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Interview: Chefin des Bayerischen Hofs: Schuhbeck würde von mir ein Zimmer bekommen

Interview

Chefin des Bayerischen Hofs: Schuhbeck würde von mir ein Zimmer bekommen

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    Innegrit Volkhardt, Chefin des Bayerischen Hofs in München, hat vier Esel. Die Tiere seien nicht stur, sagt sie.
    Innegrit Volkhardt, Chefin des Bayerischen Hofs in München, hat vier Esel. Die Tiere seien nicht stur, sagt sie. Foto: Bayerischer Hof

    Frau Volkhardt, das Hotel Bayerischer Hof besteht seit 1841. König Ludwig I. wünschte sich ein erstklassiges Hotel in München. In dem Haus trugen sich viele Geschichten zu. So waren die Mitglieder der Rolling Stones oft zu Gast.

    Innegrit Volkhardt: Und ich kann als großer Rolling-Stones-Fan nur Gutes über das Verhalten der Band-Mitglieder in unserem Haus berichten.

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    Wirklich? Waren Mick Jagger und Keith Richards immer brav?

    Volkhardt (lacht): Sie haben sich stets korrekt verhalten. Ein Mitglied der Rolling Stones ragte jedoch heraus: Der leider 2021 verstorbene Schlagzeuger Charlie Watts hat mich enorm beeindruckt. Er hinterließ sein Zimmer so aufgeräumt und ordentlich, als wäre er nie da gewesen. Aber er hat im Zimmer übernachtet. Die Besuche der Stones in unserem Hotel waren für mich eines der Highlights.

    Ein anderes Highlight war für Sie sicher, dass Sie für das Buch zum 175-jährigen Bestehen des Bayerischen Hofs den Regisseur Helmut Dietl interviewt haben.

    Volkhardt: Dabei wollte der Verlag ursprünglich, dass ein Journalist den Regisseur von Fernsehserien wie den "Münchner Geschichten", "Monaco Franze" oder "Kir Royal" interviewt. Das lehnte der schon sehr kranke Dietl ab. So sagte er mir, dass er das Gespräch – wenn überhaupt – nur mit mir führen würde. Ich bin ja auch ein großer Dietl-Fan und kannte ihn lange. 

    So haben Sie mit ihm eines der letzten Interviews vor seinem Tod im Jahr 2015 geführt. Dabei konnten Sie echte Nachrichten ans Tageslicht befördern.

    Volkhardt: Zum einen erzählte mir Dietl, dass der in "Kir Royal" im Bayerischen Hof so wunderbar von Mario Adorf gespielte Generaldirektor Heinrich Haffenloher vom Lackfabrikanten Helmut Hemmelrath inspiriert war. Und Herr Hemmelrath wurde Dietl an der Bar vom einstigen Gesellschaftskolumnisten der Abendzeitung, Hannes Obermaier, vorgestellt. 

    Dietl hat Ihnen dann die zweite Nachricht serviert.

    Volkhardt: Ja, ich habe ihn gefragt, wer denn wirklich das Vorbild für den Klatsch-Reporter Baby Schimmerlos in "Kir Royal" war. Dietl hat mir dann bestätigt, dass das nicht Michael Graeter gewesen sei, auch wenn er das immer wieder behauptet hat. Seine Inspirationsquelle für die Schimmerlos-Figur sei vielmehr überwiegend Obermaier gewesen. Hemmelrath, verriet Dietl, habe ihn und Obermaier oft eingeladen – „und zwar dort, wo es besonders teuer ist“. Das Interview brachte für mich eine dritte, verblüffende Erkenntnis: Ich war mir sicher, dass Dietl und sein Weggefährte, der Schriftsteller Patrick Süskind, sich stets in der reinen Beobachterrolle gegenüber der Münchner Gesellschaft gesehen haben, also draußen waren. 

    Waren die beiden draußen?

    Volkhardt: Zu meiner Verblüffung sagte mir Dietl: Süskind und ich waren immer drin in der Münchner Gesellschaft. Ich dachte eher, Dietl und Süskind hätten wie Gerhard Polt aus der Distanz heraus die Szenerie beobachtet. Dietl war jedenfalls ein typischer Münchner, geradeheraus, hin und wieder grantelnd, charmant, sehr sympathisch und sehr viel unterwegs. 

    München gehen die Originale aus. Nachdem Siggi Sommer, Walter Sedlmayr, Rudolph Moshammer, Bernd Eichinger, Helmut Dietl und Helmut Fischer tot sind, gibt es kaum noch echte Typen. Ist wenigstens der Bayerische Hof, wie es Dietl einst sagte, noch „der Inbegriff des Münchner Lebens“?

    Volkhardt: Ich denke schon, dass unser Hotel das noch ist. Doch das Münchner Leben hat sich stark verändert. Es gibt diese typischen Münchner Charaktere kaum mehr, wie sie Dietl herausgearbeitet hat. Früher wollten Prominente, dass in den Zeitungen über sie geschrieben wird, sie also in den Klatschspalten stehen. Heute erleben wir das genaue Gegenteil: Jeder hat Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun. So ziehen sich die Prominenten vielfach zurück und lassen lieber keine Presse zu. Früher gab es die Rubrik „Zu Gast in München“. Da hat jedes Hotel angegeben, welche berühmten Gäste gerade abgestiegen sind. Wer nicht genannt wurde, war schon mal beleidigt. Früher war das Leben in München lockerer, bunter und freier. 

    Verlangen heute Prominente von Ihnen, dass Sie unter allen Umständen ihre Anonymität wahren?

    Volkhardt: Das war eine Zeit lang so. Da wurde uns mitgeteilt: Ja keine Presse! Jetzt ist das schon so selbstverständlich, dass uns bekannte Persönlichkeiten gar nicht mehr darauf hinweisen. Sie erwarten einfach stillschweigend Diskretion. Die schnelle Verbreitung und Reaktion in den sozialen Medien erscheint vielen einfach zu gefährlich. Wenn uns ein Prominenter mitteilt, er reise über die Tiefgarage an, ist uns klar: Er will keine Presse haben. Doch es stehen immer noch Paparazzi vor dem Hotel, lustigerweise über die Jahrzehnte hinweg aus den gleichen Familien. 

    München ist nicht mehr so münchnerisch. Ein Original wie Alfons Schuhbeck muss ins Gefängnis und scheint finanziell klamm zu sein. Würden Sie ihm, wenn er aus dem Knast raus ist und eine vorübergehende Bleibe sucht, ein Zimmer geben?

    Volkhardt: Selbstverständlich. Schuhbeck würde von mir ein Zimmer bekommen. Schuhbeck ist ein Original. Doch scheinbar hat er leider den ehrenwerten Weg verlassen.

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    Ein Original ist auch der Künstler Udo Lindenberg, der in Hamburg in einer Suite im Hotel Atlantic lebt. Beherbergen Sie auch solche Dauergäste?

    Volkhardt: Auch im Bayerischen Hof hat viele Jahre ein bekannter Musiker gewohnt. Außer der Szene wusste das aber keiner. Auch andere Gäste leben manchmal über viele Jahre bei uns. 

    Was macht Sie nervöser: Wenn die Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof stattfindet oder wie einst die Pop-Ikone Michael Jackson zwei Etagen über Ihrem Büro aus dem Fenster schaut und Massenaufläufe provoziert?

    Volkhardt: Beides ist aufregend, wenn auch anders. Das Auftreten von Michael Jackson war für uns weniger gut zu planen als die gut vorbereitete Sicherheitskonferenz. Jackson handelte sehr spontan, ob er etwas aus dem Fenster geworfen hat oder plötzlich ohne Sicherheitskräfte vor die Tür ging – und dies trotz unglaublicher Menschenmassen. Jackson ging zum Teil so unkontrolliert vor, dass wir uns Sorgen um ihn und sein Umfeld machten. Auf alle Fälle habe ich das Glück, einen Beruf auszuüben, indem man unheimlich viel erleben kann. 

    Derzeit erleben Sie die Folgen des Fachkräftemangels, der selbst ein Hotel wie den Bayerischen Hof nicht verschont.

    Volkhardt: Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Damit wir alle anderen Bereiche unseres Hotels mit insgesamt rund 700 Beschäftigten optimal bedienen können, ist momentan zum Beispiel ein Teil unserer Gastronomie, nämlich der Palais-Keller, zu. Wir machen ihn erst wieder auf, wenn wir uns in allen Teilen des Hauses personell wohlfühlen. 

    Warum findet selbst der Bayerische Hof nicht ausreichend Personal?

    Volkhardt: Da sind wir als Spitzenhotel weltweit nicht allein: Fast in allen Ländern spüren nach Corona die Betriebe die Auswirkungen des demografischen Wandels. Was hinzukommt: Während der Pandemie haben viele Beschäftigte des Hotel- und Gaststättengewerbes erstmals bemerkt, welche Vorzüge es hat, Weihnachten und Silvester freizuhaben sowie an den Abenden zu Hause zu sein. Viele haben in dieser Zeit neue Partnerinnen und Partner gefunden, die nicht aus unserer Branche kommen und kein Verständnis für unsere Arbeitszeiten mitbringen. Früher hatten oft beide Partner im Hotel- und Gaststättenbereich gearbeitet und zeigten Verständnis für Abend- und Wochenendarbeit. 

    Doch gerade in der Gastronomie haben doch viele Menschen aus dem Ausland gearbeitet. Sind diese Beschäftigten nach der Corona-Zeit nicht zurückgekommen?

    Volkhardt: Diese Zuwanderer sind während der Pandemie in ihre Heimat zurückgegangen und haben dort festgestellt, wie schön es ist, näher bei der Familie zu leben. Arbeit finden sie in ihren Heimatländern zwischenzeitlich auch. Wahr ist auch: Auf dem Arbeitsmarkt finden auch wir nicht genügend qualifizierte Kräfte. Aber das ist zurzeit in allen Industrien der Fall. Wirtschaftlich läuft es für das Hotelgewerbe wieder gut, wobei wir in München im Gegensatz zu anderen Städten noch nicht das Niveau von 2019 erreichen. 

    Woraus schöpfen Sie Kraft bei Ihrem stressigen Beruf?

    Volkhardt: Auch aus dem Beruf heraus, obwohl er stressig ist. Schließlich macht es Spaß, tolle Events wie zum Beispiel die Sicherheitskonferenz, den Filmball, aber auch hochrangige Jazz-Konzerte bei uns im Bayerischen Hof zu veranstalten. Und ich schöpfe auch Kraft aus Begegnungen mit tollen Menschen und den vielen Stammgästen. 

    Da gibt es noch vier andere Wesen in ihrem großen Garten am Starnberger See.

    Volkhardt: Das sind meine vier Esel. Sie sind supersüß. Ich habe die Esel schon seit 17 Jahren. 

    Sie behaupten, Ihre Esel seien nicht stur.

    Volkhardt: Das stimmt wirklich. Sie tun eben nur das, was sie auch begreifen. Esel sind verspielt und schlau. Ein Mitarbeiter von mir hat den Eseln eine Wippe gebaut, denn einer meiner Esel steht gerne auf einem erhöhten Platz. Jetzt stellt sich der Esel auf einen Teil der Wippe und ich auf den anderen. Ich wippe also mit dem Esel. Und auf meinem Schreibtisch steht ein Bild meines Esels Michel mit einer Bürste vor dem Gesicht. Das sieht aus, als würde er ein Interview geben.

    Zur Person: Innegrit Volkhardt, 57, ist seit 1994 geschäftsführende Komplementärin des Hotels Bayerischer Hof in München. Nach einer Ausbildung zur Hotelkauffrau hat sie ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert und stieg danach in das Familienunternehmen ein. Der Bayerische Hof zählt zu den weltweit führenden Spitzen-Hotels. Zu den Hobbys von Innegrit Volkhardt zählen Reiten und Musik. 

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