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Interview: Fressnapf-Gründer Torsten Toeller: "Ich bin ein zäher Hund"

Interview

Fressnapf-Gründer Torsten Toeller: "Ich bin ein zäher Hund"

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    "Ich bin enthusiastisch, habe Power und kann mich durchsetzen. Und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann will ich meine Ideen auch umsetzen", sagt Torsten Toeller.
    "Ich bin enthusiastisch, habe Power und kann mich durchsetzen. Und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann will ich meine Ideen auch umsetzen", sagt Torsten Toeller. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    Torsten Toeller hat mit Fressnapf in 30 Jahren aus dem Nichts heraus den europäischen Marktführer für Heimtierbedarf mit rund 14.000 Mitarbeitern geschaffen. Der 54-Jährige mit den wuscheligen grauen Haaren mischt das im nordrhein-westfälischen Krefeld sitzende Unternehmen gerade wieder mit seinem Team kräftig auf.

    Toeller könnte – rein optisch – auch Sänger einer Rockband sein. Manchmal trägt er Jeans mit Löchern und Schlitzen. Der Unternehmer treibt die Digitalisierung in seiner Firma voran. Toeller ist beim Interview gut gelaunt. Er redet schnell, lacht viel und schwärmt von seinen Mitarbeitern. Den Namen Fressnapf hat er selbst bei einer turbulenten Flugreise erfunden.

    Herr Toeller, wie wird man erfolgreich?

    Torsten Toeller: Alles fing zu Hause an. Meine Eltern hatten zwei Supermärkte. Ich habe mir dort mein Taschengeld verdient und dabei Handel sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen. Ich habe Spaß daran, mit Menschen zu arbeiten, und ich habe von klein auf mit Freude im Handel gearbeitet, auch wenn diese Tätigkeit früher kaum Wertschätzung erfuhr.

    Wie haben Ihre Mitschüler reagiert, als Sie sich nach dem Abitur für eine Lehre im Handel entschieden haben?

    Toeller: Mitschüler von mir wurden Apotheker oder Banker, ergriffen also Jobs, die anerkannter waren. Ich musste ja auch am Samstag arbeiten, und das bei schlechter Bezahlung. Das verstanden viele nicht.

    Wie wurden Sie erfolgreich?

    Toeller: Mein damaliger Arbeitgeber beauftragte mich als jungen Mann, in die USA zu fliegen und dort neue Handelskonzepte zu studieren. Dort habe ich einen Supermarkt für Tiere entdeckt, was mich als Hundefreund sofort fasziniert hat. So etwas gab es in Deutschland noch nicht. Mir war schnell klar, dass auch hierzulande ein solches Ladenkonzept funktioniert. Und ich wusste vor 30 Jahren, dass der Markt für Heimtierbedarf weiter wächst, weil Tiere eine immer größere Wertschätzung erfahren. Ich wollte auch so ein Geschäft aufziehen.

    Wie reagierte Ihr Chef darauf?

    Toeller: Er glaubte nicht, dass der Markt groß genug für eine solche Heimtierkette ist, und hielt meine Idee für abwegig. Ich bin eben enthusiastisch, habe Power und kann mich durchsetzen. Und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann will ich meine Ideen auch umsetzen, ich bin ein zäher Hund und gebe nicht so schnell auf. Mich treibt nicht Geld an, sondern das Ziel, mit Menschen Erfolg zu haben. Ich habe mit 23 Jahren an die Fressnapf-Vision unendlich stark geglaubt. Da war sicher auch jugendlicher Leichtsinn dabei. So habe ich mich selbstständig gemacht.

    War aller Anfang auch für Sie schwer?

    Toeller: Das war ein Knochenjob. Aber ich kannte das von meinen Eltern, die um 6 Uhr morgens schon die Gemüsetheke eingeräumt haben, samstags arbeiten mussten und am Sonntag noch die Bestellungen erledigt haben. Am Anfang wurde ich wegen meiner Fressnapf-Idee belächelt. Viele hielten mich für verrückt. Doch meine Eltern standen hinter mir. Für meinen ersten Fressnapf-Laden haben sie mir 50.000 D-Mark gegeben. Und ich fand einen tollen Banker, der sich traute, mir als 24-Jährigen einen Kredit über 150.000 DM zu genehmigen. Das wäre heute schwer. In der ersten Zeit machte meine Mutter für mich die Buchhaltung. Mein Vater half mir mit den Regalen und hat als gelernter Elektriker für die Elektrik und Beleuchtung gesorgt. Ich war nah an der Ware und den Kunden. Vor allem aber hatte ich Glück.

    Unauffällig ist nicht seine Art: Die Schuhe von Fressnapf-Chef Torsten Toeller.
    Unauffällig ist nicht seine Art: Die Schuhe von Fressnapf-Chef Torsten Toeller. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    Doch trotzdem wären Sie beinahe finanziell gescheitert. Wie haben Sie noch die Kurve gekriegt?

    Toeller: Ich hatte am Anfang Fehler gemacht. Der Name „Fressnapf“ war zwar witzig und gut, auch die Verkaufsflächen in einem Gewerbegebiet neben einem Baumarkt passten. Aber mein Marketing - und Warenkonzept war nicht gut. Ich hatte unterschätzt, wie preissensibel die Kunden in Deutschland sind. Und der Laden war nicht bekannt genug. Die Umsätze in den ersten Monaten waren hundsmiserabel. Eigentlich war ich pleite. Ich stand allein im Laden. Wenn Kunden da waren, konnte ich nicht auf die Toilette gehen.

    "Die Corona-Zeit lässt Mensch und Tier enger zusammenwachsen"

    Und dann?

    Toeller: Dann habe ich meinen gebrauchten 3er-BMW verkauft und die gut 20.000 D-Mark in den Laden gesteckt. Ich habe dann die Preise und das Marketing aggressiver gestaltet. So kamen mehr Leute. Im Laden konnte ich sie durch nette Ansprache, Beratung und die Emotionen für ihre Tiere abholen. Kunden fragten mich nach speziellen Produkten und Marken wie Vitaminen für Hunde. So habe ich das Sortiment verdoppelt. Erfolg stellte sich ein. Nach eineinhalb Jahren konnte ich den zweiten Markt aufmachen, obwohl ich nach einem halben Jahr eigentlich pleite war.

    Wie bleibt man erfolgreich?

    Toeller: Indem man Probleme von Kunden löst und Kunden zufriedenstellt. Wenn einem das oft gelingt, ist Erfolg nicht zu verhindern. Katzenbesitzer suchen etwa Katzenstreu, das klumpt. Um richtig erfolgreich zu werden, muss man Bedürfnisse bei Kunden wecken, die sie noch nicht haben. Solche Bedürfnisse spüren wir bei Fressnapf auf, wenn wir uns mit Marktleitern, unseren Experten oder den Mitgliedern des Kundenbeirats zusammensetzen. So wollen wir nun den Kunden auch Dienstleistungen, also Beratung, verkaufen. Wir wollen das Zusammenleben von Mensch und Tier glücklicher gestalten. Wir sind Glücksvermittler.

    Es wirkt so, als ob sich Menschen in der Corona-Zeit mehr Tiere anschaffen, ja der Trend zum Zweithund und zur Drittkatze geht. Spüren Sie das?

    Toeller: Es gibt ganz klar einen Trend zu mehr Haustieren. Tierheime und die Adoptierstuben in unseren Filialen werden leerer. Wir stellen in unseren Filialen ja auch Kontakt zu Tierheimen her, sodass unsere Kunden Tiere adoptieren können. Es schaffen sich aber nicht nur Tierbesitzer einen zusätzlichen Hund oder eine weitere Katze an. Es gibt auch viele Menschen, die sich jetzt zum ersten Mal ein Tier holen.

    Woran liegt das?

    Toeller: Der Trend geht darauf zurück, dass viele mehr von zu Hause aus arbeiten. Und viele Menschen sind auch allein zu Hause. Wer aber mehr Zeit in den eigenen Wänden verbringt, tut sich leichter, ein Tier zu halten. Auch nach Corona werden die Menschen öfter im Homeoffice sein. Die Corona-Zeit lässt Mensch und Tier enger zusammenwachsen. Gerade Menschen, die durch die Pandemie vereinsamen, finden eine noch innigere Beziehung zu ihrem Tier. So nehmen Tiere eine enorme gesellschaftliche Funktion in schwierigen Zeiten wahr.

    "Unser Geschäft ist generell krisenresistent"

    Mit dem angenehmen monetären Nebeneffekt für Fressnapf, dass der Umsatz steigt. Wann knacken Sie die angepeilte Erlös-Marke von 2,5 Milliarden Euro?

    Toeller: Unser Geschäft ist generell krisenresistent. Wir mussten keinen Mitarbeiter entlassen oder in Kurzarbeit schicken. Schon dieses Jahr knacken wir daher die 2,5-Milliarden-Umsatzschwelle. Wir wachsen in den Läden, aber auch online stark. Die Heimtierbranche ist nach wie vor eine Wachstumsbranche, die pro Jahr konstant in den vergangenen Jahren um zwei bis vier Prozent zugelegt hat. Wir wachsen dieses Jahr deutlich über zehn Prozent, während wir 7,5 Prozent geplant hatten. Viele Menschen geben mehr Geld für ihre Tiere aus. Der Trend geht zu gutem, hochwertigem Futter.

    Und was sind gerade die heißesten Produkte für Vierbeiner?

    Toeller: Die Nachfrage nach Belohnungshäppchen für Katzen und Hunde, aber auch nach Tierspielzeug ist etwa spürbar gestiegen. Aber auch Outdoor-Produkte für Hunde wie längere Leinen sind begehrt. In dem schönen Sommer sind Menschen mit ihren Hunden mehr draußen unterwegs gewesen und habe mit ihnen etwa Hundesport betrieben. In Pandemie-Zeiten verschönern die Menschen ihr Zuhause. So kaufen sie nicht nur neue Sofas, sondern auch neue Hundebetten oder Katzen-Kratzbäume. Interessant wird auch digitales Hundespielzeug.

    Gibt es jetzt auch Computerspiele für Hunde?

    Toeller: Nein, hier kann man etwa im Büro sitzen und digital ein Hundespielzeug in der Wohnung steuern und das Ganze mit einer Kamera überwachen. Oder man kann einen Hundesnack durch die Gegend schießen und das Tier läuft hinterher. Mit einer App lässt sich dann auch noch ein Futterapparat aus der Ferne programmieren.

    So können Tierbesitzer Haustiere registrieren

    Inzwischen tragen zwischen fünf und sieben Millionen Haustiere in Deutschland einen Transponder, eine Art Chip, mit einer Registrierungsnummer unter der Haut (Stand 2015). Jährlich kommen bis zu 400 000 Tiere hinzu. Der Mikrochip ist so klein, dass er das Tier nicht behindert. Den Eingriff erledigt der Tierarzt. Eine Alternative sind Tätowierungen.

    Noch immer aber vergessen viele Besitzer, die Nummer von Chip oder Tätowierung in ein Register eintragen zu lassen, etwa bei Tasso oder dem Haustierregister des Deutschen Tierschutzbundes. Die Registrierung ist kostenlos. Mit einem Lesegerät kann man dann beim Fundtier die Chip-Nummer herauslesen. (Quelle: Bundesverband für Tiergesundheit)

    Die Digitalisierung macht vor nichts Halt. Wie können Sie vom Tier-Boom in Deutschland noch stärker profitieren?

    Toeller: Indem wir um unsere Angebote im Laden oder Onlineshop eine Art Öko-System bauen.

    Was heißt das konkret?

    Toeller: Nur ein Beispiel: Gerade habe ich mit einem Mann gesprochen, der in Deutschland Hutas aufbauen will?

    "Ich bin nicht der alte Patriarch, der alles kontrollieren und entscheiden will"

    Hutas, was ist das denn?

    Toeller: Das sind Hundetagesstätten analog zu Kitas für Kinder. Wir können für unsere Kunden den Kontakt zu solchen Einrichtungen herstellen, also etwa auch zu Dogsittern, die mal auf ihre Hunde aufpassen. Und wir haben selbst Tierärzte eingestellt, die unsere Kunden beraten. Ja wir haben eine kleine eigene Tierarztkette, die wir ausbauen wollen. Daneben bietet unser kostenpflichtiger Service „Doktor Fressnapf“ ohne Stress und Angst im Wartezimmer Rat und Tat. Mit einer speziellen digitalen Technik, dem Hundetracker, kann man Hunde, die weggelaufen sind, aufspüren. Gerade bauen wir die Fressnapf-App. Mit der App sieht man, wo andere Hundehalter in der Nähe mit ihrem Tier spazieren gehen. Und man kann ablesen, wie die Hunde heißen.

    Betreiben Sie auch noch eine Partnervermittlung für Hundebesitzer?

    Toeller: So weit wollen wir nicht gehen. Aber mit unserer App kann man sich mit anderen Hundehaltern zum Gassigehen verabreden. Hundebesitzer können sich also über die App kennenlernen. Diese Position hat noch keiner im Markt besetzt. So erfinden wir Fressnapf noch einmal neu. Was aber bleibt: Die meisten unserer Mitarbeiter können ihre Tiere weiter in die Arbeit mitbringen. Hier in der Zentrale in Krefeld sind pro Tag so gut 100 Hunde unterwegs, zum Teil in einem Freigehege, zum Teil liegen sie auf Schlafplätzen in den Büros. Tiere sind gut für das Betriebsklima. Für unsere Mitarbeiter sind wir ein Great Place to Work.

    Und wie sehen Sie sich selbst?

    Toeller: Ich bin nicht der alte Patriarch, der alles kontrollieren und entscheiden will. Ich bin ein Teamplayer, der sich freut, wenn jemand etwas besser kann als ich. Ich gebe meinen Mitarbeitern Leine.

    Wie viele Hunde haben Sie?

    Toeller: Das ist eine traurige Geschichte vor Weihnachten. Meine Frau nimmt Straßenhunde bei uns auf, die sonst getötet würden. Ein Hund von uns ist vor sechs Wochen mit 13 Jahren an Krebs gestorben, der andere ist neun Jahre alt, hat auch Krebs und stirbt in den nächsten Wochen. Wir haben aber schon zwei neue Hunde, die sonst getötet würden. Sie sind noch sehr schüchtern, aber es ist schön zu sehen, wie sie den ersten Ausflug durch unser Haus gemacht haben und Zutrauen gewinnen.

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