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Kommentar: Ein zweites Wirtschaftswunder ist kaum möglich

Kommentar

Ein zweites Wirtschaftswunder ist kaum möglich

Stefan Stahl
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    Bundeskanzler Olaf Scholz glaubt im Zuge der Energiewende an ein neues deutsches Wirtschaftswunder.
    Bundeskanzler Olaf Scholz glaubt im Zuge der Energiewende an ein neues deutsches Wirtschaftswunder. Foto: Boris Roessler, dpa

    Ein optimistischer Kanzler tut Deutschland an sich gut. Doch leider kann auch Olaf Scholz mit seinem Glauben an ein zweites deutsches Wirtschaftswunder keine Berge versetzen. Zuversicht allein reicht nicht, um aus der Klima- und Energiewende einen neuen Wohlstandsschub zu zimmern. Dabei wäre ein Wunder möglich: Die Transformation, die in einer radikalen und notwendigen Abkehr von fossilen Energieträgern besteht, könnte enorm positive wirtschaftliche Kräfte freisetzen. Wenn die auf Öl und Gas aufgebaute Wirtschaftswelt eingerissen wird, ist "Druck auf dem Kessel", wie Scholz sagt. Der Druck muss entweichen und könnte Innovationen antreiben. Da klimaschädliche Energie mit einem Verfallsdatum versehen wurde, sind rasch Lösungen gefragt, wie wieder kostengünstige Energie erzeugt werden kann. 

    Der Schlüssel für eine gelungene Klimawende führt über technologische Revolutionen. Dafür ist Deutschland mit exzellenten Ingenieuren und erstklassigen Hochschulen eigentlich bestens gerüstet. Wer, wenn nicht wir, soll die Klimawende stemmen! Durch eine gelungene Transformation könnten unzählige Unternehmen und hunderttausende Arbeitsplätze entstehen. Wirtschaftlich wie ökologisch blühende Landschaften wären der Lohn der Revolution. Am Ende stünden, wie es der Kanzler herbeisehnt, in einem Jahrzehnt Wachstumsraten um die acht Prozent wie zu Zeiten des ersten deutschen Wirtschaftswunders. Wohlstand für alle wäre gesichert. Scholz würde eine Art neuer Ludwig Erhard. So weit der Traum. 

    Nur der Ausstieg aus der Kernenergie ist akribisch geregelt

    Doch diese Welt als Wille und Vorstellung funktioniert in Deutschland nicht mehr wie in den Jahren zwischen 1950 und 1960. Das hat mehrere Ursachen: Der Übergang von der fossilen in die CO₂-arme Ära ist unzureichend organisiert. Es fehlen Pläne, wie die Industrie als Kern unseres Wohlstands ausreichend günstigen Strom bekommt, ehe erneuerbare Energie etwa aus Windkraft in großen Mengen günstig zur Verfügung steht und eine leistungsfähige Wasserstoff-Wirtschaft entstanden ist. 

    Bisher hat die Bundesregierung nur den Ausstieg aus der Atomenergie akribisch geregelt. Wie der Einstieg in alternative Stromquellen exakt aussieht, bleibt unklar. Es reicht nicht, wenn Scholz appelliert, in Deutschland müssten jeden Tag vier bis fünf Windräder gebaut, gut 40 Fußballfelder Photovoltaik-Anlagen entstehen, 1600 Wärmepumpen eingebaut und vier Kilometer Übertragungsnetze in Dienst gehen. Die Ziele der Bundesregierung scheitern allein an Wutbürgern, die gegen alles und jeden klagen, sowie an der deutschen Super-Geißel, einer ins Unermessliche gewucherten Bürokratie. 

    Die Regelungswut ist nicht nur made in Germany, sondern in hohem Maße auch made in Brüssel. Die Bürokratie gleicht einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Behörden-Menschen, darunter für viele Juristinnen und Juristen. Die deutsche, ja europäische Krankheit behindert die Wirtschaft und gefährdet Wohlstand. Scholz müsste sich vornehmen, pro Tag dutzende Vorschriften streichen zu lassen und zu streiken, wenn sich EU-Bürokraten neue Würgeregeln ausdenken. 

    Selbst ein Doppel-Wunder-Wumms hilft nicht weiter

    Bürokratie ist ein permanenter Misstrauensantrag gegen das eigene Volk. Selbst wenn der Bundeskanzler in einer Art Doppel-Wunder-Wumms-Aktion günstige Industriestrom-Preise garantieren könnte und die Bürokratie zurückdrängen würde, scheitert das neue Wirtschaftswunder an einem weiteren Kardinalversagen der Politik: Schließlich fehlen hunderttausende Arbeitskräfte, um die Klimawende schnell genug umzusetzen. Wer soll all die Wärmepumpen einbauen und Windräder aufstellen? In die demografische Katastrophe ist die Politik sehenden Auges geschlittert. Deutschland hat zwar alles in der Hand für ein zweites Wirtschaftswunder, stellt sich aber selbst am laufenden Band ein Bein. Das ist unsere Tragödie. 

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