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Kommentar: Deutschland hat endlich ein Whistleblower-Gesetz

Kommentar

Deutschland hat endlich ein Whistleblower-Gesetz

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    Wichtig für Whistleblower (hier Edward Snowden) ist, dass sie nicht erkennbar sind. Die Drähte, über die die Informationen fließen, sollten daher gut geschützt sein.
    Wichtig für Whistleblower (hier Edward Snowden) ist, dass sie nicht erkennbar sind. Die Drähte, über die die Informationen fließen, sollten daher gut geschützt sein. Foto: Wolfgang Kumm, dpa (Archivbild)

    Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sind keine Denunziantinnen und Denunzianten. Sie sind oft sehr mutige Menschen, die entscheidend dafür sind, ob Missstände aufgedeckt werden oder nicht – selbst dann, wenn ihre Motive – was vorkommen kann – nicht ausschließlich uneigennützig sein sollten. Was Whistleblower mitteilen, muss natürlich geprüft, gewichtet, eingeordnet werden. Aber ohne Hinweisgebende gibt es keine Hinweise. Ohne diese aber – wer wüsste das besser als Journalisten – werden Missstände seltener aufgedeckt, wird seltener bekannt, was die Öffentlichkeit interessieren sollte – und was dann gegebenenfalls zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, Strafprozessen, rechtskräftigen Urteilen und im Idealfall zu mehr Gerechtigkeit führt. 

    Es ist deshalb zunächst eine gute Nachricht, dass Deutschland endlich ein Whistleblower-Gesetz hat. Auch wenn dieses längst schon, nämlich am 17. Dezember 2021, hätte vorliegen sollen. Bis dahin wäre Zeit gewesen, die entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die alte Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hatte es nicht hingebracht, der blaue Brief aus Brüssel folgte prompt. Die Ampel-Regierung legte dann relativ zügig einen Entwurf vor, der aber in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat musste. Inzwischen hatte die Europäische Kommission

    Hinweisgeberschutz ist von überragendem öffentlichem Interesse

    Der jahrelange Verzug ist umso peinlicher, weil man den Nutzen von gut geregeltem Hinweisgeberschutz im Land der Wirecard-, Abgas- oder Cum-Ex-Skandale nicht noch extra erklären muss. Mit einem gut organisierten Hinweisgebersystem können wohl Milliarden gespart werden, wovon betroffene Unternehmen und die öffentliche Hand profitieren würden. Hinweisgeberschutz ist von überragendem öffentlichem Interesse. 

    Es ist also überfällig, dass nun die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wurde, dass sich Whistleblower nicht als Verräter fühlen, sondern im Gegenteil geschützt werden und nicht Karriere oder berufliche Existenz zu riskieren. Es ist gut, dass Behörden und Unternehmen (mit mehr als 49 Mitarbeitenden) Meldestellen einrichten müssen, an die sich Hinweisgebende wenden können. Sei es, weil diese über Betrügereien oder Korruption gestolpert sind, sei es, weil sie Verstöße gegen Umweltschutzregeln bemerkt haben.

    Anonymität ist für Whistleblower das höchste Gut

    Trotz dieser Fortschritte gibt es allerdings berechtigte Kritik an dem im Vermittlungsausschuss erzielten Kompromiss. Der sieht zum Beispiel vor, dass Whistleblower sich bevorzugt an interne Stellen wenden müssen. Und die Verpflichtung, einen Kanal für anonyme Meldungen einzurichten, wurde gestrichen. 

    Hier setzt die nachvollziehbare Kritik – zum Beispiel von Transparency International – an. Anonymität ist für Whistleblower und Informanten sicher eines der höchsten, wenn nicht das höchste Gut. Gerade für die, die sich zum ersten Mal trauen, sollte das Angebot so niedrigschwellig wie möglich gehalten sein – sprich ihre Identität verborgen bleiben. Nur so kann Vertrauen entstehen. Zwar gibt es sehr gute technische Möglichkeiten zum Informantenschutz, aber wenn ein möglicherweise entscheidender Hinweis nicht gegeben wird, weil der Whistleblower seinen Klarnamen lieber nicht irgendwo in ein Meldesystem eingeben sehen möchte, dann kann das nicht im eigentlichen Sinne der Sache sein – einem verbesserten Umgang mit Fehlern in Unternehmen und Behörden und einem gestärkten Verantwortungsgefühl aller Mitarbeitenden für ihren Arbeitgeber. 

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