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Kommentar: Arbeitskräfte sind knapp, das gibt den Beschäftigten eine neue Macht

Kommentar

Arbeitskräfte sind knapp, das gibt den Beschäftigten eine neue Macht

Stefan Stahl
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    Zuletzt gab es auch bei der Lufthansa Streiks.
    Zuletzt gab es auch bei der Lufthansa Streiks. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa

    Das ist ein in vieler Hinsicht bemerkenswerter Tarifabschluss: Dass rund 20.000 Beschäftigte, die für die Lufthansa am Boden arbeiten, monatlich 377 bis 498 Euro mehr Lohn bekommen, wäre in der Vor-Corona-Zeit undenkbar gewesen. Auch mit mehreren Warnstreik-Wellen hätte die Gewerkschaft Verdi einen solch großen Erfolg mit prozentual zweistelligen Zuwächsen kaum eingeflogen.

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen nun nicht nur in den Genuss eines Inflationsausgleichs, was schon eine feine Sache ist. Als Milchschaum auf ihrem Kaffee obendrauf steigen real auch ihre Gehälter. Mit einem kräftigen Warnstreik-Rumms, durch den Flughäfen in Deutschland weitgehend lahmgelegt wurden, hat die Gewerkschaft das Maximale herausgeholt. Das ist nicht so sehr ihrer geschickten Verhandlungsführung, sondern einer extrem geschwächten Position der Arbeitgeberseite zu verdanken.

    In dem Lufthansa-Abschluss steckt eine Botschaft

    So steckt in dem Abschluss eine Botschaft, die für weitere Tarifrunden bedeutsam ist: Denn die für Lufthansa am Boden arbeitenden Frauen und Männer sind wie Menschen in vielen anderen Wirtschaftszweigen, etwa in der Gastronomie oder im Gesundheitssektor, einer hohen Belastung und einem personellen Aderlass ausgesetzt. Verdi hat hochgerechnet, dass in Deutschland allein bei den Bodenverkehrsdiensten in den Corona-Jahren bis zu 60 Prozent der Beschäftigten ausgeschieden seien und der Krankenstand der verbliebenen Kräfte bei 20 Prozent liege. Im Umkehrschluss heißt das: Das noch aktive Team ist extrem gefordert. Aus Sicht der Lufthansa besteht die Gefahr, dass weitere Beschäftigte gehen und sich das durch den Personalmangel herrschende Chaos vergrößert. Für einen Arbeitgeber sind das schlechte Bedingungen, um Tarifverhandlungen zu führen.

    Damit zeichnete sich während der Lohnrunde ab, dass der Konzern einen hohen finanziellen Preis zahlen muss, um das Personal zu halten. Eine Mitarbeiterin wurde mit dem entscheidenden Satz der Tarifrunde zitiert: „Das Einzige, was jetzt noch hilft, ist Geld.“

    Der Lufthansa-Anschluss markiert einen Bruch in der deutschen Tarifgeschichte

    Dabei hören sich Äußerungen von Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann an, als ob er ein Gewerkschafter wäre: „Es war uns wichtig, die unteren und mittleren Einkommensgruppen überproportional zu berücksichtigen. Damit werden wir der sozialen Verantwortung für unsere Beschäftigten gerecht.“ Der Lufthansa-Abschluss gilt zwar nur für eine relativ kleine Gruppe, er stellt aber eine Zäsur in der deutschen Tarifgeschichte dar: Denn in vielen anderen Branchen ist ein Gut ebenfalls besonders knapp, nämlich Arbeitskräfte. Nach einer Umfrage des Ifo-Institutes leiden fast die Hälfte der Unternehmen unter Fachkräftemangel. Beschäftigte müssen Firmen also lieb und teuer sein.

    Wenn die Nachfrage groß und das Angebot begrenzt ist, steigt der Preis. Das geht mit einer neuen Macht der Arbeitnehmer einher. Damit müssen sie und die Gewerkschaften verantwortungsvoll umgehen. Schließlich hilft es ihnen am Ende wenig, wenn Arbeitgeber derart hohe Löhne berappen müssen, dass sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Und tendenziell heizen zu kräftige Gehaltssteigerungen die Inflation an, was neue Begehrlichkeiten nach noch opulenteren Löhnen weckt.

    Eines zeigt der Lufthansa-Tarifkonflikt auch exemplarisch auf: Der Konzern hätte in der Krise – wie es viele Mittelständler getan haben – alles daransetzen müssen, Personal zu halten. Dass dies nicht ausreichend gelang, kommt dem Unternehmen nun teuer zu stehen.

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