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Interview : Ferdinand Dudenhöffer: „Was die Autoindustrie abbaut, kommt nicht mehr zurück“

Interview

Ferdinand Dudenhöffer: „Was die Autoindustrie abbaut, kommt nicht mehr zurück“

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    „In Deutschland erleben wir in der Autoindustrie einen großen Aderlass, diesen werden wir nicht mehr aufholen“, warnt Auto-Fachmann Ferdinand Dudenhöffer.
    „In Deutschland erleben wir in der Autoindustrie einen großen Aderlass, diesen werden wir nicht mehr aufholen“, warnt Auto-Fachmann Ferdinand Dudenhöffer. Foto: Johannes Neudecker, dpa

    Herr Professor Dudenhöffer, bei Volkswagen werden 35.000 Arbeitsplätze abgebaut. Dies scheint inzwischen nicht mehr allein eine Folge der mauen Konjunktur zu sein. Wie tiefgehend ist diese Krise?

    Prof. Ferdinand Dudenhöffer: In Deutschland erleben wir in der Autoindustrie einen großen Aderlass, diesen werden wir nicht mehr aufholen. Deutschland wird in den nächsten Jahren in der Autoindustrie viel verlieren. Heute werden in Deutschland rund 4,1 Millionen Autos gebaut. Allein VW nimmt jetzt 700.000 Autos raus, sprich: Wir laufen auf 3,4 Millionen zu. Und über die anderen Hersteller haben wir noch nicht gesprochen, das gilt auch für die Zulieferer. Was abgebaut ist, wird in den nächsten fünf Jahren bei uns nicht wieder zurückkommen. Neue Werke entstehen vielleicht in Polen, in Spanien, in Amerika oder China, aber nicht mehr in Deutschland. Wir sind das große Verliererland der Automobilindustrie.

    Was hat man speziell bei VW falsch gemacht? Wie konnten so große Überkapazitäten entstehen?

    Dudenhöffer: Das Problem von VW liegt in Niedersachsen. VW ist ein halbstaatliches Unternehmen, an dem das Land 20 Prozent Anteil hält, Niedersachsen und die IG Metall haben zusammen die Mehrheit im Aufsichtsrat. Damit hat man in Niedersachsen Privilegien wie nirgendwo sonst, die Strukturen sind eingefroren. Der Wettbewerb kommt, aber das Unternehmen bleibt stehen. Man muss Volkswagen die Fesseln nehmen, man muss aufhören, das Unternehmen vom Wettbewerb fernzuhalten.

    Das Land sollte also seine Beteiligung aufgeben?

    Dudenhöffer: Absolut. Niedersachsen bekäme bei einem Verkauf der VW-Anteile deutlich mehr als fünf Milliarden Euro, dafür kann man blühende Landschaften aufbauen. Man muss eine Werksschließung auch einmal als Chance sehen. In Bochum hat man vor zehn Jahren das Opel-Werk geschlossen, heute arbeiten auf dem Gelände moderne Unternehmen!

    Anderen Herstellern wie Audi, Mercedes und BMW geht es auch nicht wirklich gut. Woran liegt diese Krise?

    Dudenhöffer: Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit ist sehr schlecht. Wir haben unseren Standort vergammeln lassen. Die Infrastruktur ist notleidend, die Digitalisierung mittelalterlich, Fachkräfte findet man immer schwieriger. Wir haben die höchsten Energiepreise unter den Industrienationen. Wir stellen die Stromversorgung auf Nachhaltigkeit um, aber wenn es einige Wochen lang Wolken gibt, gehen die Strompreise durch die Decke. Das ist alles unkalkulierbar geworden für die Industrie. Wir haben unendlich viel verloren, weil wir politisch dauernd die Richtung wechseln, sei es in der Energie, der Mobilität, der Forschung, wir spielen Jo-Jo, wir haben keine Strategie.

    Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

    Dudenhöffer: Wir schalten die Atomkraftwerke ab, weil die frühere CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Unglück in Fukushima schlecht geschlafen hat. Und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat mit Milliarden Euro Batteriefabriken gefördert, zwischendrin aber den Elektroautos den Stecker gezogen und die Förderung eingestellt. Robert Habeck hat Chaos verbreitet. Alle paar Tage kam eine neue Idee, die ein Strohfeuer angefacht hat. Einer Intel-Chipfabrik in Magdeburg wollte man 10 Milliarden Euro geben. Diese Fabriken sind geklont, weltweit identisch, damit lernen wir nichts. Die Scherben lesen die Wähler auf. In China arbeitet unterdessen die Kommunistische Partei an 30-Jahresplänen, wie man Energie liefert oder die Mobilität neu aufstellt. Will man bei Chips führend werden, muss man über 20 Jahre in der Forschung, Entwicklung und in der Industrie an Halbleitern arbeiten.

    Hat die Autoproduktion in Deutschland eine Zukunft?

    Dudenhöffer: Exporte aus den deutschen Werken ins Ausland sind vom Volumen weniger bedeutend. Die deutschen Autohersteller haben rund 15 Millionen Autos weltweit verkauft, davon werden aber nur rund 3 Millionen aus Deutschland exportiert. Die Produktion findet also bereits zu großen Teilen im Ausland statt. Ein Grund ist der Hochkostenstandort Deutschland. Wichtig ist es, die Modelle mit den großen Stückzahlen im Ausland für die dortigen Märkte zu bauen. Das größte Werk von BMW zum Beispiel steht in Spartanburg, in den USA. Das größte Autowerk von Mercedes steht in China, zusammen mit BAIC. Dazu kommt ein zweites Problem…

    Welches ist das zweite große Problem der deutschen Hersteller?

    Dudenhöffer: Das zweite Problem ist, dass auch unsere Modelle nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Der größte Automarkt der Welt ist China. Dort hatten die deutschen Hersteller einst gute Marktanteile. Doch diese schmelzen wie der Schnee in der Sonne. In China werden inzwischen China über 50 Prozent elektrische Fahrzeuge verkauft, entweder vollelektrische Autos oder Plug-In-Hybride. Unsere E-Autos sind im Vergleich zu chinesischen Fahrzeugen aber zu teuer. Das Batterie-Knowhow liegt nämlich in Asien, nicht in Deutschland. Unsere Ingenieure können perfekte Verbrennungsmotoren konstruieren, sie sind aber keine Experten für Digitalisierung, die Betriebssysteme, die digitale Netzstruktur für Autos. Diese Fachleute sitzen ebenfalls in China.

    Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Sich komplett China auszuliefern, kann doch auch keine Lösung sein, oder?

    Dudenhöffer: Leider sehen wir, dass nach der Produktion nun auch die Entwicklung auswandert. Autonomes Fahren, softwarezentrierte Autos, das smarte Cockpit und Unterhaltungsfunktionen können die Hersteller nur dann als Spitzentechnologie in die Welt bringen, wenn man dies in China entwickelt, nicht in Wolfsburg oder Ingolstadt. Die VW-Tochter Cariad ist daran gescheitert. Heute gibt das chinesische Start-up X-Peng Volkswagen Nachhilfe, wie man moderne Autos baut! Volkswagen baut in der Provinz Anhu ein riesiges Entwicklungszentrum auf, alle anderen werden es genauso machen. Die Chance für die deutschen Hersteller liegt darin, die IT in China zu entwickeln. Bei uns verhindern Datenschutzregeln die Nutzung der KI für das Auto. Die innovativen Tech-Konzerne sitzen in China und den USA. Das Auto der Zukunft wird in China gebaut, Deutschland hat diese Chance verpasst.

    Richtig gut kommen die chinesischen Hersteller in Deutschland aber bisher nicht an, oder?

    Dudenhöffer: Unser Markt ist unwichtig. Deutschland macht weniger als drei Prozent am weltweiten Automarkt aus. Der größte Hersteller elektrischer Fahrzeuge ist heute BYD. Das Auto der Zukunft bauen Tech-Konzerne wie Tencent oder Huawei, da liegt die große Konkurrenz. Die Zukunft des Autos liegt nicht im Verbrennungsmotor, das Auto der Zukunft ist elektrisch und nahtlos vernetzt mit allen Dingen, in denen der Kunde lebt, wohnt und mit denen er interagiert.

    Wie wird sich der Automarkt 2025 weltweit entwickeln?

    Dudenhöffer: Der Markt in China wird wachsen, auch in den USA wird er wachsen. Europa wird stagnieren und Deutschland geht zurück. Europa ist die Verliererregion der nächsten 20 Jahre, wir wollen es nur nicht wahrhaben und laufen mit großen Sprüchen durch die Gegend.

    Die Politik diskutiert nun, das Verbrennerverbot in der EU bis 2035 aufzuheben. Hilft dies, den Herstellern Luft zu verschaffen?

    Dudenhöffer: Wir sind auf einem Katastrophenkurs unterwegs. Das größte Risiko für die Autoindustrie sind unsere Politiker. Die Autoverkäufer werden nämlich systematisch durch die Politik verunsichert. Der Käufer kauft nichts. Erst haben wir Elektroautos beworben, dann hat man die Kaufprämie eingestellt und den Stecker gezogen. Dann kommen Politiker wie Markus Söder und sagen, dass der Verbrenner dank E-Fuels ewig läuft, kein Mensch weiß aber, wo diese E-Fuels produziert werden sollen. Das sind Wolkenkuckucksheime.

    Welches Auto wird sich Ihrer Meinung nach durchsetzen? Es gibt auch Wasserstoff als Alternative…

    Dudenhöffer: BMW plant ein Wasserstoff-Serienfahrzeug, das sind aber Nischenprodukte. Die Zukunft liegt - je nach Markt - in vollelektrischen Fahrzeugen oder Benzin-Hybridfahrzeugen. In China ist der Verbrenner ein Auslaufmodell, dort ist das E-Auto gesetzt. Und China wird 2030 mehr Autos verkaufen als die USA und die EU zusammen.

    Welche Gefahr stellen die angedrohten Zölle durch den kommenden US-Präsidenten Donald Trump dar?

    Dudenhöffer: Die deutschen Hersteller produzieren schon in Amerika, deshalb treffen Importzölle die europäischen Werke weniger. Kritischer wird es, wenn Trump auch gegenüber Mexiko Zölle erhebt und damit die nordamerikanische Freihandelszone Nafta zerstört, denn in Mexiko befinden sich - wie in Kanada - große Zuliefererwerke und Autofabriken, beispielsweise von VW. Trump wird die Wirtschaft zum Laufen bringen, er wird Wachstum erzeugen, das ist eine Chance, der Klimaschutz ist ihm egal. Er wird sein Land aber auch abschotten und damit auf lange Sicht an wirtschaftlicher Macht verlieren. 

    Auch die EU erhebt Zölle auf Importe aus China. Sind die europäischen Gegenzölle eine geeignete Antwort? 

    Dudenhöffer: Die Zölle der EU zerstören ebenfalls die E-Mobilität, weil sie künstlich den Preis erhöht. Eine Mauer zu bauen, schützt die heimischen Hersteller nicht. Diese werden stattdessen schwach und verlieren, weil der Wettbewerb ausbleibt.

    Zur Person: Professor Ferdinand Dudenhöffer, 73, war lange Jahre Professor für Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. Er leitet heute das Center Automotive Research (CAR) in Bochum.

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