Herr Maas, zwischen älteren Generationen und der Generation Z gibt es besonders in der Arbeitswelt viele Verständnisprobleme. In Ihrem neuen Buch „Generation arbeitsunfähig“ zeichnen sie deren Ursprünge nach. Ist die Generation Z wirklich arbeitsunfähig?
RÜDIGER MAAS: Nein, sie ist nicht arbeitsunfähig, auf keinen Fall. In den Medien wird sie nur oft so bezeichnet. Über arbeitsunwillig dagegen können wir sprechen. Aber das können wir insgesamt gesamtgesellschaftlich hinterfragen. Das zieht sich bald durch alle Generationen durch.
Die Generation Z hat zahlreiche Vorstellungen für ihre ersten Jobs: Vier-Tage-Woche, Homeoffice, bestenfalls keine Überstunden und viel FreizeitMit Vier-Tage-Woche und Co. dem Personalmangel ein Schnippchen schlagenKommentar. Woher kommen diese Forderungen an die Arbeitswelt?
MAAS: Die Generation Z kennt keine andere Arbeitswelt. Sie hat nie eine andere kennengelernt, es ist also einfach ein Fortführen dessen, was sie kennen. Neu ist das alles nur für die älteren Führungskräfte. Vor allem für die, die ihr Unternehmen nie hinterfragen mussten, bei denen es immer linear weiterging. Man hat immer genügend Arbeitskräfte bekommen, doch plötzlich bekommt man sie nicht mehr.
Wird es mit Blick auf die gegenwärtige Wirtschaft schwerer, der Generation Z diese Wünsche zu erfüllen?
MAAS: Das Problem entsteht erst dadurch, dass wir die Wünsche erfüllen. Wenn man die Vier-Tage-Woche anbietet, um die Jüngeren zu bekommen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, dass sie nur vier Tage arbeiten. Wir brauchen uns aber auch nicht zu wundern, dass es dann schwerer wird, später auf fünf Tage hochzugehen und auch nicht darüber, dass bestimmte Branchen dadurch auch außen vor bleiben, weil sie es aufgrund des Fachkräftemangels gar nicht leisten könnenBayern setzt auf den Einsatz von KI in der VerwaltungKünstliche Intelligenz, etwa momentan in der Pflege, Gastronomie oder der Hotellerie. Es gibt einfach auch unangenehme Arbeitszeiten, und je mehr die Branchen sich gewissermaßen spalten, desto schwieriger wird es, leere Stellen aufzufüllen. Wir müssen uns insgesamt komplett hinterfragen. Damit müssen aber die Älteren anfangen, nicht die Jüngeren.
Viele Führungskräfte müssen jetzt also umdenken. Wieso hat die Generation Z einen so großen Einfluss auf zukünftige Unternehmenskulturen?
MAAS: Weil zu viele in Rente gehen und zu wenig Jüngere nachkommenRenteneintritt: Welche Jahrgänge können 2024 in Rente gehen?Rente, können sich die Jüngeren den Arbeitsplatz aussuchen. Es gibt keine 100 Bewerber mehr auf eine Stelle. Wenn ich mir etwas aussuchen kann, wird es entwertet. Das heißt also, wenn es mir im Unternehmen nicht gefällt, gehe ich einfach weiter. Eigentlich müssten die ganzen Führungskräfte nichts anderes machen als das, was sie immer schon hätten machen müssen: Nämlich führen. Jetzt kommt eben eine Gruppe, die sagt: Wenn du nicht vernünftig führst, gehe ich.
Also trifft die Generation Z auf eine Arbeitswelt, die anscheinend nicht auf sie vorbereitet ist.
MAAS: Vom soziologischen Wandel wissen wir seit 1970. Das ist die Geschwindigkeit, in der wir in Deutschland arbeiten oder Innovationen umsetzen. Trotzdem wundern wir uns, dass uns andere Länder überholen. Es ist gut, dass die jüngere Generation bestimmte Punkte, wie die Anforderungen an die Führung eben, hinterfragt. Andererseits wird die Generation Z den Leistungsgedanken, wie andere Generationen ihn hervorgebracht haben, nicht so weitertreiben. Das heißt, die Konzepte, die jetzt funktionieren, werden mit der Generation Z nicht mehr weitergeführt werden können. Das sind Themen, bei denen jetzt umgedacht werden muss.
Arbeitskräfte aus der Generation Z bleiben durchschnittlich ein Jahr im Unternehmen. Wieso sind sie fast schon sprunghaft auf dem Arbeitsmarkt unterwegs?
MAAS: Die Jüngeren leben in einer Welt, in der sie jeden Tag entscheiden können, was sie wann tun möchten. Sie müssen nicht bis 20.15 Uhr auf den Film warten. Sie entscheiden, mit wem sie hier und jetzt kommunizieren. Das geht in der Arbeitswelt weiter. Es gibt nicht mehr dieses eine Unternehmen, in dem alle arbeiten wollen, alles ist in gewisser Hinsicht entwertet. Warum sollte ich etwas durchziehen, wenn ich fünf weitere Zusagen bei anderen Unternehmen hatte? Die meisten haben schon beim Berufsstart solche Optionen. Zudem ist es auch so, dass die Eltern ein höheres Verständnis dafür haben, dass ihr Kind abbricht.
Die Eltern tragen also gewissermaßen zur Situation bei. Welche Rolle spielen sie?
MAAS: Vieles hat damit zu tun, dass die Erziehung immer behütender wird und die Generation Z sehr an ihren Eltern hängt. Das bedeutet, dass Vorgesetzte immer mehr psychologische Aufgaben und Coaching-Aufgaben übernehmen müssen. Bei Problemen in der Arbeit ist die erste Ansprechperson aber nicht der Vorgesetzte, sondern Mama oder Papa. Die sind in der Regel subjektiv und wollen nicht, dass die Kinder leiden. Sie helfen dann gerne, schnell den nächsten Job zu finden.
Ist der Generation Z die Arbeit gewissermaßen weniger wert?
MAAS: Wir haben generell tatsächlich eine Entwertung der Leistung. Bei den Jüngeren ist Leistung mittlerweile negativer konnotiert. Wir sehen das in ganz vielen Dingen, beispielsweise bei den Bundesjugendspielen, die nicht mehr als Wettkampf ausgetragen werden. Das klingt vielleicht erst einmal angenehmer. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Wenn ich so vieles, was Leistung bedeutet, entwerte, gibt es auch nichts mehr, worauf ich stolz sein kann. Bin ich von 100 Bewerbern der Einzige, der genommen wird, dann bin ich doch stolz, dann werde ich vermutlich länger in diesem Unternehmen bleiben. Heute ist es umgekehrt: Man entscheidet sich für eines von vielen Unternehmen, behält aber das Gefühl, dass man es woanders besser hätte haben können.
Welche Auswirkungen hat das auf die Psyche?
MAAS: Wenn man Glücksforschern glauben darf, sind die glücklichsten Menschen über 60 Jahre alt, also jene, die viel gearbeitet haben, die es nicht so einfach hatten, die aber dann eben stolz waren. Es gibt immer gewisse Punkte im Leben, die schwierig sind. Wenn ich die dann überwinde, kann ich stolz zurückblicken. Aber wenn ich das nie erfahre, dann werde ich auch nie diesen Progress machen. Dadurch gibt es weniger Resilienz-Inseln, also sozusagen einen Beweis für die eigene Widerstandsfähigkeit. Das findet viel weniger statt, und deswegen wäre es vielleicht doch okay, wenn die Jüngeren einfach etwas mal durchziehen, sich durchbeißen und sagen: Es war zwar völlig unangenehm, aber ich habe gesehen, dass ich das schaffe, dass ich stolz sein kann. Jetzt will ich natürlich niemandem sagen, dass man leiden und etwas durchziehen muss, wenn es überhaupt nicht passt. Aber ich muss auch nicht wegen jeder Kleinigkeit sofort abbrechen. Das ist manchmal ein schmaler Grat.
Können Unternehmen ein generationsübergreifendes Verständnis für die Wertigkeit von Arbeit etablieren?
MAAS: Ja, und das wäre auch schön. Einen Ansatz dafür nennen wir „Reverse Mentoring“. Das heißt, eine junge Person berichtet einfach mal eine halbe Stunde oder Stunde, wie sie die Arbeitswelt im Unternehmen wahrgenommen hat. Dem höre ich zu, und dann sage ich in 15 Minuten, wie ich das wahrgenommen habe. Und dann einigt man sich darauf, dass die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo dazwischen liegt. Man tastet sich heran und hört ohne Wertung zu. Da gibt es kein Richtig oder Falsch.
Dabei soll früher ja alles besser gewesen sein. Stimmt das, oder sind das verklärte Erinnerungen?
MAAS: Es wäre kontrafaktisch, wenn es andersherum wäre. Wenn wir sagten, früher war alles total schrecklich. Das würde auch gar nicht zu uns Deutschen passen. Das Problem ist, wann ich mein „Früher“ überhaupt ansetze. War es damals, zwischen 15 und 18 Jahren, oder später? Und als man in seinem „Früher“ war, fand man es auch nicht so toll. Das bringt uns auch nicht weiter. Und dann bleibt die Frage: Wenn es früher besser war, wieso haben wir dieses „Besser“ verlassen?
Zur Person
Rüdiger Maas, geboren 1979, hat Psychologie in Deutschland und Japan studiert. Seit 2012 erforscht er mit seinem Team unter anderem generationsbedingtes Verhalten und gründete hierzu 2017 das Institut für Generationenforschung. Schwerpunkte der Forschung liegen auf der gegenseitigen Beeinflussung der Generationen, etwa in der Erziehung, aber auch beim Umgang miteinander in Unternehmen. Sein Buch „Generation arbeitsunfähig“ ist am 11. April erschienen.