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Interview: Ifo–Präsident Fuest: „Höherer CO2-Preis würde den Klimaschutz beschleunigen“

Interview

Ifo–Präsident Fuest: „Höherer CO2-Preis würde den Klimaschutz beschleunigen“

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    Ifo-Chef Clemens Fuest: „Meines Erachtens wäre es sinnvoll, wenn die Ampel mit der Union eine Einigung anstrebt.“
    Ifo-Chef Clemens Fuest: „Meines Erachtens wäre es sinnvoll, wenn die Ampel mit der Union eine Einigung anstrebt.“ Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Professor Fuest, die Regierungskoalition muss ihre Klimapolitik nach dem Bundesverfassungsgericht neu finanzieren, nachdem die Aufnahme von 60 Milliarden Euro Schulden über den einstigen Corona-Krisenfonds unzulässig ist. Welche realistischen Möglichkeiten gibt es nun? Kann man vorhandene Gelder umschichten?

    Clemens Fuest: Es geht beim Klima- und Transformationsfonds um 60 Milliarden Euro, die sich über vier Jahre verteilen. Man könnte Subventionen kürzen, die man nicht für prioritär hält. Das könnten Subventionen für die Gebäudesanierung sein und die zehn Milliarden für Intel in Magdeburg. Man wird allerdings zusätzlich im Kernhaushalt sparen müssen. Möglich ist das, die Ampel hat die Staatsausgaben erheblich ausgedehnt. Ob es politisch mehrheitsfähig wäre, steht auf einem anderen Blatt.

    Ein Alternative wäre, die CO2-Preise auf herkömmliche Brennstoffe zu erhöhen. Kritiker befürchten, dass dies zu sozialen und politischen Problemen, beispielsweise einem noch stärkeren Zulauf zu Protestparteien, führen könnte. Wie könnte eine Lösung aussehen?

    Fuest: Ein höherer CO2-Preis würde den Klimaschutz beschleunigen. Die Politik hat den Bürgern zugesagt, die Einnahmen aus dem CO2-Preis zurückzuerstatten. Das geht aber nicht, wenn man Klimapolitik stark mit Subventionen betreibt. Die Ampel müsste die Subventionen kürzen oder anders finanzieren.

    Man könnte ein Sondervermögen für einen klimafreundlicheren Umbau der Industrie nach Vorbild der Bundeswehr schaffen und das Grundgesetz entsprechend ändern. Dafür bräuchte es einen echten „Deutschlandpakt“ zumindest mit der Union. Wo lägen die Vor- und Nachteile?

    Fuest: Vermutlich würde die Union verlangen, dass zunächst Einsparungen vorgenommen werden, auch im Kernhaushalt. Wenn die Ampel-Parteien dazu bereit wären, könnte es eine solche Einigung geben. Vorteil wäre, dass die dann gemeinsam beschlossene Klimapolitik vielen privaten Investoren verlässlicher erscheinen würde, was Investitionen anregt, weil die nächste Regierung, auch wenn Sie von der Union geführt würde, den Kurs wohl nicht wieder ändern würde. Nachteil wäre, dass die politischen Ränder dadurch möglicherweise weiteren Zulauf erhalten würden.

    SPD und Grüne würden am liebsten die Schuldenbremse generell lockern. Ist das Instrument angesichts der vielen Krisen noch zeitgemäß oder herrscht tatsächlich Korrekturbedarf?

    Fuest: Davon würde ich abraten, Mehrheiten gibt es dafür ohnehin nicht. Regeln zur Begrenzung der Verschuldung senken die Zinskosten, die der Staat für seine Schulden zahlen muss. Studien zeigen, dass Staaten mit Schuldenregeln schneller wachsen, im Durchschnitt geringere Schulden haben, aber keineswegs geringere öffentliche Investitionen haben.

    Im In- und Ausland wird Deutschland ein Investitionsstau bescheinigt, ganz offensichtlich wird dieser zum Beispiel bei der Bahn, die nun um zugesagte Sanierungsmittel fürchtet. Wie groß ist das Problem des Investitionsstaus generell?

    Fuest: Es trifft zu, dass es in Deutschland erheblichen Investitionsbedarf gibt. Er reicht von der Infrastruktur über die Dekarbonisierung bis zur Digitalisierung. Es sind größtenteils private Investitionen, aber der Staat muss auch mehr tun.

    Die Bundesregierung schätzt, dass ein Wegfall der geplanten Investitionen das Wachstum 2024 um etwa einen halben Prozentpunkt geringer ausfallen lassen könnte. Ist das realistisch?

    Fuest: In Zeiten hoher Inflation unterstützt eine Senkung von Staatsausgaben außerdem die Geldpolitik und ermöglicht frühere Zinssenkungen, die das Wachstum dann wieder anregen. Insofern ist unklar, wie hoch der tatsächliche Wachstumseffekt wäre. Sinnvolle Investitionen sollte man nicht streichen, aber nicht alles, was vorgesehen ist, ist auch sinnvoll und prioritär.

    Deutschland hinkt bei dem Wachstum schon jetzt anderen Staaten hinterher und der Wettbewerbsdruck durch eine gewaltige Subventionspolitik in China und USA steigt. Wie müsste eine möglichst effiziente Wirtschaftspolitik reagieren?

    Fuest: Meines Erachtens wäre es sinnvoll, wenn die Ampel mit der Union eine Einigung anstrebt. Man könnte im Kernhaushalt konsumtive Staatsausgaben und Subventionen kürzen und sie teilweise ganz streichen. Man könnte den CO2-Preis erhöhen, interventionistische Eingriffe und Subventionen abbauen und die zusätzlichen Einnahmen durch Steuersenkungen an die Bürger zurückgeben. Die dringend benötigten Investitionen in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Infrastruktur könnte man, soweit sie nicht durch Kürzungen im Kernhaushalt finanziert werden können, in einer Sonderverschuldung finanzieren, die wie im Fall der Bundeswehr im Grundgesetz verankert wird. Ohne eine Einigung mit der Union wird es schwer, vor allem dann, wenn auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds als verfassungswidrig eingeschätzt wird.

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