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Interview: Ein Experte erklärt: Darum wird Deutschland so langsam digital

Interview

Ein Experte erklärt: Darum wird Deutschland so langsam digital

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    "Bei Start-ups und Firmen der Informations- und Kommunikationstechnologien ist Deutschland nicht so gut aufgestellt", warnt Gordon Rohrmair, Präsident der Hochschule Augsburg.
    "Bei Start-ups und Firmen der Informations- und Kommunikationstechnologien ist Deutschland nicht so gut aufgestellt", warnt Gordon Rohrmair, Präsident der Hochschule Augsburg. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Professor Rohrmair, wie schlägt sich denn Deutschland bei der Digitalisierung?
    GORDON ROHRMAIR: Das ist es jetzt natürlich ein ganz weites Feld, zu dem es viele Studien gibt. Zusammengefasst würde ich sagen, es ist so mittelprächtig. Was auffällt: Wir fallen bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen zurück, und der Breitbandausbau für das schnelle Internet ist nicht so gut. Wobei man in diesem Punkt schon wieder differenzieren muss.

    Nämlich?
    GORDON ROHRMAIR: Mehr als 90 Prozent der Haushalte in Deutschland haben einen Internetanschluss. Bei den langsamen und mittleren Geschwindigkeiten sind wir sehr gut. Woran es hapert, sind die schnellen Glasfaseranschlüsse.

    Die Digitalisierung in Deutschland sei eine größere Baustelle, sagen Fachleute.
    Die Digitalisierung in Deutschland sei eine größere Baustelle, sagen Fachleute. Foto: Bernhard Weizenegger

    Weil hier die Politik zu langsam war?
    GORDON ROHRMAIR: Das ist eine zu einseitige Betrachtung. Untersuchungen zeigen, dass viele Firmen Zugriff auf schnelles Internet hätten, es aber nicht nutzen. Bei Privathaushalten ist es ähnlich. Die Nachfrage ist also nicht überall so, dass die Provider den Ausbau vorantreiben. Vielleicht ist das ein Zeichen, dass der Bedarf noch nicht da ist.

    Blicken wird auf die Wirtschaft. Wie sieht es da aus?
    GORDON ROHRMAIR: Bei Start-ups und Firmen der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind wir nicht so gut aufgestellt. Diese IKT-Firmen sind die Könige der Digitalisierung, das bekannteste deutsche Unternehmen aus diesem Bereich ist SAP. In den USA ist die jährliche Bruttowertschöpfung dieser IKT-Firmen pro Kopf gerechnet dreimal so hoch wie in Deutschland. Bei uns liegt der Wert der geschaffenen Güter in diesem Bereich bei rund 250 Milliarden Dollar im Jahr, in Japan, um eine andere Volkswirtschaft zu nennen, sind es 400 Milliarden Dollar. Dafür sind wie hier beim verarbeitenden Gewerbe sehr gut. Denken Sie nur an die Autoindustrie oder den Maschinenbau, wo es viele Entwicklungen aus Deutschland gibt.

    Das klingt doch nach einer guten Arbeitsteilung?
    GORDON ROHRMAIR: Die Frage ist, wie lange das trägt. Denn nun dringen die großen Spieler mit ihrem Softwarewissen und riesigem Kapital in diese Bereiche vor. Denken Sie nur an Tesla. Und jetzt kommt der chinesische Batteriehersteller BYD mit seinen E-Autos.

    Woran fehlt es Deutschland?
    GORDON ROHRMAIR: Mit einem Wort: Know-how. Das wird besonders bei den öffentlichen Verwaltungen deutlich. Dort gibt es vorwiegend in der Führungsebene zu wenig Wissen über die Digitalisierung, die Digital-experten wissen wiederum wenig über die komplexen Prozesse in den Verwaltungen. Wenn ich nur daran denke, was man alles in seinem Bafög-Antrag reinschreiben muss. In anderen Ländern sind schon drei Viertel der Angaben vorher ausgefüllt, weil sie in Datenbanken ja bereitliegen. Das erspart Zeit und verringert die Fehlerquote. Dazu brauche ich natürlich gute Daten. Wenn ich nur Quatsch habe, kommt am Ende auch Quatsch raus. Das beste Beispiel ist Corona. Dort hat die digitale Nutzung der Daten durch die Gesundheitsämter nur schlecht funktioniert. Leidtragende war die Bevölkerung.

    Und der Datenschutz?
    GORDON ROHRMAIR: Ist manchmal ein Hemmschuh. Wir wollen an den bayerischen Hochschulen ein einheitliches IT-System einführen, das vieles vereinfachen wird. Damit das richtig funktioniert, müssen Daten in eine sogenannte Cloud verschoben werden. Dagegen gab es Datenschutz-Bedenken, und wir durften eine Software, die alle Firmen um uns herum nehmen, nicht benutzen. Nach eineinhalb Jahren und vielen Gesprächen gibt es jetzt in Bayern ein Pilotprojekt.

    Wie viele machen mit?
    GORDON ROHRMAIR: Zwölf von 19.

    Gordon Rohrmair
    Gordon Rohrmair Foto: Erich Echter

    Zur Person

    Gordon Thomas Rohrmair ist Informatiker. Der 47-Jährige ist Präsident der Hochschule Augsburg sowie Gutachter für das Bundesbildungsministerium und das Land Nordrhein-Westfalen im Bereich IT-Sicherheit/Digitalisierung.

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