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Interview: Übernahme von Kuka: Die Angst vor dem gefräßigen Drachen

Interview

Übernahme von Kuka: Die Angst vor dem gefräßigen Drachen

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    Die Angst vor dem vermeintlich gefräßigen chinesischen Drachen sitzt tief. Das vermutet der China-Experte Stefan Söhn.
    Die Angst vor dem vermeintlich gefräßigen chinesischen Drachen sitzt tief. Das vermutet der China-Experte Stefan Söhn. Foto: obs/Euler Hermes Deutschland/Allianz, dpa

    Herr Söhn, Sie beraten Unternehmen, die sich in China engagieren wollen, und chinesische Firmen, die in Deutschland Fuß fassen möchten. Der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea will bei Kuka groß einsteigen und stößt hierzulande nicht nur auf offene Türen. Gerade in der Politik wird die Sorge laut, dass die Chinesen nur das Know-how des Augsburger Roboterbauers abziehen möchten. Wie berechtigt ist diese Angst aus Ihrer Sicht?

    Stefan Söhn: Man darf sicher nicht blauäugig sein, ich halte die Gefahr aber für maßlos überschätzt. Und ich sehe im Übrigen auch keine Möglichkeit, rechtlich dagegen einzuschreiten – etwa mithilfe des Außenwirtschaftsgesetzes. Wenn man die Gefahr real sähe, hätte man schon viel früher einschreiten müssen: Die deutschen Automobilhersteller, die angeblich nun auch Angst vor einem stärkeren chinesischen Engagement bei Kuka haben, sich aber nicht aus der Deckung trauen, produzieren seit über 25 Jahren in ihren Joint Ventures Seite an Seite mit ihren chinesischen Partnern – unter anderem auch mit Robotern von Kuka. Dennoch gibt es bisher keinen chinesischen Roboter, der mit jenen von Kuka ernsthaft konkurrieren könnte, noch haben die Chinesen bisher ein einziges wettbewerbsfähiges

    Also sind die Sorgen um den Technologieabzug bei Kuka übertrieben?

    Söhn: Ja, das glaube ich schon. Denn so leicht lässt sich Know-how nicht mitnehmen. Bei Kuka etwa spielt ja nicht die Mechanik die tragende Rolle, sondern die Steuerung, die Software der Roboter, und an die kommt man nicht so leicht heran.

    Woher kommt Ihrer Meinung nach diese Abwehr gegen die Chinesen?

    Söhn: Die Eruption jetzt bei Kuka hat mich verwundert. Schließlich waren es in diesem Jahr schon über 25 deutsche Unternehmen, in die chinesische Investoren eingestiegen sind. Gut, Kuka nimmt eine Schlüsselrolle bei der Zukunftstechnologie Industrie 4.0 ein, das Unternehmen ist ein deutsches Aushängeschild. Doch mit der gleichen Skepsis müsste man auch amerikanischen, japanischen oder russischen Investoren gegenübertreten. Im Übrigen investieren beispielsweise die Amerikaner um ein Vielfaches mehr in Deutschland als die Chinesen. Also ich halte diese Abwehrversuche gegen die Chinesen bei Kuka für überzogen und auch für protektionistisch.

    Schlechter Ruf Chinas: "Es gibt Probleme mit der Freiheit des Internets"

    Den Chinesen eilt aber auch ein schlechter Ruf voraus. Erst vor ein paar Tagen, bei der China-Reise der Bundeskanzlerin, beklagten sich europäische Unternehmen, dass sie in China mit unfairen Spielregeln zu kämpfen haben.

    Söhn: Dass dieses Umfrageergebnis ausgerechnet jetzt publik wurde, hat mich stutzig gemacht. Ob dies nicht politisch instrumentalisiert wurde? Mit meinen langjährigen Erfahrungen in China deckt sich diese Kritik nicht. Natürlich gibt es vor Ort Beschränkungen. Es gibt Probleme mit der Freiheit des Internets und die Verpflichtung zu Joint Ventures ist eine Beschränkung. Und diese Beschränkungen müssen wegfallen, worauf die Kanzlerin jetzt gerade erst wieder gedrängt hat. Aber das ist alles nicht neu.

    Problematisch ist ja auch, dass China jetzt von der EU den Status einer Marktwirtschaft einfordert, obwohl davon ja keine Rede sein kann.

    Söhn: China wird aus meiner Sicht diesen Status auch nicht komplett erhalten. Aber vielleicht gibt es einen Kompromiss. Etwa in der Form, dass bestimmte Branchen wie der Stahl- oder Solarbereich, wo China sehr stark und billig exportiert, davon ausgenommen werden oder mit Sonderregelungen versehen werden. Den schon vorhergesagten Handelskrieg sehe ich jedenfalls nicht.

    Vor allem steht China im Verdacht, Produkte zu kopieren und es mit dem Patentschutz nicht ernst zu nehmen.

    Söhn: Das ist immer noch so, aber hier bewegt sich viel. Denn die chinesischen Unternehmen erkennen mittlerweile selbst, welchen Wert der Patent- und Markenschutz hat. Auch kann man immer besser in China gegen Patentverstöße rechtlich vorgehen. Sie müssen sehen: China entwickelt sich weg von der billigen Werkbank hin zu einer qualitätsvolleren Produktion. Das Ziel „Made in China 2025“ ist ein Programm, das an das Label „Made in Germany“ angelehnt ist, und dafür werden die Chinesen auch Markenschutz in Anspruch nehmen.

    "Die Angst vor der roten Gefahr sitzt noch tief"

    Und daher gehen die Chinesen auf Einkaufstour und steigen in viele deutsche Unternehmen ein.

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    Söhn: Was diesen Unternehmen in der Regel nicht schadet, ganz im Gegenteil. Wir haben hier langjährige Erfahrungen: Chinesische Investoren belassen in der Regel das Management des Unternehmens und geben eine Arbeitsplatz- sowie eine Standortgarantie. Außerdem sind sie ein Türöffner für den chinesischen Markt. Dagegen stülpen übrigens amerikanische Investoren oft das ganze Unternehmen um, senken drastisch die Kosten, bauen Jobs ab und stehen auch hin und wieder im Verdacht, Industriespionage zu betreiben. Aber wenn ein US-Investor kommt, regt sich meist niemand auf.

    Woher also kommt Ihrer Meinung nach die Angst vor China?

    Söhn: Ich vermute, das ist psychologisch zu begründen: Die Angst vor der roten Gefahr und dem vermeintlich gefräßigen roten Drachen sitzt noch tief. Auch bereitet die Entwicklung dieses riesigen Landes manchem Sorge. Schließlich ist China nicht nur ein riesiger Markt für hiesige Unternehmen, sondern dort wachsen auch zahlreiche starke Wettbewerber heran.

    Die Mitarbeiter von Kuka müssen sich also bei einer Übernahme von Midea nicht sorgen?

    Söhn: Ich denke nicht. Midea hat an sein Angebot eine ganze Reihe von Zusagen geknüpft, unter anderem eine Standort- und Arbeitsplatzgarantie, wovon auch die Mitarbeiter profitieren. Und in der Regel halten Chinesen, was sie versprechen. Diese Erfahrung haben wir.

    Kuka ist ja schon am chinesischen Markt aktiv. Bringt der Einstieg von Midea dennoch noch Vorteile?

    Söhn: Ja, das glaube ich schon. Es stimmt zwar, dass Kuka in China schon sehr gut etabliert ist. Aber es bestehen meiner Einschätzung nach noch erhebliche Wachstumschancen. Schließlich ist die Automation einer der Bereiche, die China am meisten braucht. Die Automation ist der Treiber schlechthin. Denn man hat nicht nur gemerkt, dass Qualität gerade bei sich wiederholenden Arbeitsschritten nur durch Roboter garantiert werden kann. Auch hat China das Problem, dass die Personalkosten permanent steigen und in einer alternden Bevölkerung nicht immer die nötigen Fachkräfte zur Verfügung stehen.

    "Die Automation steht ganz oben auf der Wunschliste"

    Sie beraten Unternehmen, die nach China möchten. Welche Firmen streben denn noch nach Asien?

    Söhn: Das hat sich gewandelt: Wer vom chinesischen Markt profitieren kann, ist in der Regel bereits dort. Heute beraten wir vor allem chinesische Unternehmen, die entweder in den USA oder hierzulande Fuß fassen möchten.

    Und für welche Branchen interessieren sich Chinesen noch außer für Roboter?

    Söhn: Die Automation steht ganz oben auf der Wunschliste. Aber auch das Thema Elektromobilität und erneuerbare Energien – um nur einige zu nennen – sind für chinesische Unternehmen sehr interessant.

    Und genügend Geld ist in China für die Einkaufstour vorhanden, weil die staatlichen Banken nachschießen?

    Söhn: Damit kein falscher Eindruck entsteht: Mittlerweile sind sehr viele private Investoren auf Einkaufstour. Allerdings unterstützt der Staat über seine staatlichen Banken – soweit erforderlich – die Finanzierung von Transaktionen. Die chinesische Staatskasse ist mit 3,5 Billionen Dollar übervoll. Und das Tempo der Übernahmen durch chinesische Investoren wird zunehmen.

    „China im Wandel“ heißt die Veranstaltung am Montag, 11. Juli, 18 Uhr, im Medienfoyer der Augsburger Allgemeinen in Augsburg. Im Rahmen der Veranstaltung wird Reinhard Bütikofer, Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei (EGP) und stellvertretender Vorsitzender der China-Delegation des Europäischen Parlaments, der Frage nachgehen: Soll die EU China den Marktwirtschaftsstatus verleihen? Um eine Anmeldung wird bis Freitag, 1. Juli, unter augsburg@rlbooe.de gebeten.

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