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Justiz: VW-Abgas-Skandal: "Mister Audi" zu Bewährungsstrafe verurteilt

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VW-Abgas-Skandal: "Mister Audi" zu Bewährungsstrafe verurteilt

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    Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Automobilherstellers Audi, wurde vom Landgericht München II wegen Betrugs verurteilt.
    Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Automobilherstellers Audi, wurde vom Landgericht München II wegen Betrugs verurteilt. Foto: Matthias Schrader, AP Pool/dpa

    Als Richter Stefan Weickert sein Großwerk vollbracht hatte, als sein Urteil, das Urteil zum ersten Strafprozess des Abgas-Skandals, begründet hatte, da waren alle Verfahrensbeteiligten dieses 172 Prozesstage währenden Mammutverfahrens hinlänglich erschöpft. Weickert, der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München II, hatte zuvor über Stunden dargelegt, warum der vormalige "Mister Audi", der Ex-Vorstandsvorsitzende und Ex-VW-Vorstand Rupert Stadler, schuldig des Betrugs sei. Er und seine beiden weniger prominenten Mitangeklagten, der Ex-Audi-Motoren-Entwickler und frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie der deutlich weiter unten in der Konzern-Hierarchie stehende Ingenieur Giovanni P. Alle drei nahmen das Urteil – soweit erkennbar – regungslos zur Kenntnis. 

    Ex-Audi-Chef Rupert Stadler bekommt ein Jahr und neun Monate

    Alle drei verurteilte die Kammer zu Bewährungsstrafen und Geldauflagen: Stadler bekommt ein Jahr und neun Monate. Ferner muss er 1,1 Millionen Euro zahlen. Hatz verurteilt das Gericht zu zwei Jahren und 400.000 Euro, P. zu einem Jahr und neun Monaten samt 50.000 Euro. Ferner müssen sie für die Verfahrenskosten aufkommen. Dazu kommen ihre Anwaltskosten. Wohl keine Kleinigkeit, denn der Prozess läuft seit September 2020. Allein die Ermittlungsakten umfassen 40.000 Seiten. Das Verfahren gegen den ursprünglich vierten Angeklagten, einen weiteren Motorenentwickler, den Kronzeugen der Staatsanwaltschaft, war vor Monaten eingestellt worden.

    Mit dem Schuldspruch ist in dem 2015 aufkommenden Abgas-Skandal einerseits erstmals ein ehemaliger Vorstandsvorsitzender im VW-Reich verurteilt worden. Zwar ist Stadler der prominenteste der nun Verurteilten und war in führender Position im Volkswagen-Konzern beschäftigt. Allerdings hatte andererseits selbst Staatsanwalt Nico Petzka in seinem Plädoyer erklärt, dass es im Audi-Verfahren nicht "die Hauptverantwortlichen" gebe. Bei Stadler ging es auch nicht darum, dass er etwa veranlasst hätte, dass die Software in den fraglichen Dieselmotoren manipuliert wurde. Vielmehr war er angeklagt, weil er nach Auffliegen der Diesel-Affäre 2015 in den USA nichts dagegen tat, dass die betroffenen Autos weiter verkauft wurden – obwohl sich bei ihm laut Gericht spätestens seit Juli 2016 die "gefestigte Erkenntnis" gebildet habe, dass Wagen manipuliert worden sein könnten. 

    Landgericht München spricht im Audi-Urteil von Betrug durch Unterlassung

    Das Gericht legte Stadler zur Last, dass durch das, was er unterließ – denn darum geht es bei ihm: Betrug durch Unterlassung - letztlich rund 17.000 manipulierte Autos über die Händler und Vertragspartner auf den europäischen Markt kamen. Schaden: Rund 41 Millionen Euro. P. und Hatz machte die Kammer dagegen für rund 95.000 (überwiegend auf dem US-Markt verkaufte) Wagen und einen Schaden von 2,3 Milliarden Euro verantwortlich. Die Kammer ging dabei davon aus – und das dürfte für die vielen hiesigen Schadensersatzklagen interessant sein -, dass sich der Wert der Autos durch die Manipulationen in Deutschland um rund fünf Prozent minderte. 

    Stadler, der zwischenzeitlich in U-Haft war, hatte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe über Jahre bestritten, aber nach über 160 Verhandlungstagen doch noch ein vollumfängliches Geständnis abgelegt, beziehungsweise: verlesen lassen. Diesem mit vielen Konjunktiven bestückten Geständnis war ein Deal vorausgegangen: Sollte Stadler auspacken, hatte die Wirtschaftsstrafkammer ihm zugesichert, werde sie - im Fall einer Verurteilung - eine Freiheitsstrafe zwischen eineinhalb und zwei Jahren verhängen – ausgesetzt eben zur Bewährung. Dazu kämen die Geldauflagen. Umgekehrt ausgedrückt: gestehe er nicht, drohe ihm Gefängnis. Der Deal galt im Wesentlichen auch für Stadlers Mitangeklagte. Staatsanwalt Petzka hatte der Verständigung für Stadler und P. zugestimmt, nicht aber für Hatz.

    Staatsanwaltschaft in München zeigt sich zufrieden

    Für Hatz – der im Gegensatz zu P. ebenfalls sehr spät gestand - hatte er in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten gefordert. Für Stadler und P. hatte Petzka jeweils zwei Jahre beantragt. Der frühere Audi-Boss solle zudem eine Geldauflage von 1,1 Millionen Euro zahlen, der Techniker 50.000 Euro. 

    Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft zeigte sich am Dienstag entsprechend zufrieden mit den Schuldsprüchen für Stadler und P. Zum Hatz-Urteil wollte sie sich noch nicht äußern. Die Verteidiger hatten alle auf Bewährungsstrafen für ihre Mandanten plädiert. Klaus Schroth und Walter Lechner forderten eine deutlich geringere Haftstrafe als von der Staatsanwaltschaft verlangt, zudem möge das Gericht nochmals über eine Verfahrenseinstellung nachdenken. Gerson Trüg, Anwalt von Hatz, hatte in seinem Schlussvortrag keinen eigenen Antrag gestellt, sich aber dafür ausgesprochen, dass sich eine Freiheitsstrafe im Rahmen zwischen eineinhalb und zwei Jahren bewegen möge. Stadler-Anwalt Thilo Pfordte hatte schließlich eine Strafe im unteren Rahmen dessen angeregt, was bei der Verständigung ausgemacht wurde.

    "Nach über sechs Stunden Urteilsverkündung sind wir jetzt erst mal zufrieden, dass das Verfahren zu Ende ist und dass Herr Stadler seine Freiheit erhalten konnte", sagte Pforte. "Wir sind auch zufrieden darüber, dass das Gericht klargemacht hat, dass ein Teil der Vorwürfe aus der Anklage so nicht zutreffend ist", betonte er. Nun wolle die Verteidigung erst mal die Urteilsbegründung in Ruhe prüfen, ob sie es damit auf sich beruhen lässt. So wird es noch dauern, bis die Urteile rechtskräftig werden können. 

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