Frau Schneider, wann haben Sie das letzte Mal ein Produkt gekauft, bei dem Sie auf eine Rabattaktion hereingefallen sind?
ANNA SCHNEIDER: Im Gegenteil, ich habe mir ein Produkt gekauft, das nicht stark reduziert war und um das ich seit anderthalb Jahren herumgeschlichen bin: ein neues Smartphone. Ich wusste, dass es Quatsch ist, trotzdem wollte ich es haben. Irgendwann habe es mir dann gekauft – und ich bin noch immer fein damit. Ich habe aber schon Produkte zurückgeschickt, bei denen ich dachte: So toll ist es jetzt doch nicht.
Warum mögen es Menschen, Dinge zu kaufen?
SCHNEIDER: Beim Kaufen wird ein Belohnungssystem in Gang gesetzt. Dabei wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet, ein Botenstoff, der stark mit Freude oder positiver Erwartungshaltung verbunden ist. Wir sind insbesondere davon gesteuert, dass wir unsere Bedürfnisse befriedigen möchten. Wir versuchen durch Konsum allerdings auch, soziale Bedürfnisse zu befriedigen, zum Beispiel durch den Erwerb von Statussymbolen. Das klassische Beispiel sind die iPhone-Jüngerinnen und -Jünger, die seit Jahren im Regen Schlange stehen, um das neueste Modell zu ergattern. Konsum ist auch oft damit verbunden, dass wir uns belohnen wollen. Der Klassiker ist: Ich habe eine Prüfung erfolgreich absolviert und gönne mir dafür etwas.
Manche Produkte, wie etwa Lebensmittel, brauchen wir einfach. Welche Faktoren entscheiden bei Produkten, die wir nicht unbedingt bräuchten, darüber, ob wir etwas kaufen oder nicht?
SCHNEIDER: Es gibt gerade im Supermarkt jede Menge Produkte, die Impulskaufcharakter haben. Wir sehen ein Produkt und denken: Das muss ich jetzt haben. Weil wir denken, damit tun wir uns etwas Gutes. Ich persönlich finde alles, was neuartig ist, spannend. Manchmal fallen wir auch auf diese suggerierte Knappheit herein. Wie aktuell bei der Dubai-Schokolade von Lindt, für die Leute in den Großstädten Schlange stehen. Solche Hypes, die durch Marketing geschickt kreiert werden, führen dazu, dass wir uns Dinge kaufen, die wir nicht unbedingt brauchen.
Viele Menschen behaupten, sie seien immun gegen Werbung – trotzdem fallen sie immer wieder darauf herein. Wie lässt sich das aus psychologischer Sicht erklären?
SCHNEIDER: Wir werden ständig mit Markenbotschaften bombardiert. Über klassische Fernseh- und Radiowerbung oder durch Anzeigen an Plakaten und Litfaßsäulen, aber auch in Zeitungen oder Zeitschriften. In der Psychologie benennt man das als Mere-Exposure-Effekt. Wenn wir etwas besonders häufig sehen, dann empfinden wir das als vertrauter, attraktiver und angenehmer. Ich muss nur häufig genug mit bestimmten Marken konfrontiert sein, die muss ich gar nicht bewusst wahrnehmen. Aber dadurch fühlen sie sich vertraut an.
Vor allem online werden Menschen viel mit Werbung konfrontiert. Sind Menschen durch das Internet und speziell Social Media anfälliger für Werbung geworden?
SCHNEIDER: Ja. Wir bekommen dadurch zum Beispiel Trends wie aktuell die Dubai-Schokolade überhaupt erst mit. Zudem ist die Art und Weise, wie Werbung ausgesteuert werden kann, sehr trickreich geworden. Wir können auf Social Media extrem gut von auf uns zugeschnittener Werbung erreicht werden, nicht nur auf Basis unserer Suchmaschinen-Verläufe und Likes auf Social Media, sondern beispielsweise auch anhand unserer Interaktionen in sozialen Netzwerken mit anderen Menschen. Wenn der Algorithmus sieht, dass Menschen, deren Beiträge du gut findest, bestimmte Produkte mögen, dann werden sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch dir empfohlen.
Welche Rolle spielen Influencer bei der Glaubwürdigkeit von Werbung?
SCHNEIDER: Das sind Personen, mit denen ich eine pseudosoziale Beziehung habe, deren Leben ich kenne. Wenn die mir etwas empfehlen, dann habe ich eher das Gefühl, das ist eine Empfehlung von einem Freund und nicht echte Werbung. Man sieht gerade bei jüngeren Menschen, dass die das nicht als Werbung identifizieren, sondern als glaubwürdige Produktrezension.
Am Black Friday locken wieder zahlreiche Unternehmen mit hohen Rabatten und Sonderangeboten. Manche weiten die Aktion auf die ganze Woche aus. Warum funktionieren Rabatte bei vielen Menschen so gut?
SCHNEIDER: Studien zeigen, dass allein ein rotes Preisschild Menschen schon schlussfolgern lässt, dass dieses auf einen besonders guten Preis hinweist. Zusätzlich funktioniert diese zeitliche Begrenzung, beziehungsweise Verknappung, die es beim Black Friday gibt. Das ist ein fieser Hebel, weil ich Angst habe, etwas zu verpassen, die sogenannte „Fear of missing out“. Ich könnte gar die Einzige sein, die kein gutes Schnäppchen macht.
Spielt es bei einer Rabattaktion eine Rolle, wie hoch der Preis ist – oder reicht es allein schon, dass er scheinbar niedriger ist als sonst?
SCHNEIDER: Besonders wichtig dabei ist der sogenannte Ankereffekt. Das bedeutet, ich schmeiße eine x-beliebige Zahl in den Raum, die nicht realistisch sein muss. Unsere Einschätzung hängt dann von diesem Anker ab. Ich zeige also einem Kunden einen Mantel für 800 Euro und dann zeige ich ihm einen für 450 Euro. Dann hat der Kunde direkt das Gefühl, das ist doch ein guter Preis. Hätte ich vorher einen Mantel für 120 Euro gezeigt, wäre es anders gewesen.
Mit welchen anderen Tricks neben Rabattaktionen versuchen Unternehmen, Leute zum Kauf zu drängen?
SCHNEIDER: Online werden gerne diese Countdowns verwendet, bei denen die Uhr runterläuft. Oder es wird angezeigt, dass es nur noch zwei Produkte auf Lager gibt. Dann haben wir das Gefühl, wenn ich das jetzt nicht mache, dann gibt es bald nichts mehr. Was auch gerne gemacht wird, ist, beim Warenkorb nochmal zusätzlich Prozente anzubieten, wenn man weitere Produkte kauft.
Die meisten dieser Prozesse laufen in unserem Unterbewusstsein ab. Haben Sie trotzdem Tipps, wie man sich vor Rabattfallen schützen kann?
SCHNEIDER: Ein klassischer Tipp, den mir vielleicht meine Oma gegeben hätte, ist: Schlaf mal eine Nacht drüber. Also sich klarmachen, dass es vielleicht nicht so dringlich ist, wie es scheint. Gerade wenn man größere Anschaffungen plant, lohnt es sich, bei Vergleichsseiten zu schauen, wie sich die Preise entwickeln. Man kann sich auch nicht nur überlegen, was ich mit diesem Produkt nächste Woche mache, sondern auch, wie die nächsten zwei Jahre damit aussehen. Oftmals ist es so, dass dieses Produkt, das man unbedingt haben wollte, doch nur herumsteht. Jeder hat irgendein Küchengerät im Schrank, das überhaupt nicht genutzt wird.
Sie wissen, wie Rabatte psychologisch funktionieren. Ärgern Sie sich besonders, wenn Sie trotzdem auf einen Werbetrick hereingefallen sind?
SCHNEIDER: Ich bin da nachsichtig mit mir. Was ich aber tatsächlich gut etabliert habe, ist, den Warenkorb zu füllen und dann ein bisschen zu warten. Das birgt natürlich die Gefahr, dass ich mich wahnsinnig ärgere, wenn etwas weg ist und ich es nicht mehr kaufen kann. Oft ist es aber so, dass ich später Produkte wieder aus dem Warenkorb lösche, weil ich mir denke, ich brauche es nicht wirklich. Das Gefühl kann sehr schön sein, dass man sich ein bisschen emanzipiert und sagt: Ich lasse mich zu nichts drängen, sondern entscheide selbst.
Zur Person
Anna Schneider (44) ist Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Trier. Sie forscht und lehrt unter anderem zu Werbe- und Konsumpsychologie sowie psychologischer Marktforschung.
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