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Interview: Weltbild-Chef: "Wir werden 80 Prozent der Ware noch am gleichen Tag versenden"

Interview

Weltbild-Chef: "Wir werden 80 Prozent der Ware noch am gleichen Tag versenden"

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    "Das Buch ist und bleibt für uns eine tragende Säule": Weltbild-Chef Christian Sailer am neuen Firmensitz in der Ohmstraße in Augsburg-Göggingen.
    "Das Buch ist und bleibt für uns eine tragende Säule": Weltbild-Chef Christian Sailer am neuen Firmensitz in der Ohmstraße in Augsburg-Göggingen. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Sailer, ich vermute, dass Sie die Turbulenzen im britischen Königshaus mit Begeisterung verfolgt haben?

    Christian Sailer: Der Klatsch und Tratsch rund um die Royal Family ist zwar nicht mein primäres Hobby, aber trotzdem haben uns die Enthüllungen von Prinz Harry im positiven Sinne beschäftigt. Sein Buch "Reserve" ist bei unseren Kundinnen und Kunden nämlich richtig eingeschlagen. 

    Man könnte ja denken, man hätte bereits alle Neuigkeiten über Harry und Meghan aus den Medien erfahren …

    Sailer: Das Interesse ist trotzdem noch riesig. Die erste Charge des Buchs von Prinz Harry war schon nach zwei Tagen komplett verkauft. Wir mussten umgehend nachordern. 

    Wie zufrieden waren Sie denn mit dem wichtigen Weihnachtsgeschäft?

    Sailer: Das Weihnachtsgeschäft hat sich mit unseren Erwartungen gedeckt, wir sind zufrieden. Die Monate Oktober und November waren erstaunlicherweise noch stärker als der Dezember. Die Menschen haben sich offenbar frühzeitig mit Geschenken eingedeckt. Vor allem Medien und kleinere Geschenkartikel haben sich gut verkauft. 

    Macht sich die Energiekrise also gar nicht so stark im Einkaufsverhalten bemerkbar?

    Sailer: Doch, wir spüren eine Kaufzurückhaltung. Die Kundinnen und Kunden agieren zurückhaltender als in den Vorjahren, die aber auch stark von Sondereffekten geprägt waren. In der Corona-Zeit haben viele Kundinnen und Kunden gerne bei Versandhändlern eingekauft und uns eine Sonderkonjunktur beschert. Positiv ist heute für uns, dass sich unser Kernsortiment, also unsere Eigenmarken im Bereich Home & Living und Buch, nach wie vor gut verkaufen. 

    Schicken die Menschen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eigentlich auch mehr zurück und tauschen es um?

    Sailer: Das können wir nicht feststellen. Wir konnten unsere Retourenquoten in den letzten Jahren deutlich senken, inzwischen bewegen sie sich auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau. Die Zahl zurückgesendeter Ware liegt bei uns im einstelligen Prozentbereich. Bücher und beispielsweise Deko-Artikel, wie wir sie haben, werden grundsätzlich nicht so häufig zurückgegeben. Bei Online-Mode-Händlern liegt die Retourenquote dagegen eher bei 50 Prozent aufwärts. 

    Was passiert mit zurückgesendeter Ware? Wird sie vernichtet?

    Sailer: Im Gegenteil. Wir bringen die Ware wieder in den Umlauf, wir werfen nichts weg. Dazu haben wir vergangenes Jahr eine Firma zugekauft: das Unternehmen D2C Recommerce in Berlin mit rund 100 Beschäftigten. D2C Recommerce nimmt unsere Retouren, aber auch die von anderen Anbietern entgegen und bringt sie wieder auf den Markt. Dies ist für uns unter dem Aspekt der Kreislaufwirtschaft und der Nachhaltigkeit sehr wichtig. 

    Angenommen, ich tausche eine Playstation-Konsole um. Wo verkaufen Sie denn die Retouren?

    Sailer: Die Ware kann auf bekannten Plattformen verkauft werden. Die Playstation aus unserem Beispiel muss dabei von D2C Recommerce auch nicht immer in Deutschland angeboten werden. Wir haben Zugang zu zahlreichen europäischen Marktplätzen, zum Beispiel Spanien und England. 

    Welcher Anteil von Retouren ist denn so gut intakt, dass er wiederverkauft werden kann?

    Sailer: So gut wie alle retournierten Waren lassen sich in unserem Bereich wieder in Umlauf bringen. 

    Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges war die Kaufzurückhaltung für Sie ein Problem. Ist denn Weltbild nach wie vor in Kurzarbeit?

    Sailer: Nach wie vor sind wir noch in Kurzarbeit. Wir hatten die Kurzarbeit nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges vergangenes Jahr im Sommer eingeführt. Beantragt ist sie bis zum 30. Juni dieses Jahres, wir könnten sie aber auch früher beenden. Derzeit arbeiten wir vier Tage in der Woche, der fünfte Tag ist der Kurzarbeitstag. 

    Wann könnte denn die Kurzarbeit auslaufen?

    Sailer: Derzeit herrscht noch Unsicherheit, wann sich die Kaufzurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher legt. Ich gehe davon aus, dass der Optimismus der Menschen bald wieder steigt, wenn die Inflation zurückgeht. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass das Geschäft dann stärker anzieht und auch Kurzarbeit dann kein Thema mehr ist. 

    Wie wollen Sie verhindern, in Zukunft wieder in eine Situation zu kommen, in der man in konjunkturell schwierigeren Zeiten Kurzarbeit beantragen muss?

    Sailer: Wir fokussieren uns auf wenige Themen, die wir für nachhaltig sinnvoll halten. Im Zentrum stehen unsere Kernmarken. Das ist im Bereich Kinder die Marke Tausendkind, im Gesundheitsbereich Orbisana, für Garten, Natur, Outdoor Gärtner Pötschke und schließlich Weltbild, um es sich zuhause schönzumachen. Diese Schwerpunkte werden wir weiter ausbauen, alles andere links und rechts davon dagegen zurückfahren. 

    Wie passt es da, dass Sie bei Weltbild nun auch Online-Seminare verkaufen, zum Beispiel mit dem Autor Sebastian Fitzek oder Fußball-Arzt Hans Müller-Wohlfahrt?

    Sailer: Unsere Kundinnen und Kunden können bei Weltbild Online-Kurse des Münchner Unternehmens "Meet your Master" von Heiner Lauterbach und seiner Frau Viktoria buchen. Dort zeigen erfolgreiche Menschen, wie sie so weit gekommen sind. Jeder kann sehen, ob er sich ein Stück abschauen kann. Wir starten jetzt mit der Kooperation und wollen sehen, ob sie Erfolg hat. Unser Vorteil ist unsere hohe Reichweite, so sind wir mit den Lauterbachs in Kontakt gekommen und die Kooperation ist entstanden. 

    Welche Rolle spielt für Weltbild denn künftig noch das Buch?

    Sailer: Eine große. Das Buch ist und bleibt für uns eine tragende Säule. Wir wissen, wo wir herkommen, das werden wir nicht vernachlässigen. Die Bereiche Buch und Nonmedia halten sich bei uns die Waage. Die Kombination aus beidem kommt bei unserer Kundschaft am besten an. Wer bei uns ein Buch kauft, legt meist noch ein, zwei andere Artikel in den Warenkorb, einen Deko-Artikel, einen Gesundheitsartikel und anderes mehr. 

    Welche geschäftlichen Ziele haben Sie für dieses Jahr?

    Sailer: Im vergangenen Jahr haben wir trotz aller Widrigkeiten ein profitables Ergebnis geschafft. Nachdem wir zuvor in vielen Jahren zweistellig im Umsatz gewachsen sind, haben wir uns angesichts der Unsicherheiten für dieses Jahr ein kleines, moderates Wachstum vorgenommen. Der Trend zum E-Commerce bleibt, wir erwirtschaften 90 bis 95 Prozent unserer Umsätze inzwischen online. Vielleicht hilft auch die Konjunktur noch ein Stück mit. Vorgenommen haben wir uns für dieses Jahr eine Verjüngung unserer Zielgruppe. Dafür werden wir eigene Shopping-Apps herausbringen. 

    Der neue Firmensitz von Weltbild in der Ohmstraße in Augsburg-Göggingen.
    Der neue Firmensitz von Weltbild in der Ohmstraße in Augsburg-Göggingen. Foto: Ulrich Wagner

    Brauchen Sie dann überhaupt noch den gedruckten Katalog?

    Sailer: Der Katalog ist noch immer häufig der Auslöser für den Kauf. Die Menschen blättern im Katalog, gehen dann auf die Webseite, kaufen das Produkt online ein und wählen noch ein, zwei andere Dinge aus. Solange sich der Katalog nach wie vor trägt, werden wir ihn herausbringen. Und das ist bis heute 14 Mal im Jahr. 

    Wie sieht es mit den Filialen aus? Passen Sie zu einem fast reinen Online-Händler?

    Sailer: Wir wollen unser Filialnetz behalten, es wird ein wichtiger und sichtbarer Bestandteil von Weltbild bleiben. In allen drei Ländern Deutschland, Österreich und in der Schweiz haben unsere insgesamt 50 Filialen zuletzt gleichermaßen an Umsatz zugelegt. Hält der positive Trend an, könnten wir uns vorstellen, wieder stärker in den stationären Handel zu gehen. 

    Die Filiale in Nördlingen ist zuletzt aber geschlossen worden …

    Sailer: Natürlich bewerten wir immer wieder, ob eine Filiale wirtschaftlich arbeitet. Die Entscheidung kann dann dazu führen, dass wir auf den einen oder anderen Standort verzichten müssen

    Bisher versendet Weltbild aus Tschechien. Wie geht es denn mit dem Aufbau einer eigenen Logistik in Augsburg voran?

    Sailer: Das neue Logistikzentrum wird für uns der Weg sein, eine noch schnellere Lieferung zu den Kundinnen und Kunden sicherzustellen. 80 Prozent der Ware wollen wir am gleichen Tag versenden, 100 Prozent am nächsten Tag. Wenn Sie also heute etwas bestellen und wir es zwischen 15 und 16 Uhr verschicken, ist es am nächsten Tag bei Ihnen. Das Tempo in der Zustellung nimmt zu – wir müssen uns hier am Markt orientieren. Die neue Logistik in Augsburg soll in der zweiten Jahreshälfte 2024 ans Netz gehen. Für uns ist das ein größeres Projekt. Wir investieren einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag. 

    Warum haben Sie wieder Augsburg ausgewählt, nachdem die Logistik ja schon früher einmal hier war?

    Sailer: Augsburg ist ein hervorragender Standort, um das gesamte europäische Umland zu erreichen. Nachdem wir mehrere Zukäufe getätigt haben, zum Beispiel die Gesundheitsmarke Orbisana, Gärtner Pötschke oder tausendkind, versenden wir von mehreren Standorten. Tausendkind verschickt zum Beispiel aus Erfurt. Das wollen wir bündeln, sodass man auch nur ein Paket bekommt, wenn man mehrere Produkte bestellt. 

    Wie viele Beschäftige brauchen Sie für den Versand?

    Sailer: Derzeit hat Weltbild rund 400 Beschäftigte am Standort, für die Logistik brauchen wir nochmals rund 200. 

    Weltbild-Chef Christian Sailer hat am neuen Firmensitz eine New-Work-Atmosphäre umgesetzt-
    Weltbild-Chef Christian Sailer hat am neuen Firmensitz eine New-Work-Atmosphäre umgesetzt- Foto: Ulrich Wagner

    Der Umzug in die neue Zentrale ist aber abgeschlossen, oder?

    Sailer: Ja, der Umzug ist abgeschlossen. Wir haben den Neubau für zehn Jahre gemietet und damit ein starkes Bekenntnis zum Standort Augsburg abgegeben. Gefällt es Ihnen hier? 

    Sehr gut. Es ist sehr hell und aufgeräumt …

    Sailer: Wir praktizieren hier New Work. Am Standort arbeiten rund 400 Mitarbeiter und wir haben 200 Schreibtischplätze, die aber nicht fest vergeben sind. Jeder hier hat sein eigenes Notebook und ein Fach im persönlichen Schrank, wo man Stifte, Locher oder Tacker verstauen kann, wir arbeiten weitgehend papierlos. Kommt man in die Arbeit, holt man sich sein Material und wählt einen Schreibtisch. Am Ende des Arbeitstages packt man alles wieder weg und hinterlässt den Platz sauber. Denn am nächsten Tag kann dort ein anderer sitzen. 

    Und das klappt?

    Sailer: Absolut. Wir haben eine Regelung, die bis zu 80 Prozent Homeoffice ermöglicht. Die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen kommt aber meist zwei bis drei Tage pro Woche ins Büro, weil sie gerne hier arbeitet und es gut ist, manche Themen persönlich zu besprechen. Übrigens könnte man auch in meinem Büro Platz nehmen und arbeiten. Das hat aber bisher seltsamerweise noch niemand gemacht. 

    Zur Person: Christian Sailer, 51, ist seit 2017 Chef der Weltbild Gruppe und wohnt in Weiden in der Oberpfalz und in Augsburg. 

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