziel hinaus

Kommentar

Eine Bargeld-Obergrenze schießt über das Ziel hinaus

Michael Kerler
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    In der EU wird demnächst wohl eine Bargeld-Obergrenze eingeführt. Ein Fehler, sagt unser Autor.
    In der EU wird demnächst wohl eine Bargeld-Obergrenze eingeführt. Ein Fehler, sagt unser Autor. Foto: Patrick Pleul, dpa

    In Zeiten, in denen sich manche Bürgerinnen und Bürger fragen, wie sie die Energierechnungen bezahlen sollen, sieht es wie ein Luxusproblem aus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser setzt sich für eine Bargeld-Obergrenze „deutlich unter 10.000 Euro“ für Zahlungen ein. Das Vorhaben hat redliche Gründe, man muss es aber auch kritisch sehen: Eine Bargeld-Obergrenze greift unverhältnismäßig tief ein in die Rechte und Freiheiten von Millionen Bürgern. 

    Erklärtes Ziel der Bargeld-Obergrenze ist es, Geldwäsche zu bekämpfen. Illegale Einnahmen aus Betrug, Drogenhandel und anderen miesen Geschäften können in Immobilien, Antiquitäten oder Kunst angelegt und „gewaschen“ werden. Eine Bargeld-Obergrenze soll diese Käufe erheblich erschweren: Die Herkunft des Geldes ließe sich nicht mehr so leicht verschleiern, wenn auf elektronischem Weg gezahlt wird. 

    Bargeld-Obergrenze ist ein Einschnitt in die Freiheit und Rechte

    Deutschland wäre nicht im Alleingang unterwegs, andere Staaten habe die Grenze bereits eingeführt. In Frankreich beträgt sie für Inländer 1000 Euro, in Griechenland 500 Euro. In der EU führt an einer Verordnung leider wohl kein Weg mehr vorbei. Die EU-Kommission hat eine Bargeld-Obergrenze von 10.000 Euro vorgeschlagen, manche Staaten sähen lieber niedrigere Limits. Länder wie Deutschland, Österreich oder Luxemburg haben bisher keine Obergrenze. Dafür, dass diese nicht zu streng ausfällt, gibt es gute Gründe. 

    Das größte Problem ist erstens, dass mit der Bargeld-Obergrenze ein Stück Freiheit im Zahlungsverkehr verloren geht. „Bargeld ist geprägte Freiheit“, formulierte es einmal Klaus Müller, der frühere Verbraucherschutz-Chef und heutige Leiter der Bundesnetzagentur. Es ermöglicht Autonomie und ja, auch Anonymität im Zahlungsverkehr. Unabhängig von jeder Bank, jeder Plattform.

    Bargeld-Obergrenze und Verbrechensbekämpfung: Fragen bleiben offen

    Eine Obergrenze greift in die Rechte der Bürger ein, warnte bereits der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier: Beschnitten wird das Eigentumsrecht, da Bargeld die Nutzungsmöglichkeit verliert, auch große Zahlungen damit tätigen zu können. Beschnitten wird zudem die Vertragsfreiheit, da Geschäftspartner bei größeren Summen zu elektronischen Überweisungen verdonnert werden. Das alles mag gerechtfertigt sein, wenn die Obergrenze maßgeblich zur Verbrechensbekämpfung beitragen würde. 

    Dieser Nachweis ist bis heute nicht erbracht, auch in Ländern mit Bargeld-Obergrenze ist in puncto Kriminalität nicht alles gelöst. Längst scheinen sich die Profis der Unterwelt über Kryptowährungen und internationale Kontensysteme andere Wege zu suchen. "Alle Bürgerinnen und Bürger in Europa unter Generalverdacht zu stellen, weil eine Handvoll Kriminelle Geld über Bargeldkäufe waschen, ist unverhältnismäßig", warnt zurecht der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. 

    Bürger schätzen Bargeld als Sicherheit in der Hinterhand

    Zum zweiten verliert Bargeld durch die Obergrenzen einen großen Teil seiner Funktion, Wert aufzubewahren. Als dieses Jahr reihenweise EC-Karten-Terminals ausfielen, war nicht nur beim Bäcker um die Ecke plötzlich Bargeld gefragt. Viele Bürger haben zudem gerne ein Sicherheitspolster in bar in der Rückhand, auch wenn im Alltag häufig mit Karte oder Smartphone gezahlt wird. 

    Die Bundesbank verzeichnete in der Corona-Krise eine steigende Nachfrage nach Bargeld. Und als die Banken Negativ-Zinsen einführten, hat mancher sein Geld lieber bar abgehoben. Das mag knausrig wirken und bedarf eines guten Tresors, ist aber nicht illegal. Bargeld schützt vor Zahlungsausfällen und Pleiten, es ist das gesetzliche Zahlungsmittel im Euro-Raum. Wer aber Bargeld hält, muss damit auch zahlen können. 

    Letztlich gibt es ganz praktische Gründe für Bargeld-Zahlungen. Die meisten Bürger nutzen große Summen zwar höchstens zum Kauf eines Gebrauchtwagens. Dies, warnen Verbraucherschützer aber, könnte schwieriger werden. Wer gibt sein Auto her, wenn er nicht weiß, ob dafür auch Geld auf das Konto eingeht? Dafür müssen künftig wohl Sofortüberweisungen genutzt werden. Ein anderer Weg wäre, private Geschäfte über Kleinanzeigen von der Grenze auszunehmen. 

    Niedriger als 10.000 Euro sollte die Grenze nicht ausfallen

    Bereits in der Vergangenheit hat der Staat die Funktion von Bargeld zurückgedrängt. Für Zahlungen über 10.000 Euro ist heute in Deutschland der Ausweis vorzulegen. Zahlt man über 10.000 Euro am Bankschalter ein, ist seit Sommer 2021 ein Nachweis über die Herkunft zu erbringen. Neue 500-Euro-Scheine gibt die Europäische Zentralbank schon gar nicht mehr aus. 

    Dabei ist es nicht so, dass der Staat ohne Bargeld-Obergrenze wehrlos wäre. Bei der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen des Zolls – der Financial Intelligence Unit (FIU) – ging 2021 die Rekordzahl von rund 300.000 Verdachtsmeldungen ein. Keine Kleinigkeit. Die Behörde ist zweitweise nur kaum hinterhergekommen, alle Fälle zu bearbeiten. Letztlich führte nur ein Bruchteil zu Strafen. Mehr Personal, mehr Power an dieser Stelle könnte sicher viel bewirken. 

    Die Bundesbürger hängen stärker am Bargeld als etwa die Skandinavier. Ja, eine Bargeld-Obergrenze bedeutet nicht die Abschaffung von Bargeld, sie trägt aber zur Erosion seiner Bedeutung bei. Die Obergrenze hat auch große Kosten. Je niedriger die Obergrenze gezogen wird, desto größer sind sie. 

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