Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Interview: "Man zieht sich wieder schick an"

Interview

"Man zieht sich wieder schick an"

    • |
    Mark Bezner ist Chef des Hemdenherstellers Olymp
Mark Bezner ist Chef des Hemdenherstellers Olymp
    Mark Bezner ist Chef des Hemdenherstellers Olymp Mark Bezner ist Chef des Hemdenherstellers Olymp Foto: Michael Kerler

    Herr Bezner, in der Corona-Pandemie ist das Geschäft vieler Textilunternehmen eingebrochen. Hat es sich so weit erholt, dass Sie bei Olymp eine Chance haben, das Vor-Krisen-Niveau zu erreichen?

    Mark Bezner: Hätten Sie mich im letzten Jahr gefragt, wäre ich optimistisch gewesen, dass wir kommendes Jahr, 2024, wieder das Vor-Corona-Niveau im Umsatz erreichen. Augenblicklich sieht es aber nicht mehr danach aus. Wir entwickeln uns zwar, aber leider stockt die Erholung im Konsum und im Großhandelsbereich. Dazu kommt, dass unsere beiden größten Kunden – Galeria Karstadt Kaufhof und Peek & Cloppenburg aus Düsseldorf – ein Insolvenzverfahren durchlaufen haben. Die Ziele für 2023 werden wir deshalb nicht ganz schaffen, im Augenblick kann ich es mir auch nicht vorstellen, dass wir 2024 schon wieder ganz auf dem Niveau von 2019 sein werden. Das ist die schlechte Nachricht.

    Und die gute?

    Bezner: Die gute Nachricht ist, dass wir zum Glück sehr stark in diese Krisenphase hineingegangen sind. Wir konnten unsere Zukunftsprojekte unvermindert vorantreiben. Wir haben massiv in eine digitale Produktentwicklung investiert, um Kollektionen schneller entwickeln zu können. Gekoppelt ist dies mit einem digitalen Showroom, in dem wir dem Fachhandel unsere Neuheiten im Rahmen branchenüblicher Vororder präsentieren. 

    Wie sieht denn Ihre Umsatzprognose genau aus?

    Bezner: Im Jahr 2019 – vor Corona – lag unser Umsatz bei 268 Millionen Euro. Im Corona-Jahr 2020 ist er auf 191 Millionen Euro eingebrochen, in 2021 dann auf 161 Millionen Euro. In einer Achterbahnfahrt ging es dann auf 227 Millionen Euro im Jahr 2022 aufwärts. Bei den angespannten Lieferketten war dies eine enorme Herausforderung. Für dieses Jahr gehen wir von plus/minus 235 Millionen Euro aus. Die Lage bei den Lieferketten hat sich ebenfalls wieder entspannt.

    Hat sich auch das Verhalten der Kunden normalisiert?

    Bezner: Das Einkaufsverhalten der Kunden ist leider noch untypisch. Ein Grund war das lange Sommerwetter in diesem Jahr. Unser Umsatz hat von Ende August bis einschließlich Mitte Oktober gestockt, da die Menschen bei den hochsommerlichen Temperaturen kein Bedürfnis hatten, sich mit Herbst- oder Winterkleidung einzudecken. Wer aber in der Stadt kein warmes Jäckchen kauft, nimmt auch kein Hemd dazu mit. Dazu kommt die allgemeine Konsumzurückhaltung. Beides zusammen war für uns ein Worst-Case-Szenario. Auch unsere erfolgreichsten Handelskunden hatten ganz verheerende Absätze.

    Was sind die Folgen für Olymp?

    Bezner: Wir werden weiter nach vorne kommen, wir werden auch wachsen, aber nicht in dem Tempo, mit dem ich Anfang des Jahres gerechnet hatte. Unsere Ertragskraft ist noch nicht so ausgeprägt wie 2019. Von daher investieren wir nicht mit der gleichen Euphorie wie in der Vergangenheit. Das Jahr 2024 wird für uns sicher nochmals herausfordernd sein, was den Absatz und die Preise betrifft. Ich bin aber zuversichtlich, dass es 2025, 2026 wieder besser für uns läuft.

    Stichwort Preise: Zahlreiche Waren sind zuletzt teurer geworden. Haben auch Sie die Preise für Ihre Kleidung erhöht?

    Bezner: Die Energie- und Transportkosten sind durch die Decke gegangen, dazu kommen höhere Tarifabschlüsse sowie höhere Aufwendungen für Rohstoffe und Herstellung. Auch wir haben mit steigenden Kosten zu kämpfen und waren gezwungen, einen Teil an unsere Kunden weiterzugeben. Wir haben die Preise aber sehr moderat erhöht. Im Schnitt haben wir die Preise im Vergleich zu 2021 um fünf bis sechs Prozent angehoben.

    Getroffen hatte die Krise auch viele Modehändler. In unserer Region durchläuft Rübsamen eine Sanierung. Weshalb hat sich die Lage so verschärft?

    Bezner: Der Textil-Fachhandel hat schwere Jahre hinter sich. Zum einen durch die Corona-Lockdowns. Dazu kommt der Wettbewerb mit Online-Playern wie Zalando. Schließlich gibt es Ketten wie Zara und H&M, die vom Design der Textilien bis zum Verkauf alles selbst machen und an Bedeutung gewonnen haben. Das alles sind zusätzliche Konkurrenten.

    Dann hat in der Corona-Epidemie auch noch das Homeoffice Einzug gehalten, in dem jeder etwas lockerer angezogen ist. Haben Sie den Wechsel hin zu legererer Kleidung geschafft?

    Bezner: Wir spüren das Homeoffice. Wer auch nur einen Tag in der Woche im Homeoffice verbringt, dessen Hemden verschleißen auch um 20 Prozent langsamer. Das bedeutet ein Fünftel weniger Absatz. Diese Entwicklung müssen wir mit Casual-Produkten ausgleichen. In unserer Frühlingskollektion spielt zum Beispiel das Polo-Hemd eine große Rolle. Casual-Mode mit Freizeithemden, Pullovern, Sweat- und T-Shirts macht inzwischen rund 20 Prozent unseres Umsatzes aus. Gleichzeitig hat die Bedeutung des Homeoffice mit dem Abklingen der Corona-Pandemie auch etwas abgenommen.

    Die Menschen sind wieder vermehrt im Betrieb ...

    Bezner: Die Menschen sind „back to office", sie sind auch „back to Anlass": Wenn man viel im Homeoffice ist, schätzt man es, sich für Veranstaltungen, für das Konzert und andere Gelegenheiten wieder schick anzuziehen, vielleicht sogar schicker als zuvor.

    Die Produktion von Textilien gilt nach wie vor als sehr energieintensiv und umweltbelastend, zudem landen in der EU jedes Jahr Millionen Tonnen Textilien im Müll. Die EU will mit einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie für Textilien dagegenhalten. Wie sehen Sie das Projekt?

    Bezner: Die EU-Strategie für nachhaltige Textilien umfasst 16 Gesetze, mit denen wir uns auseinandersetzen. Dies wird den Prüf- und Dokumentationsaufwand für unser Unternehmen nicht kleiner machen. Wenn sich aber alle Spieler daran halten, ist es eine gute Sache und wir können zu den Gewinnern zählen. Olymp ist bei der Nachhaltigkeit sehr weit.

    Wo ist dies zum Beispiel der Fall?

    Bezner: Wir haben eine neue Hemden-Kollektion entwickelt, die im Sommer 2024 auf den Markt kommen wird und zu 100 Prozent plastikfrei ist. Vom Nähgarn über die Knöpfe bis zu den Einlagen im Kragen. Monomaterial ist der Einstieg in die Recyclingfähigkeit. Dafür haben wir den Weltumsegler Boris Herrmann als Nachhaltigkeitsbotschafter gewonnen. Auch unsere neue Hemdenverpackung kommt weitestgehend ohne Plastik aus. Wir sparen damit 50 Tonnen Kunststoff im Jahr.

    Bisher wird nur rund ein Prozent gebrauchter Textilien wiederverwertet. Lassen sich Hemden wirklich recyceln?

    Bezner: Das Recycling von Kleidung wird sicher kommen. Aus einem Hemd kann man kein neues Hemd machen, vielleicht aber ein gröberes Baumwoll-Produkt wie eine Jacke, Hose oder Decke.

    Haben Sie die Verbraucher schon auf Ihrer Seite?

    Bezner: Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Verbraucher noch nicht so weit sind, wenn für nachhaltigere Kleidung bei der Optik kleine Kompromisse gemacht werden müssen oder das Hemd ein paar Euro mehr kostet. Dies wird noch eine Herausforderung.

    Zur Person: Mark Bezner, 60, führt den Bekleidungshersteller Olymp aus Bietigheim-Bissingen in Baden-Württemberg. Olymp ist vor allem durch seine Hemden bekannt und hat derzeit über 900 Beschäftigte in Deutschland und Österreich.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden