Die deutschen Wachstumszahlen und die Ergebnisse der Fußball-Nationalmannschaft gleichen sich auf erschreckende Weise. So schlecht hat dieses Land wirtschaftlich wie balltechnisch lange nicht mehr gespielt. Auf beiden Feldern fehlt eine klare Besserungs-Strategie. National-Trainer Flick beschönigt wenigstens die Lage nicht, während Bundesregierungs-Spielleiter Scholz stur behauptet, die Aussichten für unsere Wirtschaft seien sehr gut.
Der Optimismus von Olaf Scholz in Bezug auf die Konjunktur ist unangebracht
Die ökonomischen Fakten sprechen leider eine ernüchterndere Sprache: Deutschland ist in eine, wenn auch milde Rezession abgerutscht. Die Bürger kaufen weniger als früher. Damit reagieren sie vernünftig auf die hohe Inflation und damit vor allem die Folgen massiv gestiegener Energiepreise. Auch wenn die Teuerung zuletzt offiziell über alle erfassten Warengruppen hinweg auf 6,1 Prozent zurückgegangen ist, liegt die von vielen Menschen gefühlte Inflation nach einer Allianz-Studie mit 18 Prozent fast dreimal so hoch. Der Effekt lässt sich erklären: Verbraucher stoßen im Supermarkt auf Artikel, deren Preis im Vergleich zur Vor-Krisenzeit um weit mehr als 6,1 Prozent in die Höhe geschnellt ist.
Deswegen sitzt bei immer mehr Menschen das Geld nicht mehr so locker. Damit hat der Konsum seine lange, auch während der Corona-Zeit tragende Rolle als Konjunktur-Stütze eingebüßt. Die wirtschaftlichen Aussichten sind folglich nicht „sehr gut“, sondern allenfalls mäßig. Der Zweck-Optimismus von Scholz wiegt die Bürger in falscher Sicherheit. Die Konjunkturforscher sind sich einig: Im Idealfall entkommt Deutschland – auf das ganze Jahr gerechnet – knapp einer Rezession, verharrt aber in einer Stagnation. Ob Rezession oder Stagnation: Ein Blick in eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung offenbart die neue deutsche Wachstumsschwäche. Unter den 20 führenden Industrieländern der Welt schneiden nur die Kriegs-Nation Russland und das chronische Krisen-Land Argentinien schlechter ab als wir.
Ohrfeige der OECD sollte für eine wirtschaftliche Zeitenwende sorgen
Die OECD-Ohrfeige sollte rasch zu einer Standort-Debatte führen. Es nützt nichts, sich die Lage wie Scholz schönzureden und auf den robusten Arbeitsmarkt, ja die vielerorts herrschende Vollbeschäftigung zu verweisen. Das ist zwar eine erfreuliche Tendenz, aber auch das Ergebnis der demografischen Entwicklung. Durch die sich in den nächsten Jahren dramatisch verschärfende Überalterung der Gesellschaft sind junge Arbeitskräfte rar. Manche Betriebe geraten in Panik und stellen auf Vorrat Beschäftigte ein. Der Sondereffekt darf nicht den Blick auf die überwiegend problematischen Standort-Daten vernebeln. Die Liste der Nachteile ist viel zu lang: Sie reicht von zu hohen Steuern, im Schnitt zu wenigen Arbeitsstunden, international betrachtet zu üppigen Industrie-Löhnen, mangelnder Digitalisierung bis hin zur deutschen Krankheit, die das Wirtschaftsspiel verlangsamende Bürokratie.
So warnt Professor Wollmershäuser, der erfahrene Ifo-Konjunkturforscher, davor, das deutsche Modell stehe massiv unter Druck. Das Erfolgsprinzip bestand lange darin, etwa mit günstigem russischem Gas sonst teure Standortfaktoren auszugleichen und wie zum Beispiel BASF weltweit begehrte chemische Produkte herzustellen.
Da das grüne, durch die Energiewende befeuerte Wirtschaftswunder auf sich warten lässt, muss die Regierung wie einst SPD-Mann Schröder Reformen anpacken und jetzt eine Agenda 2030 auf den Weg bringen. Eine wirtschaftliche Zeitenwende, wie sie FDP-Chef Lindner fordert, ist überfällig.