Ohne Frage, ein Streik der Lokführergewerkschaft GDL ist nervig für alle Fahrgäste. GDL-Chef Claus Weselsky muss in sich gehen, ob er den Bogen nicht irgendwann überspannt, wenn Streiks ab dem 8. Januar mehrere Tage dauern könnten, in einem meist kalten Monat. Gleichzeitig aber muss man registrieren, dass Streiks für Gewerkschaften nicht nur ein legitimes Mittel in Tarifverhandlungen sind. Es ist zuletzt auch so viel schiefgelaufen bei der Bahn, dass die GDL den Finger lediglich in offene Wunden legt und man sich fragen muss, ob es nicht schon zu lange ruhig war um das Unternehmen.
Die reinen Lohnforderungen der GDL erscheinen vertretbar. 555 Euro mehr Gehalt fordert die Gewerkschaft für die Beschäftigten. Das ist nicht allzuweit entfernt von den 410 Euro, welche die Konkurrenzgewerkschaft EVG im Sommer herausgeholt hat. Die Bahn selbst hat in den Verhandlungen auch schon elf Prozent mehr Lohn geboten.
Lokführerberuf muss attraktiver werden
Problematischer ist die Forderung nach einer Absenkung der Arbeitszeit für die Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden pro Woche. Hierauf will die Bahn bisher auf keinen Fall eingehen, doch so ungewöhnlich ist die Forderung nicht. Mit der italienischen Staatsbahn-Tochter Netinera hat sich die GDL schon auf 35 Stunden geeinigt, auch wenn diese Gesellschaft viel kleiner ist. Und in der Metallbranche ist die 35-Stunden-Woche längst Standard. Die Bahn warnt davor, dass die Absenkung der Arbeitszeit den Lokführermangel gravierend verschärfen würde. Personal einzustellen und auszubilden ist allerdings nicht Aufgabe einer Gewerkschaft. Zudem zeigt der Lokführermangel nur, dass der Beruf dringend attraktiver werden muss.
Hohe Boni für die Bahn-Vorstände
Die Position der Bahn stärkt derzeit auch nicht gerade die Debatte, die um die Boni für ihre Vorstände entbrannt ist. Da die Bahn im Jahr 2022 stark in den Genuss der staatlichen Strompreisbremse kam, musste sie die Ausschüttungen zurückbehalten. Im kommenden Jahr, 2024, sollen die fünf Millionen Euro aber fällig werden, davon allein rund 1,3 Millionen Euro für Bahnchef Richard Lutz. Künftig werden die Boni zwar gesenkt, dafür steigen die Grundvergütungen der Vorstände an. Kritiker empört zurecht, dass die Boni mit der Begründung ausgeschüttet werden, der Vorstand habe Ziele wie die Frauenquote erreicht. Die Bahn selbst, die im Zentrum stehen müsste, ist dagegen so unpünktlich wie seit vielen Jahren nicht.
Es rächt sich ein jahrelanger Sparkurs bei der Bahn
Nun rächt sich ein jahrelanger Sparkurs, den mehrere CSU-Verkehrsminister in den Vorgängerregierungen mitgetragen haben. Das Netz gilt als marode, auf Kante genäht. Die Bahn erlebte nach dem Wintereinbruch Anfang Dezember einen Stillstand, aber selbst der Regelbetrieb ist problematisch. Besonders peinlich ist, dass ausgerechnet der neuerdings österreichische Zugbetreiber GoAhead der Deutschen Bahn kürzlich vorhalten konnte, ihre Infrastruktur sei "heruntergekommen" und Störungen bei Signalanlagen, Weichen, Bahnübergängen und Stellwerken seien an der Tagesordnung.
FDP-Verkehrsminister Volker Wissing hat das Problem erkannt. Er plant eine Radikalkur, möchte ganze Strecken zeitweise sperren lassen, um sie grundlegend zu sanieren. Fatalerweise ist nach dem Haushaltsurteil des Verfassungsgerichts das Geld für die Bundesregierung knapp. Die Bahn verkauft mit der Logistiktochter Schenker bereits ihr Tafelsilber. Investitionen in die Mobilität der Zukunft dürfen nicht dem Sparzwang zum Opfer fallen. Verrottet die Bahn-Infrastruktur weiter, rächt sich dies in der Zukunft.