Der Kirschanbau ist eine heikle Angelegenheit. Eine Frostnacht im Frühling kann die Ernte ebenso ruinieren wie ein kurzer Hagelschauer im Sommer. Dazu kommen weitere Unabwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel: Lässt Starkregen künftig noch mehr Kirschen platzen? Drohen lange Trockenphasen? In der Fränkischen Schweiz ist der Kirschanbau mehr als ein Teilbereich der Landwirtschaft - er ist auch touristisches Aushängeschild der Region. Doch die Herausforderungen sind groß.
Ihnen stellt man sich am Obst-Informationszentrum Fränkische Schweiz in Hiltpoltstein. Unter Trägerschaft des Landkreises Forchheim werden hier Versuche durchgeführt rund um Kirsche und Zwetschge. Das jüngste Versuchsfeld wurde im vorigen Herbst angepflanzt, bei einem aktuellen Forschungsprojekt ist auch das Landwirtschaftsministerium mit im Boot.
Chef Jonas Maußner und sein Team testen hier beispielsweise neue, anpassungsfähige Sorten - die später blühen, damit der Frost im Frühjahr sie nicht schädigen kann. Und sie prüfen, wie die Früchte vor Hagel, Starkregen oder Sonnenbrand bei extremer Hitze am besten zu schützen sind. «Kulturschutz wird immer wichtiger», sagt Maußner.
Regenwasser sammeln für trockene Phasen
Das gilt auch für Bewässerungsanlagen: Das Info-Zentrum plant derzeit einen großen Speicher für Wasser, das an den Dächern abfließt - das soll dann bei Bedarf in die Tröpfchenbewässerung der Bäume gelangen. «Wir sammeln Wasser auf für trockene Zeiten.» Bewässerungssysteme seien bei den Obstanbauern in der Fränkischen Schweiz noch nicht weit verbreitet, hat Maußner beobachtet: «Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft.»
Trotz der Herausforderungen durch das Wetter glaubt Maußner an die Zukunft des Kirschanbaus in der Fränkischen Schweiz: Es sei hier nicht so trocken wie in Unterfranken, es gebe weniger heftigen Niederschlag als am Bodensee, die mittelschweren Böden könnten Wasser gut speichern: «Die Bedingungen sind gut.» Allerdings: Derzeit spüre man den Generationswechsel bei den Betrieben, die oft im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Nicht jeder mögliche Betriebsnachfolger wolle seine Freizeit für den Obstanbau opfern.
Bürokratie, Mindestlohn, Schädlinge
Dazu kämen weitere Hemmnisse: Der Aufwand hinsichtlich der Bürokratie sei groß, der Mindestlohn sowie strenge Vorschriften beim Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung verschärften den Konkurrenzdruck mit ausländischen Anbietern, die oft weniger rigide beim Thema Pestizide seien.
Es sei wichtig, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln genau zu steuern - und möglichst zu reduzieren, sagt Maußner. Auch biologische Maßnahmen zur Bekämpfung würden erprobt. Aktuell seien Baumwanzen ein großes Problem, sie seien «sehr fruchtschädigend». Maußner warnt auch vor eingeschleppten Schädlingen: Hier fehlten oft wirksame Mittel, um gegen sie vorzugehen.
Maußner ist jedoch überzeugt, dass sich auch weiterhin jüngere Menschen für den Obstanbau in Franken motivieren lassen. Er setzt auf Digitalisierung und Mechanisierung. Schon jetzt werde mit Sensoren gearbeitet, um etwa Bodenfeuchte zu messen. Derzeit laufe zudem ein Projekt, um bei Drohnen-Überflügen über den Bestand Informationen zu sammeln - etwa hinsichtlich der Ertragserwartung. «Die Produktion muss effizienter werden», sagt der Experte. «Die Mechanisierung wird zunehmen.» Der Weinbau sei hier schon weiter, doch auch im Obstanbau gebe es Möglichkeiten, weniger auf Handarbeit angewiesen zu sein - etwa durch mechanische Schnittgeräte.
Freiflächen-Photovoltaik über den Obstbäumen?
Die neueste Idee auf der Versuchsanlage: Eine Freiflächen-Photovoltaikanlage, unter der Obstbäume gedeihen sollen. Die Agri-PV-Anlage soll als Schutz der Früchte fungieren und zugleich Strom liefern - für die Kühlräume beispielsweise. Maußner glaubt, dass Sonderkulturen wie Kirsche oder Zwetschge gut geeignet sind, um unter einer Agri-PV-Anlage zu gedeihen.
Mit den Kirschen auf der Versuchsanlage selbst hatten Maußner und seine Kollegen in diesem Jahr Pech: Totalausfall nach Frost im Frühling. So erging es auch einigen anderen Kirschbauern in Bayern. Das Landesamt für Statistik in Fürth meldete vor wenigen Tagen ernüchternde Zahlen. Rund 1,93 Millionen Kilo Kirschen werden laut einer ersten Schätzung die Kirschbauern in Bayern heuer ernten - das sind 31 Prozent weniger als im Vorjahr.
Die Gründe für den schlechten Ertrag sind klar: Im Frühjahr gab es Frostschäden, später kamen Starkregen und Hagel und zerstörten viele Früchte. Weil der Kirschanbau durch das Wetter so stark beeinflusst wird, schwanken die Erntemengen von Jahr zu Jahr stark.
Berühmtes Kirschanbaugebiet
Berühmt für den Kirschanbau ist vor allem die Fränkische Schweiz: Die Region im Städtedreieck Bayreuth-Nürnberg-Forchheim gilt als eines der größten zusammenhängenden Kirschanbaugebiete in Europa mit rund 250.000 Kirschbäumen auf 25 Quadratkilometern. Ein weiterer Anbauschwerpunkt liegt in Unterfranken.
Auch Thomas Riehl vom Verein Fränkische Obstbauern sieht die Anbauer mit vielerlei Herausforderungen konfrontiert: Witterungsbedingte Einflüsse seien nicht das einzige Problem. Bürokratische Auflagen zum Beispiel würden viel Zeit und Geld kosten. Außerdem seien immer weniger wirksame Pflanzenschutzmittel verfügbar.
«Der enorme Preisdruck durch Teile des Lebensmittelhandels ist letztendlich ein weiterer Aspekt, der die Wirtschaftlichkeit von Betrieben in Frage stellt.» Wie sich der Obstanbau in Franken, aber auch in anderen Regionen Deutschlands, weiter entwickle, hänge deshalb auch davon ab, wie die Verbraucher regionale Produkte wertschätzten.
Kirschen und andere Früchte werde man künftig vermehrt schützen müssen vor witterungsbedingten Risiken wie Hagel oder Trockenheit: «Der Obstanbau wird dadurch aufwendiger und teurer. Auch hier wird die Frage, ob der regionale Anbau künftig eine Perspektive hat, von der politischen aber auch gesellschaftlichen Unterstützung abhängen.»
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