Fast eineinhalb Jahre fährt der frühere Audi-Chef Rupert Stadler von Ingolstadt nun zur Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim und steigt dort die Treppe zum Hochsicherheitsgerichtssaal hinab. Über 100 Prozesstage haben der 59-Jährige und die drei mit ihm angeklagten Männer hinter sich gebracht. Es werden noch viele weitere folgen. Ein Urteil war zunächst für Ende des Jahres erwartet worden. Aber die Pandemie beschleunigt die langwierige wie umfassende Beweisaufnahme nicht gerade. Zwischendrin mussten Prozesstermine für Wochen geschoben werden, sodass es als wahrscheinlich gelten darf, dass Stadler auch in 2023 noch zwei Mal die Woche vor Richter Stefan Weickert, dem Vorsitzenden der 5. Strafkammer des Landgerichts München II, Platz nehmen wird.
Der Richter ging auch diese Woche in gewohnter Sachlichkeit zu Werke, in dem geduldigen Streben, das Mammutverfahren voranzubringen. Stadler, die Ingenieure Giovanni P. und Henning L. sowie der ehemalige Chef der Audi-Motorenentwicklung, Wolfgang Hatz, müssen sich wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung und strafbarer Werbung verantworten. Die drei Ingenieure P., L. und Hatz sollen zusammen dafür gesorgt haben, dass ab 2009 verkaufte Dieselmotoren die Grenzwerte mit Schummel-Software auf dem
Rupert Stadler bestreitet die Vorwürfe
Stadler soll erst 2015 von den Manipulationen erfahren und den Verkauf betroffener Autos – in Europa – aber nicht verhindert haben. Stadler und Hatz, die beiden früheren Top-Manager, bestreiten die Vorwürfe, während P. und L. überwiegend geständig sind.
Entsprechend verlaufen die Konfliktlinien im Saal nicht nur zwischen Staatsanwaltschaft und Angeklagten, was sich auch in der Sitzordnung des hohen Saals deutlich zeigt. Stadler, seine Verteidiger Thilo Pfordte und Ulrike Thole sowie Hatz und seine Anwälte sitzen mittig, gegenüber den Richtern. P. und L. hingegen sitzen links im Saal, rechts – wie immer – der Vertreter der Anklagebehörde.
Ex-Vorstände und der Audi-Betriebsratsvorsitzende werden im Zeugenstand erwartet
Am Mittwoch ging es recht zügig voran. Es ging bei der Befragung um Abläufe im Marketing, um das, was immer interessiert: Wer im großen Audi- und VW-Reich wusste wann was? Erkenntnisgewinn für diesen Tag: eher gering. Es folgte noch ein Antrag in Sachen abgehörter Telefonate der Verteidiger von P., über den das Gericht aber erst noch entscheiden muss. Dann war kurz vor Mittag Schluss.
In den nächsten Wochen allerdings könnten die Gerichtstage im Keller von Stadelheim wieder länger werden. Denn die geladenen Zeugen waren oder sind in den höheren Konzern-Etagen von Audi und VW ansässig. Zuletzt musste Audis Technik-Vorstand Oliver Hoffmann Weickerts Fragen beantworten. Im Verlauf des April, im Mai und Juni werden dann der ein oder andere Ex-Vorstand von
![Oliver Hoffmann, Vorstand Technologie bei Audi, musste vor Gericht bereits Fragen beantworten. Oliver Hoffmann, Vorstand Technologie bei Audi, musste vor Gericht bereits Fragen beantworten.](https://images.mgpd.de/img/101210864/crop/c1_1-w100/1323757855/842189994/oliver-hoffmann-vorstand-technologie-audi-ag.jpg)
Mit besonderer Spannung wird zudem auf den Auftritt von Christine Hohmann-Dennhardt geblickt. Die frühere Bundesverfassungsrichterin war 2016/2017 Vorständin bei Volkswagen für Integrität und Recht, sollte sich um die Aufklärung des Abgas-Skandals kümmern, schied aber nach nur einem Jahr wieder aus dem Unternehmen aus.