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Interview: "Viele Einzelhändler befinden sich in einer existenzbedrohenden Lage"

Interview

"Viele Einzelhändler befinden sich in einer existenzbedrohenden Lage"

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    Wegen des Hochwassers waren auch Geschäfte in manchen Innenstädten nicht mehr erreichbar – mit teils dramatischen Konsequenzen für den Einzelhandel.
    Wegen des Hochwassers waren auch Geschäfte in manchen Innenstädten nicht mehr erreichbar – mit teils dramatischen Konsequenzen für den Einzelhandel. Foto: Peter Kneffel, dpa (Symbolbild)

    Herr Ohlmann, das Jahrhunderthochwasser Anfang Juni hat auch den bayerischen Einzelhandel schwer getroffen. Haben Sie bereits einen Überblick über Folgen für den bayerischen Handel? 
    BERND OHLMANN: Natürlich wurden besonders in Schwaben und Oberbayern Verkaufsräume und Lagerräume überflutet, auch Infrastruktur zerstört, doch die direkten Folgen sind nur die Spitze des Eisbergs. Die meisten unserer Mitglieder trifft vor allem die fernbleibende Kundschaft, sei es, weil die Geschäfte nicht mehr erreichbar sind oder weil die Menschen in den betroffenen Gebieten nun ihr Geld zusammenhalten müssen. Dazu kommen Arbeitsausfälle der Mitarbeiter, weil sie zum Beispiel für das THW im Einsatz sind, sich um ihre eigenen Schäden kümmern müssen oder weil sie den Arbeitsort vorübergehend nicht erreichen können. Gegen eine solche indirekte Folge einer Naturkatastrophe kann man sich natürlich auch nicht versichern, und darunter leiden nicht nur die Händler, sondern auch die Gastronomie beispielsweise. 

    Bernd Ohlmann ist Sprecher des bayerischen Handelsverbandes.
    Bernd Ohlmann ist Sprecher des bayerischen Handelsverbandes. Foto: Handelsverband Bayern

    Stichwort Versicherung, der bayerische Handelsverband führt derzeit eine Umfrage unter den betroffenen Mitgliedern durch. Ist der bayerische Einzelhandel gut versichert?
    BERND OHLMANN: Das können wir noch nicht genau sagen, aber ich würde mal schätzen, dass nur jeder Dritte im Einzelhandel gegen Elementarschäden versichert ist. Da unterscheidet sich der Handel nicht so sehr von den Privatleuten. Die Unternehmen haben jetzt natürlich sofort Kontakt mit den Versicherungen aufgenommen. Die von Hochwasser und Starkregen betroffenen Händler hoffen jetzt natürlich auf eine schnelle Schadensabwicklung. 

    Unterdessen hat die Staatsregierung Soforthilfen für betroffene Unternehmer versprochen. Wie ist diesbezüglich der Stand der Dinge? 
    BERND OHLMANN: Die Politik hat angekündigt, unbürokratisch und schnell zu helfen, und diesen Worten müssen auch Taten folgen. Seit dem 14. Juni können Unternehmer die Anträge nun stellen. Ich hoffe, dass die Hilfen schneller anlaufen, als es im Zuge der Corona-Pandemie der Fall war. Viele Einzelhändler befinden sich in einer existenzbedrohenden Lage, die können nicht ewig auf die Hilfe warten. 

    Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse aller Voraussicht nach deutlich häufiger werden. Welche Lehren zieht der bayerische Handelsverband daraus?
    BERND OHLMANN: Der Handel muss, wie die übrige Wirtschaft und die Gesellschaft, Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen und gegen die Folgeschäden vorsorgen. Da geht es nicht nur um Schutzmaßnahmen und Versicherungen, sondern auch um einen effizienten Umgang mit Energie oder auch beispielsweise um hitzeresiliente Innenstädte, in denen man sich gerne aufhält. Solche Extremwetterereignisse wie dieses Hochwasser haben aber das Potenzial, den Ernst der Lage deutlich zu machen. 

    Dass die Existenz vieler Einzelhändler wegen der kurzfristig wegbleibenden Kundschaft bedroht ist, muss doch auch andere Gründe haben, oder? 
    BERND OHLMANN: Die Einzelhändler wurden von der Coronapandemie schwer getroffen, sie litten unter den hohen Energiekosten und der hohen Inflation. Der Einzelhandel in Bayern steht im bundesweiten Vergleich noch vergleichsweise gut da, dennoch gibt es auch hier viele Geschäftsaufgaben, und die haben nicht immer betriebliche Gründe. Oft findet sich kein Nachfolger oder die Mietpreise steigen so stark, dass sich eine Fortführung nicht lohnt. Der

    Auch der florierende Online-Handel macht es den Einzelhändlern in den Innenstädten schwer. Was muss passieren, damit sie eine Chance gegen die digitale Konkurrenz haben? 
    BERND OHLMANN: Zum einen braucht es Innenstadtkonzepte, welche zum einen die Aufenthaltsqualität erhöhen, aber auch die Erreichbarkeit der Geschäfte verbessern. Es braucht ausreichend Parkplätze, von denen die Geschäfte auch bequem fußläufig erreicht werden. Aber auch der Handel muss selbst aktiv sein, sich zusammenschließen mit der Gastronomie und anderen Unternehmern vor Ort und Marketing für den Standort betreiben. Dazu gibt es in vielen Städten bereits gute Beispiele. Klar ist aber auch, dass immer mehr Menschen online einkaufen und der Handel auch da sein muss, wo die Kundschaft ist. 90 Prozent der Einzelhändler in Schwaben haben mittlerweile eine eigene Website und ein Drittel der Unternehmen verkauft online. 

    Zur Person

    Bernd Ohlmann ist Sprecher des Handelsverbands Bayern (HBE). Der HBE fungiert als Interessenvertretung des Einzelhandels gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Medien. 

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