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Interview: Energieforscher Quaschning: "Bei dem Heizgesetz wurden bewusst Ängste geschürt"

Interview

Energieforscher Quaschning: "Bei dem Heizgesetz wurden bewusst Ängste geschürt"

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    "Wir werden in Deutschland nicht die Mengen an grünem Wasserstoff herstellen können, um den Gebäudebestand beheizen zu können", warnt der Energieforscher Professor Volker Quaschning.
    "Wir werden in Deutschland nicht die Mengen an grünem Wasserstoff herstellen können, um den Gebäudebestand beheizen zu können", warnt der Energieforscher Professor Volker Quaschning. Foto: Silke Reents

    Herr Professor Quaschning, Sie kämpfen seit Jahren als Wissenschaftler für den Klimaschutz. Wie haben Sie da die Debatte um das Heizgesetz wahrgenommen?

    Volker Quaschning:Ich habe die Debatte mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen. Der Gesetzentwurf zu Beginn ist sicherlich schlecht kommuniziert worden. Dann aber begann – getrieben vom Springer-Verlag – eine Kampagne gegen das Gesetz, die von mehreren Parteien aufgegriffen worden ist. Mit einer sachlichen Diskussion hatte dies nichts mehr zu tun. Hier wurden Preise und Falschaussagen genannt, bei denen man als Wissenschaftler nur den Kopf schütteln kann. Für den Klimaschutz brauchen wir eine sachliche Diskussion. Wenn Herr Merz einmal Bundeskanzler werden will, muss auch er das Klimaschutzgesetz einhalten.

    Was wäre denn ein Beispiel für Falschaussagen?

    Quaschning: Wenn Herr Söder behauptet, der Kauf einer Wärmepumpe koste bis zu 300.000 Euro, dann weiß ich nicht, wie groß die dazugehörige Villa ist? Eine normale damit es richtig teuer wird. Auch dass man im Altbau keine Wärmepumpe einbauen kann, ist nicht richtig. Bei den Menschen wurden bewusst Ängste geschürt, um politisch Positionen durchzusetzen. Ich habe mir lange überlegt, warum dies so war … 

    Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

    Quaschning: Wir haben in Deutschland 300 Milliarden Euro für Gasleitungen verbuddelt. Wäre das Gesetz in der Härte wie von Herrn Habeck vorgeschlagen gekommen, hätte dies eine weitgehende Entwertung der Gas-Infrastruktur bedeutet. Daran hat zum Beispiel die Gaswirtschaft kein Interesse. Der FDP mag es durch die Debatte gelungen sein, den Grünen ein paar Promille an Wählerstimmen abzujagen,

    Die Technologieoffenheit ist aus Ihrer Sicht also ein Rückschritt?

    Quaschning: Mit Gas wird es nicht funktionieren, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Nach den Korrekturen am Entwurf können viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer fünf weitere Jahre Gasheizungen einbauen. So eine Heizung hält bis zu 25 Jahre. Lassen Sie uns nachrechnen: Wenn Deutschland 2045 klimaneutral sein will, hätte die letzte Gasheizung 2020 eingebaut werden dürfen.

    Man könnte das Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzen …

    Quaschning: Es wird immer wieder versprochen, dass grüner Wasserstoff Erdgas ersetzen kann. Wir werden in Deutschland aber nicht die Mengen an grünem Wasserstoff herstellen können, um den Gebäudebestand beheizen zu können. Für Herstellung dieser Mengen an grünem Wasserstoff fehlt der erneuerbare Strom. In Bayern zum Beispiel wurden im ersten Halbjahr nur drei Windkraftanlagen genehmigt. 

    Wasserstoff ließe sich auch importieren …

    Quaschning: Wir müssten den fehlenden Wasserstoff importieren, aber auch der Import ist mit Verlusten und damit Kosten verbunden. Es ist auch nicht beantwortet, wo die Mengen herkommen sollen. Das ist eine reine Luftbuchung. Wir werden die Klimaneutralität bis 2045 – wie es im Gesetz steht – mit Gas nicht erreichen können. Der Grund ist, dass eine mit Wasserstoff betriebene Gasheizung bis zu fünfmal so viel Energie aus grünem Strom braucht wie eine Wärmepumpe, um ein Gebäude zu beheizen. 

    Wie kommt dieser große Effizienzunterschied zwischen Gasheizungen und Wärmepumpen zustande?

    Quaschning: Eine Wärmepumpe ist sehr effizient, weil sie die Wärme zu zwei Dritteln aus der Umgebung holt. Eine Gasheizung braucht also schon einmal dreimal so viel Energie wie eine Wärmepumpe. Bei der Erzeugung von Wasserstoff für die Gasheizung mit grünem Strom entstehen nochmals Verluste, damit ist man beim Faktor 4 bis 5. 

    "Hier wurden Preise und Falschaussagen genannt, bei denen man als Wissenschaftler nur den Kopf schütteln kann", kritisiert der Energieforscher Volker Quaschning die Debatte um das Heizgesetz in diesem Frühjahr.
    "Hier wurden Preise und Falschaussagen genannt, bei denen man als Wissenschaftler nur den Kopf schütteln kann", kritisiert der Energieforscher Volker Quaschning die Debatte um das Heizgesetz in diesem Frühjahr. Foto: Janine Escher

    Man soll nie vom Klima auf das Wetter schließen, aber sind die Hitzewellen in diesem Sommer in Südeuropa, die Stürme der letzten Tage und die Trockenheit schon Vorboten des Klimawandels?

    Quaschning: Es sind nicht nur Vorboten. Man kann einen Großteil der Wetterextreme auf die Klimakrise zurückführen. Die Kollegen arbeiten hier mit Modellen, die eine Welt ohne Klimaerwärmung einer Welt mit Klimaerwärmung gegenüberstellen. Sie berechnen dann Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Wetterextreme auftreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es die Ahrtal-Flut ohne die

    Was ist der Grund dafür?

    Quaschning: Durch die Erwärmung haben sich die Strömungsverhältnisse der Erde verändert. Die großen Jetstreams, die als starke Winde in größerer Höhe um die Pole kreisen, haben sich abgeschwächt. Dadurch ziehen die Wetterlagen langsamer fort. Früher hatten wir auch Hoch- und Tiefdruckgebiete, mit denen sich das Wetter alle paar Tage geändert hat. Heute hält dagegen eine Dürre häufig viele Wochen an. 

    Mancherorts – unter anderem in Norditalien – haben wir dagegen in diesem Frühjahr sintflutartigen Regen erlebt …

    Quaschning: Auch das ist Physik. In Deutschland haben wir derzeit eine Erwärmung von fast zwei Grad, jedes Grad sorgt dafür, dass die Luft 7 Prozent mehr Feuchtigkeit binden kann. Bei Starkregen kommt diese Wassermenge zusätzlich herunter und sorgt für immer heftigere Überschwemmungen.

    Was bedeutet dies für die Zukunft?

    Quaschning: Ohne stärkeren Klimaschutz reden wir zum Ende des Jahrhunderts über eine Erwärmung von drei bis vier Grad. Bei den Folgen erreichen wir ganz andere Dimensionen. Schätzungen gehen dahin, dass drei Milliarden Menschen auf der Erde umgesiedelt werden müssten, weil Gebiete durch Hitze unbewohnbar werden. 

    Drei Milliarden Menschen?

    Quaschning: Sicher wird es Flecken in Sibirien und anderswo geben, wo man weiterhin gut wohnen kann. Das hilft den Menschen in Afrika aber nichts. Europa ist schon heute mit einer relativ kleinen Zahl an Flüchtlingen überfordert. 

    Kritiker geben zu bedenken, dass Deutschlands Klimaschutz im globalen Maßstab kaum eine Rolle spielt, wenn Länder wie China zahlreiche neue Kohlekraftwerke in Betrieb nehmen.

    Quaschning: Ich kenne dieses Argument aus meiner Kindheit: Wenn auf dem Schulhof jemand einen Schneeball wirft und erwischt wird, zeigt man schnell auf den anderen und sagt: "Der hat aber zwei geworfen!" Deutschland ist bei den Klimasündern weltweit auf Platz sieben. Historisch gesehen hat Deutschland sogar die vierthöchsten CO2-Emissionen verursacht. Nur drei Länder sind noch schlimmer. Wenn Deutschland auf Platz vier keinen Klimaschutz betreibt, was machen dann die Länder auf Platz fünf, sechs und so fort? Müssen diese dann auch keinen Klimaschutz betreiben? Klimaschutz kann nur funktionieren, wenn alle mitmachen. Deutschland mit seinem Ruf von "made in Germany" hat eine große Vorbildfunktion und Verantwortung. 

    Stichwort "made in Germany": In der Mobilität hat die FDP über die Technologieoffenheit E-Fuels ins Spiel gebracht, mit denen weiter Verbrennungsmotoren laufen können. Wäre das ein Kompromiss im Klimaschutz?

    Quaschning: Hier haben wir ähnliche Effizienzprobleme wie bei der Gasheizung. Mit grünem Strom kann man direkt ein E-Auto laden. Man kann mit grünem Strom auch Wasserstoff und aus dem Wasserstoff dann E-Fuels produzieren. Dann brauche ich aber zum Autofahren fünf- bis siebenmal so viel Strom! Diese Menge an grünem Strom werden wir aber nicht mit drei neuen Windrädern in Bayern erzeugen. Ja, der Sportwagenhersteller Porsche produziert in Chile in einer Anlage E-Fuels. Um aber die heutige Fahrzeugflotte komplett mit E-Fuels zu betanken, bräuchten wir wohl mehrere 100.000 solcher Anlagen. 

    Sind wir im Autobau also auf einem Irrweg?

    Quaschning: Die E-Fuels-Diskussion hat uns massiv geschadet. Die Musik im Automobilbereich spielt in China, wohin 40 Prozent der hierzulande hergestellten Autos exportiert werden. China hat die Abgas-Grenzwerte jetzt so verschärft, dass deutsche Verbrenner dorthin kaum mehr exportiert werden können. China wird keine deutschen Verbrenner mit E-Fuels kaufen. Bei Elektroautos hat die deutsche Autoindustrie geschlafen. Ich befürchte, dass chinesische Hersteller mit ihren E-

    Zur Person: Volker Quaschning, geboren 1969 in Leonberg, ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Der studierte Elektrotechniker betreibt einen Youtube-Kanal zur Klimapolitik und mit seiner Frau Cornelia einen Podcast. 

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