Hat der vormalige Export-Weltmeister Deutschland ähnlich ausgedient wie im Fußball?
Moritz Schularick: Als flächenmäßig kleine Volkswirtschaft, ohne besondere Rohstoffvorkommen und mit vielen Außengrenzen ist der Außenhandel ein zentrales Standbein für Deutschlands Wohlstand und wird es wohl auch immer bleiben. Aber die Wirtschaft steht vor einen Umbruch, der deutsche Verbrennungsmotor hat als Exportschlager ausgedient, die energieintensive Chemiebranche dürfte nicht zu alter Stärke zurückfinden. An ihre Stelle müssen jetzt neue Bestseller made in Germany treten. Die hat die deutsche Wirtschaft bislang noch nicht gefunden.
Wenn - was nach dem Super Tuesday warscheinlich erscheint - Trump wiedergewählt würde, was würde das für die deutsche Wirtschaft bedeuten?
Schularick: Mit einer Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident ginge uns zunächst einmal ein großes Stück an Stabilität verloren. Auch wenn wir in der Vergangenheit nicht immer einer Meinung mit den Amerikanern waren und uns über Subventionen für Flugzeugbauer oder Chlorhühnchen gestritten haben, wir waren uns immer einig, dass Handel, Investitionen und Austausch über die Grenzen hinweg für beide Seiten Vorteile bringen. Wir hatten uns daran gewöhnt, dass Uneinigkeiten durch Verhandlungen und Kompromisse gelöst werden. Internationale Kooperation, Handel und Globalisierung bringen Wohlstand für alle, das war lange unser Paradigma. Trump dagegen sieht die Weltwirtschaft als Nullsummenspiel, in welchem ein Land immer nur auf Kosten eines anderen Landes gewinnen kann. Er will die heimischen Industrien vor ausländischer Konkurrenz schützen, und dieser Protektionismus würde vor allem der deutschen Exportwirtschaft schaden. Da ist natürlich zuerst an die deutschen Autobauer zu denken, aber auch Handelsbarrieren für Stahl und Waschmaschinen haben wir unter Trump bereits erlebt.
Rechnen Sie mit höheren Zöllen? Trump sprach bei Fox Business zuletzt von zehn Prozent auf alle Importgüter.
Schularick: Donald Trump sprach schon während seiner ersten Amtszeit davon, dass ,Handelskriege gut und leicht zu gewinnen‘ seien. Als Ökonom muss ich ihm da natürlich vehement widersprechen. Mit den Importzöllen hat er ein handelspolitisches Instrument wieder hervorgeholt, das für viele schon sehr tief im Giftschrank der Geoökonomik verschwunden war. Wir sollten auch nicht vergessen, dass sich diese Zölle nicht nur gegen den Rivalen China, sondern auch gegen Verbündete wie die EU oder Kanada richteten. Auch wenn einiges an seiner Politik schwer vorhersehbar ist, mit handelspolitischen Alleingängen sollten wir im Falle einer zweiten Trump-Präsidentschaft auf jeden Fall rechnen.
Sollte Trump den Handelskrieg mit China weiter verstärken, was bedeutet das für Europa?
Schularick: Falls Trump den Handelskonflikt mit China weiter verschärfen sollte – und einige seiner Berater planen offenbar genau das – dann würde das Wachstum der zwei wichtigsten Exportmärkte für Europa deutlich geschwächt. Dies wäre eine Belastung für die gesamte Weltwirtschaft und würde auch der europäischen Wirtschaft schaden. Natürlich könnten sich in bestimmten Bereichen auch neue Möglichkeiten für europäische Unternehmen auftun, wenn sie in die Lücke stoßen, die der Handelskrieg in China und den USA hinterlässt. Unter dem Strich ist eine Auseinandersetzung der beiden Volkswirtschaftlichen aber sicher kein wünschenswertes Szenario.
Wie bewerten Sie die Bidenomics? Wie erfolgreich war Bidens Wirtschaftspolitik bislang? Und warum profitiert er so wenig von den guten Zahlen?
Schularick: Biden ging es zunächst darum, im Nachgang der Coronapandemie der Wirtschaft wieder auf die Sprünge zu helfen, das gelang unter anderem durch Transferzahlungen an Haushalte im Rahmen des American Rescue Plan. Die strukturellen Probleme wurden dann im Chips-Act und im Inflation Reduction Act angegangen. Durch die Investitionen in Infrastruktur und die grüne Transformation soll die US-Wirtschaft zukunftsfest und klimasicher werden. Gleichzeitig soll die strategisch wichtige Halbleiterindustrie durch Forschung und Produktion im Inland gestärkt werden. Wir sehen bereits jetzt einen Anstieg an Investitionen in diesem Bereich, vor allem Fabriken werden gerade neu gebaut. Das Interessante dabei ist, der Staat gibt nicht einfach das Geld aus, sondern holt auch die Privatwirtschaft mit ins Boot. Die Richtung wird durch Steueranreize vorgegeben, aber private Investoren wählen selbst die besten Projekte aus und setzen sie um. Dieser Aspekt ist besonders gelungen. Die Kosten der grünen Transformation und Infrastrukturinvestitionen sind für den Staat allein kaum zu stemmen. Gleichzeitig muss der Staat nicht selbst zum Unternehmer werden und versuchen, die Gewinner von morgen zu finden. Das hat in der Vergangenheit selten funktioniert. Gleichzeitig sieht es so aus, dass die US-Wirtschaft nach der Inflationswelle der letzten beiden Jahre auf ein ‚soft landing‘ zusteuert, und auch der Arbeitsmarkt steht robust da. Natürlich kann sich Joe Biden nicht jeden dieser Erfolge selbst zuschreiben, da hat die FED auch eine sehr wichtige Rolle gespielt. Aber aus wirtschaftlicher Sicht hat er sicherlich viel richtig gemacht.
Zur Person: Moritz Schularick ist Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Sciences Po in Paris.