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Schließungen & Insolvenz: Wie der Modehandel in die Krise gerutscht ist

Kleidung

Wie der Modehandel in die Krise gerutscht ist

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    Ausgeräumt ist diese Hallhuber-Filiale in der Augsburger City Galerie. Das Unternehmen hatte Insolvenz beantragt.
    Ausgeräumt ist diese Hallhuber-Filiale in der Augsburger City Galerie. Das Unternehmen hatte Insolvenz beantragt. Foto: Michael Kerler

    Unternehmen wie Wöhrl haben die Sanierung bereits hinter sich, Peek & Cloppenburg musste sie dieses Jahr stemmen. Auch die Augsburger Modekette Rübsamen muss Standorte schließen. Am härtesten traf es 2023 wohl die Münchner Bekleidungskette Hallhuber. Der Spezialist für Damenbekleidung musste im Frühling Insolvenz anmelden. Jetzt machen alle der rund 130 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu, ganze 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen. Das Aus ist wohl endgültig. "Derzeit finden keine Gespräche mit möglichen Interessenten für Hallhuber oder für die Marke statt", sagt Frank Elsner, Sprecher des Sachwalters. Der Modehandel scheint in der Krise zu stecken. Wie lässt sich die Entwicklung erklären? Und wo führt sie hin?

    Ein Händler ist darauf angewiesen, dass Menschen seine Waren abnehmen. Kaufen die Bundesbürger einfach weniger Kleidung? Zum Teil ist es wohl so. Petra Dillemuth von Consumer Panel Services GfK in Nürnberg beobachtet das Einkaufsverhalten. Dieses ist in den vergangenen Jahren stark von der Corona-Pandemie geprägt worden. Die Auswirkungen sind bis heute zu spüren. "In der Corona-Pandemie sind die Leute weniger ins Theater, zu Feierlichkeiten, ins Unternehmen gegangen, dementsprechend brauchten sie weniger Kleidung“, sagt sie. Die Umsätze sackten 2020/21 ab. Inzwischen geht man wieder aus und der Bedarf an neuer Kleidung steigt, jetzt belasten aber steigende Preise für Lebensmittel oder Energie das Einkaufsverhalten, erklärt sie.

    Die Menschen müssen haushalten. „Im Modebereich bewegen sich die Umsätze auf dem Niveau wie vor der Corona-Krise, es gibt aber weniger Käufer“, sagt Dillemuth. Es gebe Käufergruppen, die unterhalb des Vor-Corona-Niveaus verharren, weil sie festgestellt haben, dass sie mit weniger Kleidung auskommen. Die Leute sparen zudem. Die Marktforscher haben lange Jahre beobachtet, dass die Bedeutung von Qualität gegenüber dem Preis zugenommen hat. „Das hat sich in diesem Jahr gedreht. Das Preisbewusstsein steigt im Vergleich zum Qualitätsbewusstsein“, sagt Dillemuth. 

    Immer mehr Insolvenzen: Inflation und hohe Kosten belasten Modehändler

    Das Grundproblem der Modehändler seien nach wie vor die hohen Kosten und die Inflation, die einerseits das Einkaufsbudget vieler Kunden verringern und andererseits die Modehändler massiv belasten – und als Folge oft in die roten Zahlen treiben, sagt auch Axel Augustin, Geschäftsführer des BTE Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren. "Hauptursache ist vor allem der Krieg in der Ukraine mit allen seinen Folgen, die kaum zu beeinflussen sind."

    Das Modehaus Rübsamen in Aichach schließt Ende Januar 2024.
    Das Modehaus Rübsamen in Aichach schließt Ende Januar 2024. Foto: Redaktion Aichach

    "Den deutschen Bekleidungsherstellern geht es zurzeit durchwachsen", berichtet dementsprechend Thomas Lange, Hauptgeschäftsführer des Mode-Verbandes GermanFashion: "Wir stellen eine große Schere fest zwischen einigen, denen es sehr gut geht und die gesundes Wachstum erleben sowie einer breiten Mitte, die klarkommt, aber auch vielen, die zu kämpfen haben."

    Gerrit Heinemann, Hochschule Niederrhein: Konzentrationsprozess im Handel erfasst den Mode-Bereich

    Professor Gerrit Heinemann beschäftigt sich seit Jahren an der Hochschule Niederrhein und dem dortigen eWeb Research Center mit der Entwicklung des Handels. Er sieht auch, dass die Bundesbürger sparen. "Es gibt eine generelle Kaufzurückhaltung, die Inflation belastet die Kaufkraft", sagt er. Der Mode-Bereich sei noch nicht bei den Umsätzen des Vor-Corona-Jahres 2019 angekommen. Dazu haben dieses Jahr auch der sehr warme September und Oktober Auswirkungen auf das Weihnachtsgeschäft, sodass dieses nicht richtig angelaufen sei. Doch die Gründe für die Krise in der Branche gehen tiefer, ist er überzeugt.

    Im Handel, so Heinemann, findet ein genereller Konzentrationsprozess statt. Im Lebensmittelhandel deckten bereits vier Supermarktketten rund 80 Prozent des Marktes ab. Der Modehandel werde sich diesem Trend nicht entziehen können. "Die Fashion-Branche ist noch sehr kleinteilig. Der Strukturwandel hat hier verzögert eingesetzt, aber er findet statt", sagt der Forscher. In der Corona-Krise sei durch üppige staatliche Hilfen der Wandel gebremst worden. "Viele Händler haben ihre Kernprobleme nicht gelöst und auf das Prinzip Hoffnung gesetzt." Jetzt aber müssen viele Corona-Hilfen zurückgezahlt werden. "Dies wird für viele Händler das Aus bedeuten", prognostiziert der Forscher.

    Shein, Temu & Co: Die heimlichen Angreifer auf dem Modemarkt

    Zudem erwächst den klassischen Händlern neue Konkurrenz: "Heimliche Angreifer wie der chinesische Händler Shein setzen die Modehäuser zusätzlich unter Druck", sagt Heinemann. Shein setzte 2022 weltweit rund 30 Milliarden Euro um. "Dort gibt es Mode fast zum Nulltarif, gerade junge Käuferschichten zieht das an." Marken wie Adidas, Nike oder Boss verkaufen ihre Produkte über eigene Online-Shops und sichern sich weitere Teile vom Kuchen. Aktionstage wie der Black Friday reißen das Ruder nicht wirklich herum.

    "Die Konzentration und Konsolidierung wird ähnlich wie im Lebensmittelbereich auch den Modehandel erfassen", sagt Forscher Gerrit Heinemann.
    "Die Konzentration und Konsolidierung wird ähnlich wie im Lebensmittelbereich auch den Modehandel erfassen", sagt Forscher Gerrit Heinemann. Foto: Karlheinz Schindler, dpa

    "Insgesamt sind die klassischen Mehr-Marken-Händler eher Auslaufmodelle, die abgelöst werden von Ein-Marken-Händlern wie H&M oder Zara", sagt Heinemann. "Die Konzentration und Konsolidierung wird ähnlich wie im Lebensmittelbereich auch den Modehandel erfassen." Es gebe aber natürlich auch Gegenbeispiele. "Es gibt im Mode-Bereich kleine oder mittelständische Unternehmen, die Marktführer in ihren Städten sind, sich behaupten und die Stadt mitgestalten." Breuninger mit dem Stammhaus in Stuttgart und Filialen unter anderem in München und Nürnberg habe deshalb zuletzt den Deutschen Handelspreis gewonnen.

    Neue Vertriebswege, kaufkräftige Kundschaft, Rückkehr in die Läden vor Ort: Die Chancen sind da

    Chancen sieht auch Handelsverbands-Geschäftsführer Augustin: Es treffe nicht alle Kunden und damit Geschäfte gleichermaßen. "Wer eine gut situierte Kundenklientel bedient, hat in der Regel deutlich weniger Probleme", sagt er.

    Von Januar bis August 2023 verzeichnet die Branche ein Umsatz-Plus von rund 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, berichtet der Verband GermanFashion – "wobei mehr Umsatz zurzeit mitnichten mehr Gewinn bedeutet", fügt Hauptgeschäftsführer Lange an. "Trotz aller Probleme herrscht eine kämpferische Stimmung", sagt er. "Ob die Lösung Influencer heißt, neue Exportmärkte oder Vertriebswege, das muss jedes Unternehmen mit Blick auf die Zielgruppen, das Produkt und die Möglichkeiten bestmöglich selbst entscheiden."

    Das Modehaus Breuninger in Stuttgarts Innenstadt.
    Das Modehaus Breuninger in Stuttgarts Innenstadt. Foto: Marijan Murat, dpa

    Hoffnung könnte den stationären Händlern auch machen, dass die Menschen nach Erkenntnis des Consumer Panel Services GfK wieder vermehrt in die Läden kommen und nicht nur online bestellen.

    Zu warm für Wintermode: Spielt bald auch das Wetter mit?

    Und was bringt das kommende Jahr? "Der Umsatz in der Branche wird inflationsgetrieben im Vergleich zum Vorjahr wohl steigen. Dass wesentlich größere Stückzahlen verkauft werden, ist aber nicht zu erwarten", sagt Forscherin Dillemuth.

    Hilfreich, sagt Handelsexperte Augustin, wäre auf jeden Fall, wenn das Wetter mitspielt. Da viele Kunden – vor allem Männer – immer noch nach Bedarf einkaufen, würde eine baldige Kältewelle sicher die Umsätze befördern.

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