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Fendt-Chef Gröblinghoff: "Auch den Strom nachhaltig erzeugen"

Interview

Fendt-Chef: "Auch den Strom nachhaltig erzeugen"

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    Christoph Gröblinghoff ist der Chef des Allgäuer Landtechnikherstellers Fendt.
    Christoph Gröblinghoff ist der Chef des Allgäuer Landtechnikherstellers Fendt. Foto: Agco/Fendt

    Herr Gröblinghoff, 190 Millionen Euro hat AGCO/Fendt in diesem und im Vorjahr in die Erweiterung des Traktoren- und des Getriebewerks in Marktoberdorf investiert. Was steckt dahinter?

    Christoph Gröblinghoff: Das hat zwei Dimensionen. Der Werksneubau ist schon elf Jahre her. 170 Millionen Euro hat AGCO damals in die Fendt Werke in Marktoberdorf und das Kabinenwerk in Asbach-Bäumenheim investiert. Die Hallen sind in hervorragendem Zustand, aber die Maschinen sind zum Teil eben schon mindestens elf Jahre alt. So werden Ersatzinvestitionen nötig. Zugleich möchten wir unsere Kapazitäten erweitern, das heißt, wir wollen die Produktivität steigern, damit wir noch mehr Output aus dem Werk bekommen. Das machen wir in unseren anderen deutschen Werken auch. Insgesamt investieren wir 325 Millionen Euro. 

    In welchem Bereich ersetzen Sie Maschinen?

    Gröblinghoff: In der Getriebefertigung ersetzen wir sukzessive viele Maschinen und erweitern Kapazitäten. Wir liefern etwa auch stufenlose Getriebe der älteren Generation an unsere Konzernmarken Massey Ferguson und Valtra. So ergibt sich ein enormer Bedarf. 

    Die Globalisierung der Fendt-Produkte ist ein Kernziel von AGCO, sagt AGCO-Chef Eric Hansotia.

    Gröblinghoff: Das macht uns stolz. Eine der wichtigsten Strategien des AGCO Konzerns ist es, dass Fendt mit allen Landtechnikprodukten global wächst. Und unsere Anstrengungen, die Marke zu globalisieren, tragen jetzt Früchte. Schauen wir zurück: Fendt hat sich seit 1930 vom Allgäu aus in Deutschland ausgebreitet. Dann in West-, in Zentraleuropa und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch in Osteuropa. Seit 2020 haben wir uns ernsthaft aufgemacht, Fendt Maschinen auch auf anderen Kontinenten zu vertreiben. 

    Mit der Strategie "Fendt Global Full Line Growth" ...

    Gröblinghoff: Genau, wir wollen mit unserem ganzen Produktprogramm – also neben Traktoren mit Mähdreschern, Futterernte- und Applikationstechnik – Landwirten weltweit Technik anbieten. In Nordamerika ist es die Corn-Belt-Region der USA, in Südamerika Brasilien. Hinzu kommen die großen Hochertragsstandorte an der Südwest- und Südostküste Australiens und Neuseelands. Wir sind immer da, wo professionelle Landwirtschaft stattfindet, wo man sinnvoll Großmaschinen und die damit verbundene Technologie einsetzen kann. Hinzu kommt: Diese Wachstumspläne sichern im hohen Maße Arbeitsplätze hier an unseren deutschen Standorten. 

    Stellen Sie auch neue Kräfte ein? Vergangenen Sommer sprachen Sie von Mitarbeiterzuwachs.

    Gröblinghoff: Natürlich! Wir haben allein in den vergangenen drei Jahren 1200 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. 7181 Mitarbeiter beschäftigen wir jetzt deutschlandweit. 4830 davon arbeiten derzeit in Marktoberdorf. 

    Das heißt, die Nachfrage nach Landmaschinen ist groß? 

    Gröblinghoff: Ja, wir steigern unsere Marktanteile – und die Wertschätzung unserer Produkte in den eben beschriebenen Ländern in Übersee ist sehr groß. Die Nachfrage ist zurzeit sogar noch etwas größer, als wir mit unseren Kapazitäten im Werk produzieren können. Die Nachfrage für 2023 sehen wir mindestens auf dem gleichen, hohen Niveau wie 2022. Ich will noch keine Prognose für 24 wagen, aber ich sehe auch für die Zukunft keinen dramatischen Abschwung. 

    Eine komfortable Situation ...

    Gröblinghoff: Wir sind nicht in einer Industrie, die so zyklisch funktioniert, wie etwa die Weiße Ware. Oder etwa die Baubranche, die gerade durch das erhöhte Zinsniveau zum Erliegen kommt. Die Nachfrage nach Agrartechnikgütern ist generell hoch. Dafür gibt es die bekannten, vielfach benannten Megafaktoren: Die Weltbevölkerung ist jetzt bei über acht Milliarden. Die UN prognostiziert rund zehn Milliarden für das Jahr 2050. Wenn wir die Weltbevölkerung ausreichend mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln versorgen wollen, kommt eine riesengroße Aufgabe auf die Landwirtschaft und damit auf die Landtechnik zu. 

    Kommen wir zu alternativen Antrieben. In absehbarer Zeit wollten Sie mit Ihrem ersten batterie-elektrischen Traktor in Serie gehen. Klappt das?

    Gröblinghoff: Ja. Unser Fendt e100 Vario, den wir in Marktoberdorf bauen, geht nächstes Jahr in die Serienproduktion. Dabei konnten sich viele vor fünf Jahren noch nicht so richtig vorstellen, dass ein batteriebetriebener 80-PS-Traktor wirklich effizient eingesetzt werden kann. Wir denken sogar schon über 100 PS E-Traktoren nach. 

    Für größere Traktoren läuft das Wasserstoff-Projekt H2 Agrar. Neulich haben Sie erste Prototypen mit Brennstoffzelle in Straubing präsentiert.

    Gröblinghoff: Exakt, einer unserer H2-Traktoren wurde von Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger vorgestellt. Die Wasserstoff-betriebenen Schlepper gehen jetzt ins Emsland. Hier sind wir mit anderen Firmen Partner im H2-Agrar-Projekt des Landes Niedersachsen. Die Traktoren werden dort auf zwei Betrieben von Landwirten regulär für die Feldarbeit eingesetzt. Das Besondere ist der ganzheitliche, geschlossene Öko-Kreislauf. 

    Inwiefern?

    Gröblinghoff: Es wird nachhaltig Strom über einen Windpark erzeugt, mithilfe eines Elektrolyseurs wird grüner Wasserstoff hergestellt. Die entstandene Wärme geht an eine Kommune. Für den erzeugten Wasserstoff wurde eine Tankstelle gebaut, an der erstmals auch Traktoren getankt werden können. Entscheidend ist: Gelingt es uns, bei alternativen Antrieben gerade auch die Elektrizität nachhaltig zu erzeugen? Wenn wir bei Windstillstand oder trübem Wetter Gasturbinen anschmeißen, ist doch nichts gewonnen!

    Im neuen Fendt 700 Vario Gen7 kommt die neue Motorenreihe bereits zum Einsatz.
    Im neuen Fendt 700 Vario Gen7 kommt die neue Motorenreihe bereits zum Einsatz. Foto: AGCO/Fendt

    Wann sind Ihre Wasserstofftraktoren reif für den Markt?

    Gröblinghoff: Das hängt von einer noch zu bauenden Infrastruktur sowie einer möglichen Preisentwicklung ab. Reden wir beispielsweise über E-Fuels sind wir momentan in einer Preiskategorie von fünf bis zehn Euro pro Liter. Das schreckt erst mal jeden ab. Ich glaube jedenfalls, bis H2 betriebene Großtraktoren serienreif sind, wird es noch mindestens bis zum Ende dieser Dekade dauern. 

    Sie haben neue AGCO-Motoren, die auch mit alternativen Brennstoffen betankt werden könnten.

    Gröblinghoff: Ja, und die Umrüstung auf Methan ist auch machbar. Hoffentlich werden alternative Brennstoffe, die man mit einem konventionellen Verbrennungsmotor betreiben kann, schnellstmöglich in ausreichender Menge produziert. Derzeit gibt es für den landwirtschaftlichen Bereich, die Baubranche oder auch Lokomotiven noch kein Datum für den Ausstieg aus dem Verbrenner. 

    Während bei Autos 2035 Schluss sein soll mit dem Verbrenner.

    Gröblinghoff: Ja, aber wir verkaufen diese Autos bis 2035. Das heißt, wir haben dann auch noch eine riesige Population mit Verbrennermotoren im Markt, die eine Nutzungsdauer haben mit bis zu 20 weiteren Jahren. Wenn ich also einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz und zur CO2-Reduktion leisten will, setze ich doch auch meine Kraft dafür ein, alternative, CO2-neutrale Brennstoffe wettbewerbsfähig auf den Markt zu bringen, um sie in die bestehende Auto-Population einzusetzen! Zum Glück hat die Politik das jetzt auch auf dem Schirm. 

    Zurück zur Landtechnik: Fendt hat 2022 erstmals mehr als 20.000 Traktoren im Jahr gebaut. Wie viele waren es genau?

    Gröblinghoff: Im Jahr 2022 haben wir – und das ist kein Witz – genau 20.022 Traktoren gebaut und auch ausgeliefert. Dahinter steckt eine wahnsinnige, bereichsübergreifende Leistung des Fendt Teams! 

    Trotz aller globalen Krisen war 2022 ein Rekordjahr für Fendt.

    Gröblinghoff: Was sich aber trotz der 20.022 Traktoren für uns nicht immer so anfühlt (lacht). Es war das schlimmste Jahr, was die Lieferketten angeht, dazu kam der Cyber-Angriff, die Energiekrise ... Aber darüber haben wir ja schon einmal gesprochen. 

    Gut, aber wie sehen Ihre Prognosen für 2023 aus? Wird das wieder ein solches Krisenjahr?

    Gröblinghoff: Wir haben eine sehr auskömmliche Auftragslage, und aus heutiger Sicht sehen wir auch eine Verbesserung der globalen Versorgungslage und der Lieferketten. Wir hören von einer leichten ersten Nachfrageeintrübung in anderen Industrien. Unsere Zulieferer produzieren ja nicht nur für uns, sondern auch für Baumaschinen, Busse und Trucks oder auch für die Automobilindustrie ... 

    Heißt das, wenn zum Beispiel die Baubranche einbricht, dass Fendt bei der Liefersituation davon profitieren könnte?

    Gröblinghoff: Ja, wenn etwas weniger Baumaschinen in der Welt nachgefragt würden, würde das unter Umständen mehr Kapazitäten für Landtechnikhersteller bedeuten. So etwas könnte also auch uns in ruhigere Fahrwasser bringen. Nach wie vor ist aber noch nicht alles ausgestanden. Es kommt immer wieder zu kleineren kurzfristigen Lieferausfällen. 

    Geht es dabei immer um spezielle Mikrochips oder Halbleiter?

    Gröblinghoff: Nein, das ist der gesamte bunte Blumenstrauß. Da gibt es kurzfristig mal einen Zulieferer, der für eine Woche keine Chips aus China kriegt, es betrifft aber auch Kunststoff oder mechanische Teile oder sonst was. 

    Heißt das, dass wieder Traktoren unfertig auf Halde stehen und nachgerüstet werden müssen?

    Gröblinghoff: Wir werden vorerst einen etwas größeren Lagerbestand von Traktoren hier am Standort haben, die nachgerüstet werden müssen. Das können wir nicht ganz verhindern, bis alle Lieferketten wieder reibungslos laufen.

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