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Kommentar: Das Weltwirtschaftsforum in Davos muss für die Globalisierung kämpfen

Kommentar

Das Weltwirtschaftsforum in Davos muss für die Globalisierung kämpfen

Michael Kerler
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    Internationale Flaggen wehen auf dem Dach des Davoser Kongresszentrums, wo das Weltwirtschaftsforum (WEF) stattfindet.
    Internationale Flaggen wehen auf dem Dach des Davoser Kongresszentrums, wo das Weltwirtschaftsforum (WEF) stattfindet. Foto: Markus Schreiber, AP/dpa

    In Deutschland kann man die fatale wirtschaftliche Lage schwarz auf weiß ablesen. Um 0,3 Prozent ist die Wirtschaft 2023 geschrumpft. Das Land befindet sich in der Rezession. In solchen Situationen gibt es wenig zu verteilen, die Konflikte nehmen zu. Das erleben wir mit jedem Protest mehr, sei es der Bauern oder der Lokführer. Doch das Land ist mit seiner Misere nicht alleine, auch der weltweite Handel befindet sich in der Krise. Das globale Wachstum sinkt das dritte Jahr in Folge, insbesondere Entwicklungsländer sind betroffen. Weltbank-Chefökonom Indermit Gill warnt, dass die 2020er Jahre zu einem verlorenen Jahrzehnt werden könnten. Wenn sich hochrangige Vertreter der Politik und der Wirtschaft derzeit in Davos zum Weltwirtschaftsforum treffen, müssen sie sich dem Abbau des freien Handels entgegenstemmen. Ein Zurückdrehen der Globalisierung – eine De-Globalisierung – ist hochriskant. 

    Die Krise im Welthandel ist die Quittung für zunehmende Blockbildung und Protektionismus. Russland hat durch den Angriff auf die Ukraine die Verbindungen zur westlichen Welt gekappt. Auch die Rivalität zwischen den USA und China hat wirtschaftliche Folgen. Eben erst haben die Amerikaner den Export von Hochleistungschips nach China begrenzt, es droht eine Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen. Europa hat der Austritt Großbritanniens aus der EU belastet, für Großbritannien ist er schlicht ein ökonomisches Debakel. Seit den Versorgungsengpässen in der Corona-Pandemie diskutiert Europa zudem über eine Rückverlagerung der Produktion von Arzneimitteln, Chips oder Solarzellen. Neue Lieferkettenprobleme nach den Angriffen der Huthi-Rebellen im Jemen auf Handelsschiffe verleihen der Debatte neue Brisanz. 

    Einzelne Branchen in Bayern erwirtschaften 70 Prozent des Umsatzes im Ausland

    Der Zerfall des Welthandels ist allerdings mit massiven Nachteilen verbunden. Die bayerische Wirtschaft profitiert massiv vom Export, hunderttausende Arbeitsplätze sind damit verbunden. Einzelne Branchen wie die chemische Industrie, der Autobau und mancher Maschinenbauer erwirtschaften mehr als 70 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Neue Handelsschranken schaden da massiv. Kostenlos ist auch die Rückverlagerung der Produktion nicht, wenn man an die 10 Milliarden Euro (!) denkt, die der Bund für die Ansiedlung einer einzigen Chip-Fabrik – nämlich der von Intel – auf den Tisch blättern muss. 

    Ohne Frage, die massiven Wohlfahrtsgewinne der Globalisierung sind höchst ungleich verteilt. Börsenkonzerne schreiben selbst in diesen Krisenzeiten satte Gewinne. Und die fünf reichsten Menschen der Welt – Elon Musk, Jeff Bezos, Bernard Arnault, Larry Ellison und Warren Buffett – konnten nach Berechnungen der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam ihr Vermögen zwischen 2020 und 2023 mehr als verdoppeln, von 405 Milliarden Dollar auf satte 869 Milliarden. Den Bundeshaushalt könnten sie doppelt bezahlen. Gleichzeitig wurden fast fünf Milliarden Menschen, die ärmsten 60 Prozent, noch ärmer. In Deutschland entstanden Unmengen an Billigjobs. 

    Die Staaten müssen auch um das Vertrauen der Bürger ringen

    Für den Wohlstand ist es maßgeblich, dass Handel funktioniert. Die Gespräche in Davos haben richtigerweise das Ziel, Vertrauen wiederherzustellen. Gerungen werden muss um das Vertrauen der Staaten untereinander, zuallererst um Frieden. Gerungen werden muss aber auch um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Am besten geht dies mit fairen Löhnen und einem Staat, der zu seiner Finanzierung alle Bevölkerungsgruppen angemessen heranzieht, nicht nur die Mittelschicht. 

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