Wenn die Ampel-Koalition erwartungsgemäß zustande kommt, müssen die Grünen aufpassen. Denn es gibt einen immer häufiger aufblitzenden Kampfbegriff gegen sie: Die Rede ist von der grünen Inflation, also einer Teuerung, die neben ohnehin anziehenden Energie- und Nahrungspreisen auch auf Schritte zum Klimaschutz zurückzuführen ist. Wenn der Preisauftrieb von zuletzt 4,1 munter Richtung fünf Prozent marschiert und neue Negativrekorde an den Zapfsäulen für Aufschreie sorgen, hat die Dreier-Bande ein dickes Problem.
Wenn die Ampel-Koalition zusätzliche Energiepreis-Treiber erfindet, wird der Kampfbegriff von der grünen Inflation an Durchschlagskraft gewinnen
Sollten die Grünen durch zusätzliche Klimaschutz-Regelungen zum weiteren Inflationsanstieg beitragen, kann die noch auf der Intensivstation liegende Unions-Opposition mit dem Wundermittel der grünen Inflation die Lebensgeister wecken. Ein Liter Benzin für zwei Euro ist in einem Flächenland wie Deutschland schwer vermittelbar. Und nicht jeder kann sich meist noch teure Elektroautos leisten, zumal es nicht ausreichend gebrauchte, günstigere Stromer gibt.
Auf alle Fälle sind angesichts nicht enden wollender Preissteigerungen schon jetzt Entlastungen für Menschen mit geringem Einkommen unausweichlich. Die Politik kann das Thema nicht laufen lassen, sonst wird die Explosion bei den Sprit- und Heizpreisen zum Dauer-Aufreger des Winters, ja zieht sich in das Frühjahr hinein.
Wenn dann die Ampel-Koalition zusätzliche Energiepreis-Treiber erfindet, wird der Kampfbegriff von der grünen Inflation an Durchschlagskraft gewinnen. Dabei zeichnet sich ab, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nicht so stark zulegt, wie noch im Frühjahr von den führenden Konjunktur-Forschungsinstituten erhofft. Statt 3,7 sollen es nur 2,4 Prozent werden.
Fahrzeughersteller können die immense Nachfrage nicht bedienen, weil ihnen Halbleiter-Produkte fehlen
Doch die Volkswirtinnen und Volkswirte hoffen darauf, das in diesem Jahr verpasste Wachstum könne 2022 mit einem stärkeren Plus als gedacht nachgeholt werden. Ob es so weit kommt, hängt maßgeblich vom Hauptaufschwung-Fresser dieses Jahres, nämlich dem Chip- und Rohstoffmangel, ab. Nachdem sich viele Unternehmen – allen voran die Autobauer – nach der Überwindung des Corona-Desasters sehr gut erholt haben, ja auf Rekordkurs gegangen sind, wurden sie bereits im Herbst ausgebremst.
Fahrzeughersteller können die immense Nachfrage nicht bedienen, weil ihnen Halbleiter-Produkte fehlen. So wird bei Audi in Ingolstadt die Produktion in dieser Woche auf einer Linie eingestellt und auf zwei weiteren stark eingeschränkt. Wieder muss zum Instrument der Kurzarbeit gegriffen werden. Dabei ist für die gesamte deutsche Industrie ungewiss, wann sich die Lage deutlich entspannt. Im Idealfall passiert das ab Anfang 2022 und Mitte des kommenden Jahres ist wieder alles gut.
Nur wenn die Teuerung sich wieder auf zwei Prozent einpendelt, ist Spielraum für zusätzliche Klima-Auflagen vorhanden
Es fällt jedoch auf, dass es aus der ökonomischen Zunft erste Zweifel an der optimistischen Variante gibt. Nach Lesart der noch deutlich in der Minderheit befindlichen Sachverständigen wird sich weder das Inflationsgespenst so rasch verziehen noch der Chip-Mangel schon im Frühjahr in Luft auflösen. Beides wäre aber eine wichtige Voraussetzung für einen kraftvollen Start der neuen Koalition.
Nur wenn die Teuerung sich wieder auf zwei Prozent einpendelt, ist Spielraum für zusätzliche Klima-Auflagen vorhanden, die auch gesellschaftlich akzeptiert werden. In der Fachwelt wird nämlich spekuliert, dass ein höherer CO2-Preis zu einem Inflationsaufschlag um 0,5 Prozentpunkten führt. Eine mutigere Klimapolitik ist zwar überfällig, sie muss allerdings die Menschen mitnehmen – gerade solche mit geringerem Einkommen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie die SPD den Grünen all das schonend nahebringt.