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Kommentar: Bremst die Inflation! Bundesregierung und EU müssen handeln

Kommentar

Bremst die Inflation! Bundesregierung und EU müssen handeln

Michael Kerler
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    Vieles in Deutschland wird so schnell teurer wie lange nicht - besonders Energiepreise und die Kosten für Kraftstoff schießen weiter in die Höhe.
    Vieles in Deutschland wird so schnell teurer wie lange nicht - besonders Energiepreise und die Kosten für Kraftstoff schießen weiter in die Höhe. Foto: Daniel Bockwoldt, dpa

    Inflation ist ein abstraktes Wort. Im Alltag bedeutet es, dass ein Brot, ein Bier, ein Straßenbahnticket und das Stück Butter teurer werden. Bankguthaben verlieren schleichend an Wert. Statt eines großen Autos kann man sich nur ein kleines kaufen, ein Altenheimplatz lässt sich einige Jahre weniger bezahlen.

    Die Dramatik ist inzwischen groß: Im September lag die Inflationsrate in Deutschland bei zehn Prozent, so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. Freilich, dafür, dass Inflation angesichts der Erfahrung der Hyperinflation in der Weimarer Republik eine "Urangst" der Deutschen sein soll, ist es im Land noch erstaunlich ruhig. Demos gegen die hohe Inflation gibt es kaum. Die Gefahr liegt aber darin, dass sich die Unzufriedenheit schleichend aufbaut. Dass Frust die Mittelschicht durchdringt und das Gefühl, dass man mit aller Anstrengung und Arbeit am Ende doch nicht weiterkommt. Die Anfälligkeit für Populisten, die Abkehr von den seriösen Parteien könnte sich schnell verschärfen. Umso erstaunlicher ist, dass der Kampf gegen die Inflation nicht überzeugend geführt wird.

    Kampf gegen die Inflation wird nicht überzeugend genug geführt

    Ursache der Misere ist selbstverständlich der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Inflationstreiber Nummer eins sind die gestiegenen Preise für Gas, Öl, Strom.

    Einen Teil der Schuld trägt aber auch die Energiepolitik der Bundesregierung. Sie kauft zwar Gas auf den Weltmärkten, verlängert die Atomlaufzeiten. Das Problem aber ist, dass die Menschen im Land nicht mehr erwarten, dass Energie bald wieder günstiger wird. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck viel vom Ausbau der Windkraft gesprochen hat, der Ausbau in der Realität aber weiter auf der Stelle tritt. Es kann auch daran liegen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger fragen, was nach der Abschaltung von Kohle und Atom kommen soll außer neuer Mangel und teure Preise.

    Den zweiten, größeren Teil der Schuld trägt wahrscheinlich die Europäische Zentralbank. Antwort Nummer eins auf eine anziehende Inflation ist es, die Leitzinsen zu erhöhen. Die EZB ließ sich aber länger als andere Notenbanken Zeit zu reagieren, als nach der Corona-Krise die Preise bereits begannen anzuziehen. Das Vertrauen verspielt hat Notenbankchefin Christine Lagarde, als sie die Inflation noch bis vor wenigen Monaten als vorübergehendes Phänomen abtat. Mittlerweile liegt die Inflation im Euroraum ebenfalls nahe zehn Prozent, im Baltikum über 20 Prozent, in Estland bei 24. Die bisherigen Leitzinserhöhungen können nur ein erster Schritt gewesen sein. Würde die EZB agieren wie seinerzeit die Bundesbank, müsste sie die Zinsen mindestens auf fünf, sechs, sieben Prozent setzen. Wer traut das der EZB zu? Die Wirtschaft würde abgewürgt werden, stark verschuldete Euroländer würden in die Krise rutschen.

    Bundesregierung und EU müssen Energie vergünstigen

    Das Problem ist, dass die Bürgerinnen und Bürger angesichts dessen gar nicht mehr mit einer schnellen Normalisierung rechnen. Die Inflationserwartungen für die kommenden fünf Jahre liegen einer neuer Erhebung der Bundesbank zufolge im Schnitt bei sechs Prozent. Verfestigen sich solche Erwartungen, bewahrheiten sie sich meistens auch: Gewerkschaften stehen dann unter Druck, für höhere Löhne einzutreten (wer mag es ihnen verdenken?), dem Handel fällt es leichter, die Preise zu steigern.

    Damit die Situation nicht außer Kontrolle gerät und ein Jahrzehnt der Inflation vor der Türe steht, ist beherztes Handeln gefragt. Die Regierung, die EU müssen überzeugend erklären, wie Energie eines Tages günstiger zu bekommen sein wird. Und die EZB muss bei ihrer Zins-Sitzung am Donnerstag, statt zu beschwichtigen, ein überzeugendes Signal senden, dass sie die Teuerung nicht hinnimmt.

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