Der Ton in der Debatte um eine Verlängerung der Laufzeiten der süddeutschen Atomkraftwerke wird schärfer. Der Betreiber des Meilers Isar 2 im Kreis Landshut, die Preussen Elektra, stellt nun klar, dass „Kernkraftwerke aus technischen Gründen nicht für einen Reservekraftwerksbetrieb geeignet sind“, so die Sprecherin des Konzerns gegenüber unserer Redaktion. Damit macht sie den AKW-Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck einen dicken Strich durch die Rechnung.
Im Fall von Stromengpässen will Habeck zwei der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke notfalls noch bis Mitte April nutzen können: Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Eine deutliche Verlängerung der Laufzeiten, wie sie unter anderem die Union gefordert hatte, sehen Habecks Pläne dagegen nicht vor. Doch offenbar wusste der Minister bereits vor der Vorstellung seiner Pläne am Montagabend, dass die Umsetzung nicht einfach wird.
Isar 2: AKW-Unternehmen hat Habeck offenbar schon vorher gewarnt
Man sei im Austausch mit der Bundesregierung, „um die Möglichkeiten und Grenzen eines Weiterbetriebs zu besprechen“, so die Konzernsprecherin. Vor den Kulissen versucht man, den Streit nicht eskalieren zu lassen. Doch ein Brief von Guido Knott, Chef von Preussen Elektra, der auch unserer Redaktion vorliegt, findet da deutlichere Worte.
Bereits am 25. August habe man das Ministerium davon unterrichtet, dass im Streckbetrieb „ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich ist“. Das gelte umso mehr, wenn die Anlage komplett heruntergefahren werden soll. „Dann nämlich ist mit den eingeschränkten Möglichkeiten eines solchen Reaktorkerns ein Wiederanfahren im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht und schon gar nicht kurzfristig innerhalb einer Woche machbar“, schreibt Knott. Er warnt ausdrücklich: Das Unternehmen habe keinerlei Erfahrung mit einem solchen Prozedere. „Das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen. Wir sind für den sicheren Betrieb der Anlage verantwortlich - ein solches Vorgehen ist mit unserer Sicherheitskultur nicht vereinbar.“ Damit spricht Knott einen wunden Punkt des grünen Ministers an: Gerade Sicherheitsbedenken sind es, die in seiner Partei gegen eine Verlängerung der Laufzeiten vorgebracht werden.
Preussen Elektra bietet Streckbetrieb an
Preussen Elektra macht in dem Brief klar, dass die bessere Möglichkeit aus Unternehmenssicht der Streckbetrieb wäre. „Insgesamt könnte eine Stromproduktion von über 4 TWh und eine gesicherte Leistung von bis zu 1.400 MW dem Strommarkt bzw. dem Netzbetrieb zur Verfügung stehen. Damit könnten auch die hohen Strompreise spürbar gedämpft werden.“ Doch auch hier dränge die Zeit. Entsprechend deutlich ist der Tonfall des Schreibens. „Wie bereits mehrfach erläutert, müssen wir zur Absicherung eines solchen Streckbetriebs arbeitsintensive Vorbereitungen treffen, die bei einem planmäßigen Abfahren der Anlage zum Jahreswechsel entbehrlich sind.“ Diese Maßnahmen müssten bis Ende Oktober durchgeführt werden.
Im Wirtschaftsministerium selbst ist man wenig erfreut über die offene Konfrontation. Habecks Staatssekretär Patrick Graichen setzte ebenfalls einen Brief an Knott auf. Darin bezieht er sich auf ein Schreiben des Stromerzeugers vom August, in dem dieser angekündigt hatte, mit Isar II für die schwierigen Monate bereitzustehen. „Ich gehe davon aus, dass Ihr Angebot ernst gemeint war und dementsprechend unabhängig von der Frage gilt, ob es sich um einen Streckbetrieb oder einen Einsatz im Rahmen der Reserve handelt“, heißt es in dem Schreiben.
CSU verwundert über Konfrontation zwischen Habeck und AKW-Betreiber
In der CSU nimmt man die Konfrontation zwischen Habeck und dem Kraftwerkbetreiber mit Verwunderung auf. „Der Reservebetrieb ist die nächste Habeck-Chaos-Entscheidung“, sagt Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Die Absage von Preussen Elektra ist die Megablamage für einen irrlichternden Bundeswirtschaftsminister.“ Offensichtlich seien die fachlichen Einschätzungen der Kraftwerksbetreiber im Ministerium bekannt gewesen, als Habeck die Chaos-Entscheidung getroffen hat. „Der Bundeskanzler sollte bei Robert Habeck den Stecker ziehen“, sagt Dobrindt.
Das Kernkraftwerk Isar besteht aus einem Block 1, der 1979 in Betrieb ging, und aus einem Block 2, der 1988 erstmals Strom produzierte. Im Rahmen des deutschen Atomausstiegs wurde Isar 1 im März 2011 abgeschaltet. Isar 2 läuft regulär noch bis zum 31. Dezember 2022.