Der Handel, die Gastronomie, der Nahverkehr. Es gibt Branchen, die die Corona-Pandemie eisern im Würgegriff hält. Leicht übersehen wird aber, dass der große Teil der bayerischen Wirtschaft trotz Corona unbeeindruckt weiterarbeiten konnte, berichtete Bayerns Arbeitsagenturchef Ralf Holtzwart am Freitag. Dementsprechend gut fällt seine Arbeitsmarktbilanz für das zurückliegende Jahr aus.
Weniger Arbeitslose: Bayerns Arbeitsmarkt ist gut durch das zweite Jahr der Pandemie gekommen. Im Durchschnitt waren 2021 im Freistaat rund 262.000 Menschen arbeitslos - 4,7 Prozent weniger als im ersten Corona-Krisenjahr 2020. Die Arbeitslosenquote sei ab Oktober bis Dezember sogar unter die Drei-Prozent Marke gefallen. "Kein anderes Bundesland konnte einen solch guten Wert vermelden", sagte Holtzwart. Die Erholung halte an. "Es ist sogar gelungen, die Beschäftigung auszubauen und gegenüber dem Jahr vor der Corona-Krise zu erhöhen." Im Dezember 2021 gab es rund 5.750.000 sozialversicherungspflichtig Arbeitende im Freistaat, 2019 waren es erst rund 5.700.000.
Kurzarbeit stabilisiert: Vor allem das Instrument der Kurzarbeit hat den Arbeitsmarkt auch im Jahr 2021 stabilisiert und dafür gesorgt, dass den Unternehmen Fachkräfte erhalten blieben. Die Zahl der Kurzarbeiter ist dabei im Jahresverlauf zurückgegangen. Hatten im Januar 2021 noch über 71.900 Betriebe Kurzarbeitergeld für rund 575.000 Beschäftigte beantragt, waren es im August nur noch 37.800 Unternehmen für rund 260.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Jahresende hatten angesichts der neuen Corona-Wellen zwar wieder etwas mehr Firmen Kurzarbeit beantragt, sagt Holtzwart. Beunruhigt zeigte sich Bayerns Arbeitsagenturchef darüber aber nicht.
Fachkräftemangel heißer denn je: "Unser großes Problem bleibt der Fachkräftemangel", sagt Holtzwart. Die Digitalisierung zum Beispiel erhöht die Nachfrage nach Spezialisten. Ungelernte Helfer werden dagegen weit weniger benötigt. Es sei deshalb nicht nur ein gutes Signal, wenn die Zahl der Stellen im Pool der Bundesarbeitsagentur steigen. "Es gelingt uns nicht bei allen Stellen, sie zeitnah zu besetzen, unter den Arbeitslosen sind nicht immer die passgenauen Fachkräfte zu finden", sagt Holtzwart. Im Schnitt dauere es inzwischen 121 Tage, einen passenden Mitarbeitenden zu finden. Die längste Vakanz gibt es im Baugewerbe mit 219 Tagen, auch die Informations- und Kommunikationsbranche hat mit 141 Tagen bis zur Stellenbesetzung ein Fachkräfte-Problem.
Inländische Arbeitskräfte und Einwanderung: Um Fachkräfte zu finden, kann man Reserven im Land finden. Das sind Arbeitslose, die noch nicht vermittelt sind, Menschen, die statt Teilzeit auch länger arbeiten könnten, Mütter, die für die Erziehung ihrer Kinder bisher auf die Jobausübung verzichten. Das Land müsse aber auch für Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland anziehender werden, sagt Holtzwart. "Es ist wichtig, Deutschland und Bayern als attraktives Land zu präsentieren. Dafür muss man es Menschen einfacher machen, zu uns zu kommen", meint er. "Wir wollen, dass Hürden abgebaut werden." Es sei sein dringender Wunsch, dass dieses Jahr ein Fortschritt erzielt wird. "Dies ist zeitkritisch, wenn Bayern nicht den Anschluss verlieren will."
Wer es schwerer hat: Doch es gibt auch Menschen, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben - und denen es in der Corona-Krise noch schwerer gefallen ist, im Falle der Arbeitslosigkeit wieder Tritt zu fassen. Betroffen seien Ausländerinnen und Ausländer, ältere Menschen ab 50 Jahren und vor allem Langzeitarbeitslose. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen legte im Freistaat 2021 um satte 37,6 Prozent auf rund 71.600 zu. "Sind Leute länger in der Grundsicherung, wird es schwerer, auf dem Arbeitsmarkt Tritt zu fassen", sagt Holtzwart. Eine Lösung könne sein, die gesamte Familie in den Blick zu nehmen und Hürden für die Job-Aufnahme zu senken, beispielweise durch Kinder- und Hausaufgabenbetreuung.
Viele freie Ausbildungsplätze: Gut ist die Situation auch für den Nachwuchs. Es gab 2021 in Bayern Lehrstellen ohne Ende. "Wir konnten am Ende 16.000 Ausbildungsplätze nicht besetzen", sagte Holtzwart. Leider haben in der Corona-Pandemie Betriebe und Absolventinnen und Absolventen schwerer zueinander gefunden. Praktika, die früher Orientierung gaben, sind Corona zum Opfer gefallen. Nicht jeder junge Mensch hat den eigenen Abtrieb, trotzdem auf die Suche zu gehen. "Wir müssen aufpassen, dass es keine verlorene Generation Corona gibt", warnt Holtzwart deshalb.